The Creator

Mit einem monumentalen Originalstoff schickt sich „Godzilla“-Regisseur Gareth Edwards an, die Leerstelle zu füllen, die die streikbedingte Startterminverschiebung von „Dune 2“ hinterlassen hat. Sein THE CREATOR ist bildgewaltiges Science-Fiction-Kino mit Hintersinn und den beeindruckendsten Computereffekten des Jahres.
Darum geht’s
Inmitten eines künftigen Krieges zwischen der Menschheit und den Kräften der künstlichen Intelligenz wird Joshua (John David Washington), ein abgeklärter ehemaliger Special-Forces-Agent, der um seine verschwundene Frau (Gemma Chan) trauert, rekrutiert, um den Creator zu jagen und zu töten. Der Creator, ein schwer fassbarer Architekt einer fortschrittlichen KI, entwickelte eine mysteriöse Waffe, die den Krieg zwar beenden kann, aber gleichzeitig auch die Menschheit komplett auslöschen würde. Joshua und sein Team bestehend aus Elite-Agenten (u.a. Allison Janney), durchqueren die feindlichen Linien und dringen in das dunkle Herz des von der KI besetzten Territoriums – nur um herauszufinden, dass die weltverändernde Waffe, die er zerstören soll, eine KI in Form eines kleinen Kindes (Madeleine Yuna Voyles) ist…
Kritik
In den USA bestehen die Top 10 der Jahrescharts 2023 zum Zeitpunkt dieser Kritikveröffentlichung aus sieben Marken respektive Franchises zugehörigen Filmen. In Deutschland sind es sogar acht. Der Vorwurf, das sich an den Mainstream richtende Kino baue mittlerweile fast ausschließlich auf bekannte Stoffe und Reihen scheint also nicht unberechtigt. Originale finden sich vorwiegend im schmalbudgetierten und Indie-Filmbereich. Gareth Edwards‘ Science-Fiction-Vision „The Creator“ scheint da eine große Ausnahme zu bilden – allerdings nur, bis man mal einen Blick auf die Produktionskosten wirft. Die liegen der offiziellen Kommunikation nach nämlich gerade einmal bei rund 80 Millionen US-Dollar. Und damit bei einem Bruchteil dessen, was das Big Budget Kino von heute sonst so für (Un-)Summen verschlingt. Zum Vergleich: Ein „Ant-Man and the Wasp: Quantumania“ kostete knapp das Dreifache dessen, was die zum Disneykonzern zugehörigen 20th Century Studios bereit waren, Edwards für „The Creator“ zur Verfügung zu stellen. Und das eben ganz ohne eine bekannte Vorlage als mögliches Publikumsfundament. Bereits seit 2020 existierte die Idee zum Film, die Edwards und sein Co-Autor Chris Weitz (schrieben zusammen auch das Skript zu „Rogue One: A Star Wars Story“) für die große Leinwand entwickelten; Eigenen Angaben zufolge inspiriert von Filmen wie „Apocalypse Now“, „Blade Runner“, „Akira“ und gar „E.T. – Der Außerirdische“. Das fertige Ergebnis weist auch tatsächlich Anleihen an all diese Projekte (vorwiegend „Blade Runner“) auf, erinnert aber primär an Neill Bloomkamps vierfach oscarnominierten „District 9“, der als Sci-Fi-Lehrstück für eine visionäre Rassismusparabel in die moderne Filmgeschichte einging. Übrigens ebenfalls ein Originalstoff.

Das World Building in „The Creator“ ist phänomenal. Dabei standen den Kreativen gerade einmal 80 Millionen US-Dollar zur Verfügung.
