Late Night with the Devil

Der nächste Horror-Hype steht in den Startlöchern. Nach einer Kontroverse rund um die Anwendung von Künstlicher Intelligenz und überragenden Besprechungen auf internationalen Filmfestivals, findet LATE NIGHT WITH THE DEVIL seinen Weg nach Deutschland – mit einem starken Konzept im Gepäck, aber wenig Vertrauen in die eigene Idee.

OT: Late Night with the Devil (AUS/ARE/USA 2023)

Darum geht’s

Late-Night-Show-Host Jack Delroy (David Dastmalchian) findet nach einem schweren Schicksalsschlag endlich wieder vor die Kamera zurück. Doch als die Einschaltquoten seiner Sendung Night Owls immer weiter in den Keller sinken, sieht er sich plötzlich mit der Absetzung konfrontiert. Um sich aus dem Quotensumpf herauszuziehen, lädt er sich für die Halloweenausgabe seiner Show mehrere umstrittene Persönlichkeiten ein. Neben dem bekennenden Skeptiker Carmichael Haig (Ian Bliss) und einem exzentrischen Mentalisten (Fayssal Bazzi) auch die Parawissenschaftlerin und Buchautorin June Ross-Mitchell (Laura Gordon). Doch diese kommt nicht allein. An ihrer Seite nimmt die junge Lilly (Ingrid Torelli) platz, die als einzige Überlebende einem rituellen Selbstmord entkommen konnte und seither von einer finsteren Macht besessen sein soll. Als Jack sich vorstellt, wie sich so eine Live-Kontaktaufnahme mit einem Dämon auf seine Quoten auswirken könnte, geht er über die Grenzen des Zeigbaren hinaus. Oder ist am Ende doch alles nur Show?

Kritik

Im Zuge seiner Veröffentlichung sorgte „Late Night with the Devil“ für eine Kontroverse. Für drei Standbilder im Film experimentierten die beiden Regisseure und Drehbuchautoren Cameron und Colin Cairnes mit Künstlicher Intelligenz. Pikant daran ist vor allem, dass diese Szenen auf der Weltpremiere beim South by Southwest Festival noch nicht zu sehen waren. So macht es ein wenig den Anschein, als hätten sich die beiden Filmschaffenden so lange versucht, um ihre KI-Anwendung herumzudrücken, bis es im besten Fall erst so spät wie möglich jemandem auffällt. So konnte dann auch die Weltpremiere ohne diesbezüglich negative Presse vonstattengehen. Und es scheint funktioniert zu haben. „Late Night with the Devil“ sorgte in den USA – wie es in letzter Zeit bei vielen Horrorfilmen zu beobachten ist – für einen Internethype und arbeitete sich schnell zur neuesten Genresensation hoch. Auf der Online-Bewertungsplattform Rotten Tomatoes weist er zum jetzigen Zeitpunkt einen Kritikerschnitt von sagenhaften 97 % auf, das Publikumsrating ist mit 81 % nur minimal niedriger. Die Kontroverse scheint dem Film also nur geringfügig geschadet zu haben.

Jack Delroy (David Dastmalchian) braucht Quoten, sonst droht seiner Late-Night-Show Night Owls die Absetzung.

