Der Hexenclub

24 Jahre nach dem ersten Teil der Hexensaga liefert das Produktionsstudio Blumhouse mit DER HEXENCLUB nun eine Fortsetzung, die ebenso gut ein Remake sein könnte. Von den Horroranflügen des Originals ist kaum noch etwas übrig. Und trotzdem erweist sich der Teenie-Fantasyfilm als überraschend sympathisch. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: The Craft: Legacy (USA 2020)

Der Plot

Teenagerin Lily (Cailee Spaeny) ist neu an ihrer Schule, nachdem sie erst kürzlich mit ihrer Mutter Helen (Michelle Monaghan) in die Stadt gezogen ist. Hier möchte sie gemeinsam mit ihrem neuen Freund Adam (David Duchovny), dessen drei Söhnen und ihrer Tochter ein neues Leben beginnen. Für Lily ist die neue Situation ungewohnt, doch sie lebt sich schnell ein, nachdem sie in ihren drei Mitschülerinnen Frankie (Gideon Adlon), Tabby (Lovie Simone) und Lourdes (Zoey Luna) neue Freundinnen findet. Die drei sind es auch, die Lily davon erzählen, dass die jungen Frauen mehr verbindet als bloße Freundschaft. Sie alle vier sind Hexen – und nur gemeinsam können sich ihre magischen Kräfte voll entfalten. Für Lily beginnt eine aufregende Zeit zwischen pubertären Wirrungen, amourösem Gefühlschaos und Hexerei.

Kritik

Dieses Halloween steht ganz im Zeichen der Hexen! Diesen Eindruck erweckt zumindest ein Blick ins Kino und ins Fernsehen, wo in dieser Woche nicht bloß gleich zwei Filme starten, die sich mit den magischen Geschöpfen befassen (neben „Der Hexenclub“ ist ab dem 29. Oktober auch Robert Zemeckis‘ „Hexen hexen“-Neuauflage zu sehen); Das ZDF widmet den Zauberwesen sogar ein ganzes Wochenende und veranstaltet in Kooperation mit dem KiKA ein „magisches Hexen-Wochenende“, in dessen Rahmen diverse „Bibi Blocksberg“-Folgen inklusive einer Weltpremiere der Sonderepisode „Halloween mit Hex-hex“, die Realfilme der „Bibi & Tina“-Reihe sowie Marco Petrys Jugendbuchverfilmung „Meine teuflisch gute Freundin“ ausgestrahlt werden (zugegeben, Letzteres passt nicht ganz in die Reihe, schließlich ist die Hauptfigur der Teeniekomödie keine Hexe, sondern die Tochter des Teufels, aber wer fragt da schon nach?). Hexen scheinen ihre Faszination über die Jahrzehnte ihres Auftritts in der Popkultur also bis heute nicht verloren zu haben. Regisseurin und Drehbuchautorin Zoe Lister-Jones („Band Aid“) hätte für die Fortsetzung von Andrew Flemings Neunzigerjahre-Horrorklassikers „Der Hexenclub“ allerdings gar nicht zwingend vier Hexen in den Mittelpunkt ihrer Geschichte rücken müssen. Der im Original in Anlehnung an den ersten Teil „The Craft: Legacy“ betitelte Fantasyfilm würde auch hervorragend als Coming-of-Age-Drama ohne jedwede magischen Untertöne funktionieren – und wäre dann vermutlich sogar noch einen Tick besser.

Lourdes (Zoey Luna),  Frankie (Gideon Adlon), Tabby (Lovie Simone) und Lily (Cailee Spaeny) sind: der Hexenclun.

Es gibt einen deutlichen Querverweis in Richtung des Original-„Hexenclubs“, bei dem Schauspielerin Fairuza Balk alias Nancy Downs eine entscheidende Rolle spielt. Das ist aber auch schon so ziemlich die einzige Verbindung zwischen „The Craft“ und „The Craft: Legacy“; Letzterer funktioniert inhaltlich auch ganz hervorragend als losgelöstes Abenteuerdrama rund um vier Teenagermädchen, die anstatt wie in Coming-of-Age-Filmen sonst üblich ihre Körper und ihren Charakter plötzlich Hexenkräfte entdecken. Doch auch wenn Letztere bereits im Prolog ausgiebig zur Geltung kommen, ist „Der Hexenclub“ lange Zeit am spannendsten, wenn die übernatürlichen Elemente gar keine Rolle spielen. Wir lernen die Hauptfigur Lily als eine junge Frau kennen, die mit ihrer neuen Patchwork-Situation hadert, da sie keinen Draht zu ihrem neuen Stiefvater und ihren drei Stiefgeschwistern findet. Als Neuling auf der Schule ist sie eine Außenseiterin und das Verhältnis zu ihrer Mutter ist aufgrund der neuen Lebensumstände ebenfalls leicht angespannt. All das sind ganz normale Probleme, mit denen sich nicht wenige Jugendliche tagtäglich auseinandersetzen müssen. Als Lily dann auch noch vor der ganzen Schulklasse ihre Periode bekommt und ihr die drei Mädels Frankie, Tabby und Lourdes anschließend auf der Toilette zu Hilfe eilen, hat Zoe Lister-Jones ein durch und durch bodenständiges Szenario etabliert, das viel Identifikationspotenzial birgt.

