Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von WESSELS‘ WEEKLY, unserer wöchentlichen Vorschau auf die anstehenden Filmstarts. Heute geht es um die Startwoche vom 27., die so einige Perlen bereithält – auch wenn wir noch längst nicht über alle schreiben dürfen. Dafür über den neuen Guy-Ritchie-Film, über das bei den Oscars sträflich übergangene Drama „Just Mercy“ und über „Systemsprenger“, der ab dieser Woche nicht mehr nur bei Netflix, sondern endlich auch auf DVD und Blu-ray zu haben ist.
Wenn Ihr mehr zu den einzelnen Filmen wissen wollt, klickt einfach auf’s Plakat und entdeckt dort entweder die Kritik oder den dazugehörigen Trailer. Bei Produktionen, die ich vorab nicht sichten konnte, liefere ich Euch auch diesmal wieder eine Zusammenfassung der Handlung. Und wer lieber daheim bleibt, für den habe ich natürlich auch einen hübschen Heimkinotipp parat. Ich wünsche Euch viel Freude mit dieser neuen Ausgabe und natürlich viel Spaß im Kino!
THE GENTLEMEN | Regie: Guy Ritchie | USA 2019

Smart, knallhart und mit genialem Gespür fürs Geschäft hat sich der Exil-Amerikaner Mickey Pearson über die Jahre ein millionenschweres Marihuana-Imperium in London aufgebaut und exportiert feinsten Stoff nach ganz Europa. Doch Mickey will aussteigen, endlich mehr Zeit mit seiner Frau Rosalind verbringen und auf legalem Weg das Leben in Londons höchsten Kreisen genießen. Ein Käufer für die landesweit verteilten – und dank des chronisch geldknappen Landadels gut versteckten – Hanf-Plantagen muss her. Auftritt: Matthew Berger. Der exzentrische Milliardär bietet eine hohe Summe, will jedoch Garantien sehen. Und das ausgerechnet in dem Moment, in dem sämtliche Groß- und Kleinkriminellen der Stadt Wind von Mickeys Plänen bekommen haben – von Triaden-Boss Lord George über den durchgeknallten Emporkömmling Dry Eye bis hin zum schmierigen Privatdetektiv Fletcher. 
Straßenköter in Maßanzügen – „The Gentlemen“ ist Guy Ritchies Antwort auf „Kingsman“, ein Spagat zwischen „Snatch“ und „Codename U.N.C.L.E.“, vielleicht ein Abschied vom Genre, aber auf jeden Fall eine hoch unterhaltsame Crime-Comedy , die von ihrem Style, ihrem Humor, ihren Schauspielern und jeder Menge Widersprüchen lebt.
DER UNSICHTBARE | Regie: Leigh Whannell | AUS/USA 2020

Cecilia Kass (Elisabeth Moss) fühlt sich in der von Gewalt geprägten Beziehung mit einem wohlhabenden und genialen Wissenschaftler gefangen. Um sich vor ihrem kontrollsüchtigen Partner zu verstecken, flieht sie mitten in der Nacht, mit Hilfe ihrer Schwester (Harriet Dyer), ihres Kindheitsfreundes James (Aldis Hodge) und seiner Teenager-Tochter Sydney (Storm Reid). Doch auch hier fühlt sie sich nicht sicher. Als ihr handgreiflicher Ex Adrian (Oliver Jackson-Cohen) auch noch Selbstmord begeht und ihr einen erheblichen Teil seines großen Vermögens hinterlässt, befürchtet Cecilia, er habe seinen Tod inszeniert. Tatsächlich beginnt anschließend eine Serie unheimlicher Zufälle mit tödlichem Ausgang, deren Ziel ihre am meisten geliebten Menschen sind. Verzweifelt versucht Cecilia nun zu beweisen, dass sie von etwas gejagt wird, das niemand sehen kann. Ein Kampf, der sie zunehmend an den Rand des Wahnsinns treibt. 
Am Ende geht „Der Unsichtbare“ ein wenig die Puste auf. Davor gelingt Leigh Whannell allerdings ein sehr smartes, atmosphärisch inszeniertes Drama über häusliche Gewalt und Missbrauch, das den gut getricksten Unsichtbarkeits-Überbau eigentlich gar nicht bräuchte, um verdammt unheimlich zu sein.
JUST MERCY | Regie: Destin Daniel Cretton | USA 2019

Nach Abschluss seines Studiums in Harvard hätte sich der junge Anwalt Bryan Stevenson lukrative Jobs aussuchen können. Stattdessen geht er nach Alabama, um zusammen mit der ortsansässigen Anwältin Eva Ansley Menschen zu verteidigen, die zu Unrecht verurteilt wurden oder sich keine angemessene Verteidigung leisten konnten. Einer seiner ersten und explosivsten Fälle ist der von Walter McMillian, der 1987 für den berüchtigten Mord an einer 18-Jährigen zum Tode verurteilt wurde, obwohl die meisten Indizien seine Unschuld bewiesen und die einzige Zeugenaussage gegen ihn von einem Kriminellen stammte, der ein Motiv hatte zu lügen. In den folgenden Jahren verwickelt Bryans Kampf für Walter und viele andere ihn in ein Labyrinth aus juristischen und politischen Manövern und konfrontiert ihn mit offenem und ungeniertem Rassismus, während die Gewinnchancen gegen sie stehen. 
Mit „Just Mercy“ liefert Regisseur Destin Daniel Cretton ein erzählerisch zwar wenig spektakuläres, dafür umso intensiver gespieltes Drama über die ein krankes US-Rechtssystem ab, an dessen Ende Niemand mehr auf die Idee kommen dürfte, dass die Todesstrafe eine gute Erfindung ist.
ANDERS ESSEN – DAS EXPERIMENT | Regie: Kurt Langbein, Andrea Ernst | DE 2020

