Monatsarchive: August 2023

Blue Beetle

Wo die Reise der DC-Comicverfilmungen nach „The Flash“ hingehen wird, kann BLUE BEETLE nicht beantworten. Stattdessen sagt er vielleicht mehr über den Status Quo des Superheldenkinos aus, als es ihm lieb ist. Und das, obwohl er im Großen und Ganzen eigentlich grundsolide ist.

OT: Blue Beetle (MEX/USA 2023)

Darum geht’s

Als der frisch gebackene College-Absolvent Jaime Reyes (Xolo Maridueña) nach Hause zurückkehrt, hat dieser eigentlich große Zukunftspläne. Doch seine Eltern Alberto (Damián Alcázar) und Rocio (Elpidia Carrillo), seine Schwester Milagro (Belissa Escobedo) sowie sein Onkel Rudy (George Lopez) holen ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Aufgrund eines Mietrückstands droht die Familie, ihr Haus zu verlieren, weshalb sich Jaime und Milagro gemeinsam entschließen, für die toughe Konzernchefin Victoria Kord (Susan Sarandon) zu arbeiten. Durch einen Zufall lernen die beiden dort die ebenfalls zum Konzern gehörende Jenny (Bruna Marquezine) kennen, die Jaime unwissentlich mit einer Aufgabe betraut, die ihn Hals über Kopf in ein Abenteuer stürzt. Er soll auf den sogenannten Skarabäus aufpassen. Ein uraltes Relikt, das auf außerirdischer Biotechnologie basiert. Blöderweise sucht sich der geheimnisvolle Käfer ausgerechnet ihn als symbiotischen Wirt aus und macht ihn unweigerlich zum Superhelden Blue Beetle.

Kritik

Schon 2015 äußerte sich Regielegende Stephen Spielberg in einem Interview skeptisch gegenüber dem Siegeszug des zeitgenössischen Superheldenfilms. Zur Einordnung: Dato befand sich Marvel gerade einmal an der Schwelle zur Dritten Phase der Infinity Saga, während DC noch nicht einmal „Batman v Superman“ veröffentlicht hatte. Bislang ist Spielbergs Vorhersage, das Superheldenkino werde den gleichen Weg nehmen wie einst der Westernfilm, nicht eingetreten. Dabei hatten es ihm im Nachhinein auch noch viele andere prognostiziert. Doch die Infinity Saga wurde weltweit höchsterfolgreich zu Ende gebracht. Auch DC gelangen bis heute noch einige große Kassenschlager. Und nicht zu vergessen: die Visionen. Solange in einem Genre noch ausreichend Platz für Visionen bleibt (die sich zugegeben immer auch dem Überbau eines großen Ganzen unterordnen müssen), lässt sich kaum von einem Sterben sprechen. Natürlich kann man sich an den inszenatorischen Experimenten eines „Eternals“ oder „The Flash“ reiben. Genau das macht sie streitbar – und damit nicht irrelevant. Darüber hinaus verfolgten die beiden Comicfilm-Frontrunner Marvel und DC stets verschiedene Ansätze in Tonalität und Ästhetik. Auch das verhilft dem Superheldenfilm noch zu ausreichend verschiedenen Aspekten, um nicht vollends in der Gleichförmigkeit zu verschwinden. Doch vielleicht ist mit „Blue Beetle“ nun jene Phase des leisen Dahinsiechens eingetreten, von der Stephen Spielberg einst sprach. Denn auch wenn sich das DC-Universum mit der Origin Story eines seiner Zweite-Reihe-Superhelden eine weitere spezifische Zuschauer:innenzielgruppe erschließt, ist nicht mehr zu erkennen, ob es sich bei „Blue Beetle“ nun um einen Marvel-, einen DC- oder den Film irgendeines anderen Studios handelt. Und damit eben keine der eingangs erwähnten Visionen.

Das Herzstück von „Blue Beetle“: das liebevolle Familiengefüge der mexikanischen Familie Reyes.

