Firestarter

Ohne der Presse vorab gezeigt worden zu sein, ist seit dieser Woche die Stephen-King-Verfilmung FIRESTARTER in den deutschen Kinos zu sehen. Auf einen Gang dorthin sollte man allerdings dringend verzichten. Die „Feuerkind“-Adaption ist durch und durch missraten. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Firestarter (USA 2022)

Der Plot

Seit mehr als einem Jahrzehnt befinden sich Andy (Zac Efron) und Vicky (Sydney Lemmon) auf der Flucht: Verzweifelt versuchen sie, ihre Tochter Charlie (Ryan Kiera Armstrong) vor einer geheimnisvollen Regierungsbehörde zu verstecken, die ihre einzigartige Fähigkeit, Feuer zu entfachen, als Massenvernichtungswaffe einsetzen will. Andy hat seiner Tochter beigebracht, ihre durch Wut oder Schmerz ausgelöste Fähigkeit zu kontrollieren. Doch für die nun elfjährige Charlie wird es immer schwieriger, das Feuer zu bändigen. Als durch einen Zwischenfall der Aufenthaltsort ihrer Familie offenbart wird, nimmt ein mysteriöser Agent (Michael Greyeyes) die Verfolgung auf, um Charlie ein für alle Mal in die Gewalt der obskuren Organisation zu bringen.

Kritik

Auf der Suche nach dem nächsten großen Kinohit nach einer Stephen-King-Vorlage macht die Filmindustrie vor keinem Werk Halt. Zumindest vor keinem der größeren, was erklären würde, weshalb sich die vornehmlich für Horrorfilme bekannte Produktionsstätte Blumhouse Productions, das mit diesem seit jeher kooperierende Hollywoodstudio Universal Pictures sowie Regisseur Keith Thomas („The Vigil – Die Totenwache“) und Autor Scott Teems („Halloween Kills“) mit „Feuerkind“ ausgerechnet eine jener Vorlagen ausgesucht haben, deren erste Leinwandadaption von 1984 nicht gerade zu den Beispielen gelungener Stephen-King-Verfilmungen zählt. Andererseits: Auch „Es“ gab es vor seinem Siegeszug 2017 („Kapitel 1“) und 2019 („Kapitel 2“) schon einmal – als Fernsehfilm, der heute allenfalls Trash-Charme hat und der als zweiteilige Neuauflage unter der Regie von Andy Muschietti nunmehr der erfolgreichste Horrorfilm aller Zeiten ist. „Firestarter“ wird das nicht. Weder wird er an den Kinokassen für (positives) Aufsehen sorgen; In den USA startet der Film ohnehin zeitgleich zum Kino beim Streamingdienst Peacock. Auch die Presse, die das übernatürliche Horrordrama hierzulande übrigens gar nicht erst zu sehen bekam, ließ kein gutes Haar an dem mit Zac Efron („Bad Neighbors“) immerhin einigermaßen solide besetzten Film. Die Reaktionen der King- und/oder Genreliebhaber dürften in dieses krasse Gegenteil eines Lobliedes mit einstimmen…

Vater (Zac Efron) und Tochter (Ryan Kiera Armstrong) fliehen vor der Regierung…

Ursprünglich war mal der Hamburger Kultregisseur Fatih Akin („Der goldene Handschuh“) als Regisseur für den Film vorgesehen. Seine erste internationale Arbeit sollte es werden, eh dieser sich nach den üblichen „kreativen Differenzen“ (was in Hollywoodsprech so ziemlich alles bedeuten kann) vom Projekt zurückzog. Lange dauerte es nicht, eh mit Keith Thomas ein horrorerfahrener Nachrücker gefunden wurde. Doch so richtig vom Hocker reißen konnte sein Debüt „The Vigil“, der mitten zwischen zwei Corona-Lockdowns ins Kino kam, nicht: zu highlightarm die Erzählung, zu eintönig die Visualität und zu seicht die Schockeffekte. Zyniker:innen würden an dieser Stelle vielleicht schon von einer „Handschrift“ sprechen, denn sein „Firestarter“, für dessen Inszenierung Thomas immerhin mehr als sechsmal so viel Budget zur Verfügung hatte, ist im Grunde eine Ansammlung exakt ebendieser Schwachpunkte. Nur dass in „The Vigil“ immerhin noch eine intensive Atmosphäre und (zugegeben sehr vorhersehbare) Jumpscares ein wenig zu routiniert zu schocken wussten. In „Firestarter“ ist von dem Potenzial, das Thomas in seiner Auftaktarbeit zumindest anklingen ließ, absolut nichts mehr übrig. Gleichwohl wäre es ein wenig unfair, allein ihm die Schuld für das Desaster in die Schuhe zu schieben. Mitverantwortlich für das Endergebnis ist in nicht unerheblichem Maße auch Drehbuchautor Scott Teems, der im Falle von „Firestarter“ jedwedes Gefühl für Rhythmik, Dramaturgie, Charakterzeichnung und aus diesen Zutaten resultierende Spannung verloren zu haben scheint.