Wissenschaftlern ist es erstmals in Europa gelungen zu berechnen, welche Fläche für unsere Ernährungsgewohnheiten tatsächlich benötigt wird. Das Ergebnis: Jede/r von uns braucht fürs Essen ein Feld in der Größe von 4.400 Quadratmetern – ein kleines Fußballfeld. Zwei Drittel dieses Feldes stehen im Ausland – und zwei Drittel dienen nicht dem direkten Konsum, sondern der Tierfütterung. Würden alle so essen, bräuchten wir zwei Erden – weltweit stehen einem Menschen lediglich 2.200 Quadratmeter zur Verfügung. Der Film zeigt die Folgen im globalen Süden und auf den Weltmeeren. Und: unsere Lebensmittel verursachen so viel Treibhausgase wie der Autoverkehr. Dass es auch anders geht, zeigen drei Familien im Selbstversuch: Sie wollen ihren Flächenverbrauch verringern, fairer und umweltverträglicher essen. Anders kochen, mit weniger Fleisch. Anders essen, mit mehr Freude. Anders einkaufen, regional und saisonal. Wird es gelingen? 
„Anders essen – Das Experiment“ wird vielleicht seinem Titel nicht ganz gerecht, da es hier nicht zwingend darum geht, Familien bei einem Ernährungsexperiment zuzusehen. Stattdessen geht es darum, Ernährungsweisen im Allgemeinen unter die Lupe zu nehmen und sie mit Wissen ob der Hintergründe zu Entstehung und Co. anzureichern. Als solcher Film ist die 84-minütige Dokumentation mehr als gelungen.
CHAOS AUF DER FEUERWACHE | Regie: Andy Fickman | USA/CAN 2019

Jake Carson (John Cena) hat als Leiter einer Feuerwache alles im Griff. Für ihn ist kein Einsatz zu schwer, kein Feuer zu heiß. Auch seine Elite-Einheit rund um seine Kollegen Mark (Keegan-Michael Key), Rodrigo (John Leguizamo) und Axe (Tyler Mane) steht immer im Dienst ihrer lebensrettenden Arbeit, bis sie ein neuer Einsatz das erste Mal bis an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit führt. Bei einem Waldbrand retten sie die drei Geschwister Brynn (Brianna Hildebrand), Will (Christian Convery) und Zoey (Finley Rose Slater), die fortan ohne ihre Familie dastehen. Denn die Eltern sind für die Babysitter wider Willen partout nicht erreichbar. Notgedrungen übernimmt das Team selbst die Verantwortung und passt auf die drei Geschwister auf. Eine völlig neue Aufgabe für die knallharten Kerle, deren Leben durch die Kids vollends auf den Kopf gestellt wird.

„Chaos auf der Feuerwache“ ist eine harmlose Fish-out-of-Water-Comedy von der Stange, die der Zielgruppe der „Daddy ohne Plan“-Fans gefallen wird. Alle anderen Feuerwehr-Interessierten schauen stattdessen einfach das 2018 erschienene Drama „No Way Out“ für mehr Drama oder „Dating Queen“ für mehr absurden John-Cena-Humor.
Heimkinotipp: SYSTEMSPRENGER | Regie: Nora Fingscheidt | DE 2019

Laut, wild, unberechenbar: Benni! Die Neunjährige treibt ihre Mitmenschen zur Verzweiflung. Dabei will sie nur eines: wieder zurück nach Hause! Pflegefamilie, Wohngruppe, Sonderschule: Egal, wo Benni hinkommt, sie fliegt sofort wieder raus. Die wilde Neunjährige ist das, was man im Jugendamt einen „Systemsprenger“ nennt. Dabei will Benni (Helena Zengel) eigentlich nur eines: Liebe, Geborgenheit und wieder bei Mama wohnen! Doch Bianca (Lisa Hagmeister) hat Angst vor ihrer unberechenbaren Tochter. Als es keinen Platz mehr für Benni zu geben scheint und keine Lösung mehr in Sicht ist, versucht der Anti-Gewalttrainer Micha (Albrecht Schuch), sie aus der Spirale von Wut und Aggression zu befreien, indem er mit ihr in eine einsame Waldhütte fährt. Doch damit fangen die Probleme – zumindest für ihn – erst so richtig an…

Am Ende von „Systemsprenger“ ist man erst einmal ganz schön geschafft, denn das, was die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten zehnjährige Newcomerin Helena Zengel hier für einen Perforceritt abliefert, ist für den Zuschauer regelrecht am eigenen Leib zu spüren. Dass bei so einer bärenstarken Performance der eigentliche Kern der Geschichte nicht ins Hintertreffen gerät, ist der hervorragenden Schreib- und Inszenierungsleistung von Nora Fingscheidt zu verdanken, die mit ihrem Film gute Chancen auf den Oscar haben dürfte.