Im Vorfeld der Veröffentlichung rückten die Verantwortlichen vor allem die Tatsache in den Vordergrund, dass es sich bei dem titelgebenden Blue Beetle um den ersten lateinamerikanischen Superhelden mit einem eigenen Film handeln wird. Wir erinnern uns: Derartige Pilotprojekte für konkrete demographische Gruppen funktionierten an den Kinokassen bislang ziemlich gut: „Wonder Woman“ war seinerzeit der erste Big-Budget-Film mit einer weiblichen Heldin im Mittelpunkt, der sich einem aktuellen Comicfranchise zuordnen ließ. „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ brachte die asiatische Kultur ins MCU und nicht zuletzt gehört „Black Panther“ in seiner Wichtigkeit für die afroamerikanische Community bis heute zu den erfolgreichsten Superheldenfilmen aller Zeiten. „Blue Beetle“ besitzt ebenfalls ein solches Standing und lässt sich auch kaum anders vermarkten. Das Problem: DC hat den Film zu einem ungünstigen Zeitpunkt platziert. Das DCEU ist offiziell Geschichte. Die neue James-Gunn-Ära soll erst im Juli 2025 mit „Superman: Legacy“ beginnen. Und „Blue Beetle“? Der hängt irgendwo dazwischen. Genauso wie „Aquaman 2“, der noch dieses Jahr erscheinen soll und für den nach aktuellem Stand dieselben Vorzeichen gelten. Denn beide Figuren sollen zwar für die Zukunft der DC-Filme wichtig sein, liegen aber näher an dem abgeschlossenen DCEU als an der nächsten „Superman“-Verfilmung – und Aquaman wäre dann ja sogar Teil beider DC-Universen. Doch wer liest sich schon vorher in die Veröffentlichungsstrategie eines Filmstudios ein, bevor er sich entscheidet, ein Kinoticket zu lösen?

„Das DCEU ist offiziell Geschichte. Die neue James-Gunn-Ära soll erst im Juli 2025 mit ‚Superman: Legacy‘ beginnen. Und ‚Blue Beetle‘? Der hängt irgendwo dazwischen.“

All diese Beobachtungen und Fragen könnten auch den Film selbst kaum besser zusammenfassen. Deuten sie doch ein Stückweit an, dass die Platzierung eines einzelnen Projekts innerhalb eines mehrere Filme umfassenden Universums für seine Relevanz nicht unwichtig ist. Kurzum: Dadurch dass „Blue Beetle“ vorerst für sich alleinstehend funktionieren muss, lassen sich erzählerische Schwächen noch schwerer kaschieren. Die im Falle eines Versagens immer noch bereitliegende Ausrede, die Hauptfigur sei für das große Ganze aber später noch wichtig, gilt zwar nach aktuellem Stand, ist aufgrund der großen Zeitabstände aber kaum greifbar. Darüber hinaus ließe es sich Niemandem verübeln, der bei „Blue Beetle“ die Verbindung zu „The Flash“ und Co. sucht. Einfach, weil das ja gerade noch das DCEU war. Und dann enttäuscht ist, wenn er sie nicht findet. Aus seiner Aufgabe heraus hat der puertoricanische Regisseur Angel Manuel Soto („La Granja“) einen Ansatz gewählt, der „Blue Beetle“ zu einem zwar soliden Superheldenblockbuster macht, dessen Solide im größtmöglich neutralen Sinne verstanden werden muss. Sein Film ist das Ergebnis dessen, was passiert, wenn man sich der Einfachheit halber für den kleinsten gemeinsamen Nenner als Grundlage entscheidet. Action, Abenteuer, Humor, Emotionalität – „Blue Beetle“ liefert alles davon in genau jener Schlagzahl, damit während der zwei Filmstunden von allem irgendetwas kleben bleibt; eine Routine wie ein Uhrwerk.

Bei einem Abstecher in die Stratosphäre zeigt sich, welche Power der „Blue Beetle“-Superheldenanzug hat.

Vor allem die Nähe zu bereits bekannten (und mitunter sogar schon mehrmals verfilmten) Superhelden-Origin-Stories fällt hier ins Auge. „Blue Beetle“ greift sich – natürlich auch seiner Vorlage geschuldet – viele Elemente zusammen, die nachweislich in diesen funktioniert haben – aber eben schon da waren. High-Tech als Grundlage für Superkräfte kennen wir aus „Iron Man“. Ein unbedarfter Teenager, der sich als Superheld plötzlich großer Verantwortung ausgesetzt sieht, ist der Unique Selling Point eines Spider-Man. Dass widerwillig auch Familienmitglieder in den Superhelden Stuff der Hauptfigur hineingezogen werden, erinnert stark an Shazam. Und ein größenwahnsinniger, technikfixierter Konzern als Schurkenmotiv ist der wohl älteste Hut in dieser Aufzählung. Selbst einzelne Actionsetpieces und -Motive erhalten in „Blue Beetle“ einen erneuten Aufguss. Alles davon funktioniert auf seine Art. Aber es überrascht nicht. Frischen Wind verleiht „Blue Beetle“ allenfalls das spürbare Herzblut für die Familienkonstellation. Im Zentrum der Handlung stehen neben dem vom Skarabäus auserwählten Jaime Reyes (Xolo Maridueña) seine Eltern Alberto (Damián Alcázar) und Rocio (Elpidia Carrillo), Schwester Milagro (Belissa Escobedo) sowie sein Onkel Rudy (George Lopez). Jede und jeder von ihnen geht voll in ihrer/seiner Rolle auf. An vorderster Front: Hauptdarsteller Xolo Maridueña („Cobra Kai“). Die Energie und der aufrichtige Zusammenhalt innerhalb der Reyes hat viel vom leidenschaftlichen Familiengefüge aus dem Disney-Musical „Encanto“; schon wieder ein bekanntes Motiv, aber diesmal immerhin außerhalb des Genres.