Das Konzept von „Late Night with the Devil“ ist auf dem Papier so simpel wie genial. Nach einer kurzen, im Stile einer TV-Dokumentation gehaltenen Vorstellung des von David Dastmalchian („The Suicide Squad“) gespielten Late-Night-Show-Hosts Jack Delroy kündigt der Erzähler (Michael Ironside, „Starship Troopers“) an, dass das Publikum im Folgenden dem Originalmaterial einer (natürlich fiktiven) Talkshow-Ausstrahlung aus dem Jahr 1977 beiwohnen wird. Die in der Halloweennacht aufgezeichnete Sendung sorgte damals nicht nur für riesige Einschaltquoten, sondern markierte auch das Ende des Moderators, der sich nach einem schweren Schicksalsschlag zunächst wieder vor die Kamera kämpfte, sich jedoch alsbald im Quotensumpf wiederfand. Für diese Ausgabe von Night Owls holte sich Jack Delroy einige besonders kontroverse Gäste vor die Kamera. Neben einem Mentalisten und einem bekennenden Skeptiker der Parawissenschaften und des Übernatürlichen auch eine Parapsychologin, die obendrein von einer vermeintlich von einer finsteren Macht besessenen Patientin begleitet wird. Diese Gästekonstellation birgt viel Gesprächs- und Zündstoff. Doch der weitere Verlauf der Show nimmt noch viel groteskere Züge an, als es der bloße Schlagabtausch zwischen Skeptiker und Parawissenschaftlerin ohnehin angekündigt hat.

„Nach einer kurzen, im Stile einer TV-Dokumentation gehaltenen Vorstellung des von David Dastmalchian gespielten Late-Night-Show-Hosts Jack Delroy kündigt der Erzähler an, dass das Publikum im Folgenden dem Originalmaterial einer (natürlich fiktiven) Talkshow-Ausstrahlung aus dem Jahr 1977 beiwohnen wird.“

Inszenatorisch gelingt es den Machern von Anfang an, die Stimmung einer echten Siebzigerjahre-Late-Night-Show auf die Leinwand zu bringen. Im 4:3-Format und in dem authentischen Look eines auf Videokassette überspielten TV-Mitschnitts funktioniert die Suggestion, hier tatsächlich einem solchen beizuwohnen, erst einmal tadellos. Darüber hinaus bekommen wir mit Jack Delroy einen Charakter präsentiert, der uns von Anfang an offengelegt wird. Die Kurz-Doku zu Beginn des Films bietet uns einen schnellen Abriss seines Karriere-Auf-und-Abs. Die Dringlichkeit eines (Quoten-)Erfolgs wird dadurch umso besser veranschaulicht und hat im weiteren Verlauf außerdem zufolge, dass man die sich nach und nach entspinnenden Ereignisse in Night Owls auch für Tricks und Schauspielerei halten könnte, um eine möglichst hohe Einschaltquote zu erzielen. Auch seine losen Verbindungen zu einem unheimlichen Kult sowie die zum damaligen Zeitpunkt langsam aufkeimende Satanic Panic, über die in der einleitenden Dokumentation ebenfalls berichtet wird, sorgen für abwechslungsreiches Unbehagen. Einerseits, weil all das Gezeigte ja vielleicht echt sein könnte und andererseits, weil man nicht einschätzen kann, ob da gerade einfach nur ein riesiger Bluff außer Kontrolle gerät.

Skeptiker Carmichael Haig bleibt beharrlich bei seiner Position: Parapsychologie ist Schwindel!

Jack Delroy ist ohnehin ein zwielichtiger Charakter. David Dastmalchian verkörpert den Show-Host mit einer Mischung aus professioneller und dadurch beizeiten aufgesetzt wirkender Freundlichkeit, versteckter Melancholie und Teilzeit-Rampensau, der für eine gute Quote schon mal bereit ist, über seine professionellen Grenzen hinauszugehen. Dieser Jack Delroy ist schwer greifbar. Nicht zuletzt, weil Dastmalchian in der Rolle nicht immer vollends überzeugen kann. Verschwindet er in manchen Momenten ganz hinter seiner Moderatorenpersönlichkeit, ist er ein anderes Mal zu offensichtlich Schauspieler. Zu Authentizitätszwecken hätte dem Film eventuell ein unbekannterer Hauptdarsteller besser gestanden. So muss man sich jedenfalls immer mal wieder daran erinnern, dass das Gezeigte eine echte Late-Night-Show darstellen soll. Jacks wachsende Furcht vor den übernatürlich anmutenden Geschehnissen, gepaart mit einem Restfunken Sensationsgier, überträgt sich trotzdem zu weiten Teilen auf das Publikum.