Einen Vorteil, den die ganzen Fortsetzungen und Neuauflagen mit sich bringen ist, dass es bereits ein mal mehr, mal weniger komplexes World Building gibt. Wer in „Guardians of the Galaxy: Vol. 3“ geht, der weiß ganz genau, in was für ein Universum er in seiner Freizeit eintauchen wird. Als Besucher:in von „The Creator“ hat man vor dem Kinobesuch allenfalls die Trailer als Anleihen für eine gewisse Vorahnung. Umso mehr müssen die Kreativen abliefern, um innerhalb kürzester Zeit eine nachvollziehbare Welt zu präsentieren. Und da „The Creator“ eben nicht von Anfang an darauf ausgelegt ist, dass nach einem ersten Film noch viele weitere folgen (im Falle eines Erfolgs dürfte dennoch damit zu rechnen sein), können sich die Verantwortlichen auch nicht darauf ausruhen, Dinge bloß anzureißen, weil man sie ja später ohnehin noch weiter ausführen wird. In Zeiten, in denen die Dominanz der Franchisefilme noch nicht so groß war wie heute, war ein solcher Entwicklungsprozess normal. Heute scheint es fast schon was Besonderes zu sein, einem Film so etwas zu attestieren. Doch genau so ist es: In „The Creator“ präsentiert uns Gareth Edwards eine zu jedem Zeitpunkt stimmige Zukunftsvision, die von derart vielen Details durchzogen ist, dass es ironischerweise fast schon verschwendet scheint, aus dieser Welt heraus nicht noch so viel mehr zu erzählen. Dafür benötigt Edwards nicht einmal ausufernde Erklärungen oder Bilder. Oftmals ist es gerade die beiläufige Betrachtung einzelner Motive, die einem das Gefühl für die Ausmaße geben. Und sei es nur ein Blick auf eine überdimensionale Schrottpresse, mit der all die unschädlich gemachten K.I.s (und bei genauem Hinsehen auch noch so einige „lebende“) vernichtet werden. In solchen Szenen schreit „The Creator“ regelrecht danach, (auch) als Kommentar auf Genozid und Massenvernichtung gelesen zu werden.
„In ‚The Creator‘ präsentiert uns Gareth Edwards eine zu jedem Zeitpunkt stimmige Zukunftsvision, die von derart vielen Details durchzogen ist, dass es ironischerweise fast schon verschwendet scheint, aus dieser Welt heraus nicht noch so viel mehr zu erzählen.“
Gleichzeitig hinterfragt Edwards mit „The Creator“ immer wieder auch die Auslöser, Mechanismen und die ethischen Widersprüche des Krieges. Dass er dabei nicht sonderlich subtil vorgeht, ist vermutlich der größte Schwachpunkt am gesamten Film. Viel Raum für moralische Grautöne lassen die Autoren nämlich nicht zu. Zumindest schaffen sie es nicht immer, eine differenziertere Betrachtung nicht direkt ins Widersprüchliche kippen zu lassen. Edwards und Weitz machen keinen Hehl daraus, wer in „The Creator“ die Guten und wer die Bösen sind, was im Film sogar zu einer formvollendeten Ausformulierung findet. Denn obwohl sie aufs Brutalste gejagt werden, betonen die K.I.s stets ihren einzigen Wunsch nach Frieden. Ein direkter Gegenangriff abseits der eigenen Verteidigung liegt fernab ihrer „Vorstellungskraft“. Zum drastischen Genozid-Subtext passt das. Für die Kriegsparabel wiederum hätte „The Creator“ eine etwas komplexere Betrachtungsweise vertragen. Gleichwohl konfrontiert die Geschichte ihr Publikum in den besten Momenten mit moralischen Dilemmata, die sich selbst in den üppigen zweieinviertel Stunden kaum konkret beantworten lassen. Wie lässt sich ein Krieg beenden, ohne ihn selbst zu befeuern? Was braucht es, um blinden Hass aufzuweichen? Und wie schon „Blade Runner“ wirft natürlich auch „The Creator“ die Frage nach dem Menschsein generell auf.

Madeline Voyles as Alphie in 20th Century Studios‘ THE CREATOR. Photo courtesy of 20th Century Studios. © 2023 20th Century Studios. All Rights Reserved.