„In ‚Firestarter‘ ist von dem Potenzial, das der Regisseur in seiner Auftaktarbeit anklingen ließ, absolut nichts mehr übrig. Gleichwohl wäre es ein wenig unfair, allein ihm die Schuld für das Desaster in die Schuhe zu schieben. Mitverantwortlich für das Endergebnis ist in nicht unerheblichem Maße auch Drehbuchautor Scott Teems,“

Hastig wird eine außergewöhnliche Familienkonstruktion etabliert: Nach an ihnen durchgeführten Experimenten besitzen Vater Andy und Mutter Vicky übernatürliche Kräfte, die sie beide am ihre Tochter Charlie vererbt haben. Die kann zu allem Überfluss auch noch Dinge in Flammen aufgehen lassen kann und hat diese Gabe in emotionalen Ausnahmesituationen nicht unter Kontrolle. Damit wäre die Figurenzeichnung – respektive das, was von ihr übrig ist – auch schon abgeschlossen. Fragen wie diese, ob derartige Fähigkeiten Fluch oder Segen sind, was es mit Eltern macht, eine solch unkontrollierbare Tochter zu haben, die ihre tödlichen Kräfte mitunter auch ungewollt gegen sie selbst richtet, oder auch nur irgendeinen anderen Anstoß zum Weiterdenken der Situation gibt es in „Firestarter“ schlichtweg nicht. Stattdessen erinnert ein Plot mit Konzentration auf die Flucht von Vater und Tochter vor der Regierung rudimentär an Filme wie „Logan“, an dessen Qualitäten „Firestarter“ selbstredend nie heranreicht. Zum einen da die (und dann auch noch familiäre) Bindung zwischen Andy und Charlie zu keinem Zeitpunkt spürbar und die „Ich muss meine Tochter vor den Bösen beschützen“-Motivation des Vaters dadurch nie glaubwürdig ist. Zum anderen, weil Keith Thomas alles unternimmt, um weder Spannung noch Momente der emotionalen Connection aufkommen zu lassen. Selbst dann nicht, wenn er vorab als handlungsrelevant etablierte Figuren wie beiläufig über die Klinge springen lässt. Sein einziger inszenatorische Kniff zum Heraufbeschwören von Suspense ist ein dreckig-gelber Farbfilter – und das Nichtspiel sämtlicher Schauspielerinnen und Schauspieler – inklusive des einen einzigen leeren Gesichtsauszug aufsetzenden Efron – verhindert jedwedes Mitfiebern und -Fühlen mit den Charakteren. Es passt fast schon zur nicht vorhandenen Dramaturgie, die sich jedwedem klassischen Erzählaufbau entsagt. Nicht, um sie stattdessen clever auf den Kopf zu stellen, sondern um eine Handlung voranzutreiben, die selbst mit der Beschreibung „dahinplätschern“ noch zu gut bedient wäre.

… die will sich die Kräfte der Kleinen nämlich zunutze machen.

Im Laufe der ohnehin nicht gerade üppigen 94 Minuten (inklusive Abspann) verliert man als Zuschauer:in alsbald das Zeitgefühl. Nach Aufbau des Grundkonflikts nimmt die Flucht vor der Regierung einen gewichtigen Handlungsteil ein. Ähnlich eines Roadmovies machen Andy und Charlie auf ihrer Reise einige Bekanntschaften – mal friedlicher, mal feindseliger Natur. Gleichwohl wohnt keiner einzigen von ihnen ein Mehrwert, gar eine Bedrohung inne. Lediglich eine Rückblende, aus der ein nicht unwichtiges Detail aus Charlies Familienhistorie hervorgeht, sorgt für einen minimalen Spannungsschub, eh wir Efron und Armstrong erneut durch Wälder laufen oder sich in Häusern verstecken sehen. Erst als sich das von Anfang an (ähnlich bei „Carrie“) erwartbare Finale aufbaut, durchfließt „Firestarter“ eine Form von Energie, die man in den eineinhalb Stunden zuvor vergeblich sucht: Nun könnte es weitergehen. Der Film zielt sogar sehr offensichtlich auf eine Fortführung ab, die im Anbetracht dieses Debakels vermutlich ohnehin nicht entstehen wird. Doch da beginnt auch schon der Abspann von „Firestarter“ zu rollen. Und da sich der Showdown auch nicht unbedingt wie ein solcher anfühlt – wir erinnern uns: Spannung und Atmosphäre gibt es hier nicht – kommt dieses Ende derart plötzlich, dass man fast von Arbeitsverweigerung sprechen möchte. Aber das trifft eigentlich auf den gesamten Film zu…

„Es passt fast schon zur nicht vorhandenen Dramaturgie, die sich jedwedem klassischen Erzählaufbau entsagt. Nicht, um sie clever auf den Kopf zu stellen, sondern um eine Handlung voranzutreiben, die selbst mit der Beschreibung ‚dahinplätschern‘ noch zu gut bedient wäre.“

Inszenatorisch ist „Firestarter“ ebenfalls misslungen. Der im Vergleich zu den frühen Achtzigern immerhin etwas wertiger aussehenden Flammeneffekte zum Trotz, dominiert eine gelblich-matschige Bildsprache (Kamera: Karim Hussain) frei jedweder visueller Reize. Und damit gibt es nicht einen einzigen Grund, weshalb man sich „Firestarter“ auch nur irgendwann, irgendwo – und erst recht nicht im Kino – ansehen sollte.

Fazit: Glück gehabt, Fatih! Die Neuauflage des Stephen-King-Romans „Feuerkind“ ist durch und durch missraten.

„Firestarter“ ist derzeit in den deutschen Kinos zu sehen.

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