Wann immer die Reyes in Gemeinschaft auftreten dürfen, ist „Blue Beetle“ am stärksten. Langezeit scheint sich Drehbuchautor Gareth Dunnet-Alcocer („Miss Bala“) dessen auch bewusst. Er verbringt viel Zeit im Haus der Familie, Taktiken gegen den Schurkenkonzern Kord werden hier gemeinsam geschmiedet. Die von Bruna Marquezine („América“), in ihrer Heimat Brasilien ein Serienstar, gespielte Jenny betont selbst einmal, wie sehr sie den Familienzusammenhalt der Reyes bewundert. Und am Ende dürfen alle gemeinsam gegen das Böse kämpfen. Doch genau an dieser Stelle bahnt sich die Generik in „Blue Beetle“ erneut ihren Weg. Auf die Standardmotivation ihres Handelns folgt für Susan Sarandon („Mit besten Absichten“) als Oberfiesling Victoria Kord sowie die Reyes-Family ein passend standardisiertes Finale. Am Ende gewinnt einmal mehr einfach nur, wer die stärkeren Waffen, die schnelleren Reflexe und das bessere Team hinter sich hat. Zwar ist es angenehm, dass in „Blue Beetle“ ausnahmsweise mal nicht gleich die Welt unterzugehen droht. Einen USP weist derweil nichts davon auf. Zu Herzen geht infolge der liebevollen Familienzeichnung lediglich der Umgang mit dem Ableben einer Figur, das angemessen lange und emotional gewürdigt wird.

„Am Ende gewinnt einmal mehr einfach nur, wer die stärkeren Waffen, die schnelleren Reize und das bessere Team hinter sich hat. Zwar ist es angenehm, dass in ‚Blue Beetle‘ ausnahmsweise mal nicht gleich die Welt unterzugehen droht. Einen USP weist derweil nichts davon auf.“

Während die Filme des DCEU in den letzten Jahren immer künstlicher und insbesondere in den Finalschlachten sukzessive opulenter wurden, hält sich „Blue Beetle“ überraschend zurück. Die Kombination aus echten Sets, haptisch generierter Action und am Computer entstandenen Effekten erinnert in ihrer Zurückhaltung an die früheren, noch kleiner gehaltenen Marvel-Filme. Ganz gleich, ob das der Tatsache geschuldet ist, dass der Film bei einem Budget von 120 Millionen US-Dollar gerade einmal halb so teuer war wie zuletzt „The Flash“, macht „Blue Beetle“ optisch einen bodenständigen, runden Eindruck. Mit audiovisuellen Sperenzchen halten sich die Verantwortlichen konsequent zurück. Lediglich Jaymes kurzer Ausflug in die Stratosphäre sticht heraus. Sich mit „Blue Beetle“ mal keinem CGI-Overkill aussetzen zu müssen, fühlt sich regelrecht entspannt an. Aber es ist auch ein Grund dafür, dass man den Film schlussendlich gar nicht mehr einordnen kann. Mit dem Loslösen vom DC-Bombast der letzten Jahre hat der Comickonzern schließlich auch  eines seiner wichtigsten Erkennungsmerkmale aufgegeben. „Blue Beetle“ ist mehr denn je einfach nur irgendein Superheldenfilm.

Das für DC typische Effektgewitter fällt in „Blue Beetle“ angenehm klein aus.

Fazit: „Blue Beetle“ ist visionslose Routine. Alles funktioniert. Irgendwie. Nichts davon bleibt im Kopf. Das hat nicht einmal großen Einfluss auf den Unterhaltungswert, denn irgendwas der bekannten Versatzstücke bleibt im Laufe der zwei Stunden schon kleben. Doch auch wenn das emotionale Familienherzstück des Films gut funktioniert, sogar die Effekte gelungen sind, kann am Ende nichts davon darüber hinwegtäuschen, dass sich mittlerweile nicht einmal mehr unterscheiden lässt, ob man hier einem Marvelfilm, einer DC-Produktion oder irgendetwas komplett Anderem folgt.

„Blue Beetle“ ist ab dem 17. August 2023 in den deutschen Kinos zu sehen.

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