„David Dastmalchian verkörpert den Show-Host mit einer Mischung aus professioneller und dadurch beizeiten aufgesetzt wirkender Freundlichkeit, versteckter Melancholie und Teilzeit-Rampensau, der für eine gute Quote schon mal bereit ist, über seine professionellen Grenzen hinauszugehen.“

Aber Cameron und Colin Cairnes scheinen ihrer Grundidee ohnehin nicht vollends zu vertrauen. Anstatt die Story ausschließlich aus der Mitschnittperspektive zu erzählen, läuft auch in den kurzen Drehpausen eine (Hand-)Kamera mit. Das, was diese in wackeligen Schwarz-Weiß-Bildern zeigt, wirkt dann nicht nur plötzlich betont filmisch und gar nicht mehr fernsehhaft. Es widerspricht auch dem zu Beginn getätigten Voice-Over. Das Filmmaterial unterlag offensichtlich einer Bearbeitung, die dramaturgische Zwecke hatte. Das reißt einen stark aus der Immersion des dem Found Footage-Genre entlehnten Konzepts einer unverfälscht dargestellten Eskalation. Hier wurde mit filmischen Mitteln nachgeholfen, um die Spannung künstlich nach oben zu treiben. Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen. Die Ereignisse vor laufender Kamera haben genügend Impact, um für sich stehend Spannung zu generieren und immer wieder auch zu überraschen. Das Behind-the-Scenes-Material bremst zwischendrin nicht nur die Ereignisse aus, sondern verrät obendrein Dinge, die wir als Zuschauende gar nicht wissen bräuchten; im Gegenteil. Das Wissen um manche Details entmystifiziert Teile der Ereignisse sogar.

Lilly (Ingrid Torelli), June Ross Mitchell (Laura Gordon) und Carmichael Haig (Ian Brills) starten zur Diskussion über das Übernatürliche.

Diese inszenatorische Inkonsequenz findet ihren Höhepunkt am Ende. Dieses sei an dieser Stelle zwar nicht vorweggenommen, doch so viel sei verraten: Wenn sich die Macher in den finalen Minuten vollends von Look und Konzept verabschieden, führen sie ihre Prämisse endgültig ad absurdum. Den von ihnen präsentierten Bildern lassen sich Atmosphäre und Beklemmung zwar nicht absprechen, aber sie lassen das Grundkonzept in sich zusammenstürzen. Dabei gilt auch hier: Das, was sich in „Late Night with the Devil“ aus der Talk-Konstellation entspinnt – einschließlich einer vor laufenden Kameras durchgeführten Kontaktaufnahme mit dem, was auch immer die junge Lily in Besitz genommen hat – ist viel spannender als die dazugehörigen Erklärungen. Man stelle sich nur einmal vor, man würde live vor dem Fernseher miterleben, wie sich Theorien von übernatürlichen Mächten plötzlich bewahrheiten. Da braucht es niemanden, der einem zwischendurch erklärt, wie krass das doch gerade ist. Zumal ja sogar die Figur eines Skeptikers vorhanden ist, dem ohnehin die besten Szenen gehören. Seine felsenfeste Überzeugung, hier bloß einem künstlich erzeugten Spuk beizuwohnen, sorgt in „Late Night with the Devil“ für großartige Akzente, die die Ereignisse immer wieder kurz erden können, damit die vermeintliche Heimsuchung des Übernatürlichen schließlich umso fieser reinhaut.

Fazit: „Late Night with the Devil“ ist am besten, wenn die beiden Regisseure an ihrem Konzept festhalten. Wann immer sie jedoch aus diesem ausbrechen und die suggerierte TV-Mitschnitt-Perspektive verlassen, büßt der Film massiv an Spannung ein.

„Late Night with the Devil“ ist ab dem 6. Juni 2024 in den deutschen Kinos zu sehen.

Und was sagst Du dazu?