„Auch wenn sie bereits im Prolog ausgiebig zur Geltung kommen, ist „Der Hexenclub“ lange Zeit am spannendsten, wenn die übernatürlichen Elemente gar keine Rolle spielen.“

Dies liegt vor allem an den sympathischen Darstellerinnen. Zwar liefert das Skript nicht allzu viele Hintergrundinformationen zu Frankie, Tabby und Lourdes, doch die Newcomerinnen Gideon Adlon („Der Sex Pakt“), Lovie Simone („Greenleaf“) und Zoey Luna („Pose“) haben eine tolle Chemie miteinander. Das macht es verkraftbar, dass die drei Mädels hier vorwiegend auf ihre Hexenkräfte reduziert werden (jeder von ihnen wird ein Element sowie eine Himmelsrichtung zugeordnet – mit Ausnahme von Lily ist das am Ende so ziemlich das Einzige, was man Genaueres über sie weiß). Wichtig ist nur, dass man ihnen sowohl ihre Freundschaft zueinander als auch ihre Begeisterung für ihre magischen Fähigkeiten jederzeit abnimmt. Und dies gelingt. Deutlich mehr erfährt der Zuschauer da über Lily. Zwar ist ihr Patchwork-Schicksal im Coming-of-Age-Kino kein allzu außergewöhnliches, doch Lister-Jones zeichnet ein nachvollziehbares Umfeld aus liebender, aber sukzessive den Zugang verlierender Mutter („Mission: Impossible“-Star Michelle Monaghan mimt diesen Part souverän) und schwer durchschaubarem Stiefvater, dessen Zwielichtigkeit der „Akte X“- und „Californication“-Mime David Duchovny allerdings ein wenig zu offensichtlich vor sich herträgt. Wenngleich es über zwei Drittel der Laufzeit andauert, bis sich überhaupt so etwas wie ein Konflikt aus „Der Hexenclub“ abzeichnet, ahnt man schon früh, dass dieser Adam irgendetwas damit zu tun haben muss, wenn hier reichlich spät die Dinge außer Kontrolle geraten.

Lily und ihre Mutter (Michelle Monaghan) sowie ihr Stiefvater Adam (David Duchovny).

Ebenjener Konflikt ist klar der Schwachpunkt an „Der Hexenclub“ – und würde ihn die Autorin nicht sowieso erst so spät hervorkramen, wäre der Film vermutlich eine ganze Ecke schlechter geworden. So fällt diese Schwäche indes erst spät ins Gewicht. Auch die zu erwartenden Fantasyelemente kommen dadurch erst ziemlich zum Schluss des Films zum Tragen. Horror – so wie noch im ersten Film – gibt es gar überhaupt keinen, sodass der Film verdientermaßen eine FSK-Freigabe ab 12 erhalten hat. Punkten kann das Jugenddrama dagegen an anderer Stelle: Zoe Lister-Jones nutzt den Hexensubtext in erster Linie allegorisch und erzählt stattdessen von ganz normalen Teenagerproblemen. Ihre Protagonistinnen kämpfen mit Verlust, mit Trauer, mit sexueller Neugierde, mit der Suche nach einer eigenen Identität und dem Verständnis ihres Umfeldes für genau dies. Insbesondere ein Handlungsstrang rund um Lilys Stiefbruder Timmy (Nicholas Galitzine, „Streetdance: New York“) gerät bemerkenswert emotional und hält sogar einen Funken Gesellschaftskritik parat. Sein Schicksal ist es auch, das als einziges so etwas wie eine überraschende Wendung bereithält. Dramaturgisch ist „Der Hexenclub“ leider alles andere als originell oder aufregend. Doch aus atmosphärischer Sicht kann Zoe Lister-Jones‘ erste Studioarbeit, die an jüngsten Blumhouse-Produktionen der zweiten Reihe sogar ziemlich ordentlich aussieht, punkten – nur einen klassischen „Hexenfilm“ sollte man besser nicht erwarten. Vielleicht wäre „Der Hexenclub“ ein guter Auftrakt für eine Serie geworden.

„Zoe Lister-Jones nutzt den Hexensubtext in erster Linie allegorisch und erzählt von ganz normalen Teenagerproblemen. Ihre Protagonistinnen kämpfen mit Verlust, mit Trauer, mit sexueller Neugierde und der Suche nach einer eigenen Identität.

Fazit: Blumhouse’s „Der Hexenclub“ ist vielleicht kein guter Hexenhorrorfilm, aber dafür ein gelungenes Coming-of-Age-Drama mit Fantasyeinschüben, das mit Atmosphäre und einer sympathischen Darstellerinteraktion punkten kann und ein guter Auftakt für eine Serie wäre.

„Der Hexenclub“ ist ab dem 29. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.

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