Das hat in jüngerer Kinogeschichte auch „Ex_Machina“ ganz hervorragend gemacht (ohnehin würde die finale Vision von „The Creator“ auch verdammt gut zu Alex Garland passen). Erinnerungen an jenes Sci-Fi-Drama werden jedoch nicht nur bei dieser Nebenhandlungsprämisse wach. Auch die Computereffekte – das wohl größte Standbein des Films – haben viel mit jenen aus „Ex_Machina“ gemein. Der damalige Außenseiter bei der Oscar-Verleihung 2015 gewann für viele überraschend den Award für die besten Trickeffekte. Und zwar anders als sonst üblich mit Masse statt Klasse. Der am Computer erschaffene Hybrid aus Schauspielerin Alicia Vikander und Roboterinnenleben fügte sich derart stimmig in das reale Setting wie nun auch die Sci-Fi-Gadgets, Fahrzeuge und Weltraumvehikel in die Welt von „The Creator“. Die an Originalschauplätzen wie Nepal, Japan und Kambotscha gedrehten Szenen verhelfen dem Film zu einer beeindruckenden visuellen Gravitas und lassen einen in die noch immer vorhandene Schönheit einer „hässlichen Welt“ eintauchen. Wenngleich hin und wieder ein wenig plakativ (es fehlt eigentlich nur noch der Einsatz von Louis‘ Armstrong „What a Wonderful World“), verfehlen die manchmal nur kurz eingeblendeten Momente an diesen Orten ihre Wirkung nicht. Edwards, der hier auch die Kamera führte, macht deutlich, wofür es sich zu kämpfen lohnt – eben nicht (nur) für die reiche, westliche Welt, die in „The Creator“ kaum bis gar nicht erst stattfindet.
„Die an Originalschauplätzen wie Nepal, Japan und Kambotscha gedrehten Szenen verhelfen dem Film zu einer beeindruckenden visuellen Gravitas und lassen einen in die noch immer vorhandene Schönheit einer ‚hässlichen Welt‘ eintauchen.“
Gleichsam betörend und letztlich doch so simpel ist vor allem der riesige Laser einer nicht minder riesigen Raumstation, mit dessen Hilfe die Künstlichen Intelligenzen aufgespürt und vernichtet werden sollen. Bereits in den ersten zehn Minuten werden wir Zeuge einer gigantischen Explosion als Folge der gnadenlosen A.I.-Hatz. Das Damoklesschwert über der Mensch- und Roboterheit ist hier zu jedem Zeitpunkt sichtbar. Im Kleineren überzeugen vor allem die Designs der K.I.s selbst, die auf den ersten Blick meist gar nicht sofort von den Menschen zu unterscheiden und erst bei näherem Hinsehen anhand ihres am Kopf befindlichen, technischen Innenlebens als nicht-menschlich zu erkennen sind. Hier offenbart sich auch der große Vorzug von „The Creator“, dass all die K.I.s nicht etwa am Computer entstanden sind, sondern von echten Schauspielerinnen und Schauspielern verkörpert werden. Wenn einer der Soldaten mit einer Art Pen im verdrahteten Kopf der kleinen Alphie herumstochert, hat man das Roboterkind bereits als derart menschlich wahrgenommen, dass man nicht umher kommt, zusammenzuzucken – obwohl man genau weiß, dass sie als K.I. keinerlei Schmerzempfinden besitzt. Newcomerin Madeleine Yuna Voyles spielt mit ihren wenigen großen, dafür umso prägnanteren kleinen Gesten selbst Lead Actor John David Washington („Tenet“) an die Wand. Sein zu Beginn mithilfe einer Rückblende mit einer tragischen Hintergrundgeschichte versehene Joshua bleibt bis zuletzt ein eher unnahbarer Typ, mit dem sich auf persönlicher Ebene weitaus schwerer mitfiebern lässt als auf Kopfebene. Seine Figur ist rational und kalkuliert vielmehr, als dass er aus dem Bauch heraus entscheidet. Dass ausgerechnet seine programmierte Mitreisende für den größeren emotionalen Input sorgt als er, passt allerdings nur zu gut zur allumspannenden Thematik.
Fazit: Zumindest auf Qualitätsebene beweist „The Creator“, dass es sich für ein großes Filmstudio immer noch lohnen kann, Vertrauen in einen Originalstoff zu haben. Mit gerade einmal 80 Millionen Dollar ist es Regisseur Gareth Edwards gelungen, einen epochalen Science-Fiction-Film zu inszenieren, der mit seiner herausragenden Verschmelzung von Computereffekten und an realen Schauplätzen gedrehten Szenen das Bestaussehende ist, was das Kino in diesem Jahr bisher zu bieten hatte. Mit seinem Kriegs-, Rassismus- und Genozid-Subtext überzeugt „The Creator“ zudem auf Handlungsebene, wenngleich das Skript hier und da ein klein wenig mehr Grautöne vertragen hätte. Als Gesamtpaket ist all das hier trotzdem eine ziemliche Wucht.
„The Creator“ ist ab dem 28. September 2023 in den deutschen Kinos zu sehen.