The King’s Man – The Beginning

Keine Fortsetzung sondern ein Prequel soll es werden für die beliebten Gentleman-Spione des „Kingsman“-Geheimdienstes. In THE KING’S MAN – THE BEGINNING ergründet Franchise-Mastermind Matthew Vaughn die Anfänge der gut gekleideten Ermittlerinnen und Ermittler – und wagt dabei einen Tonalitätsspagat, der nicht immer gut geht. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Die schlimmsten Tyrannen und kriminellen Masterminds der Menschheitsgeschichte schmieden gemeinsam den Plan, mit einem Krieg Millionen Menschen weltweit auszulöschen. Nur ein Mann kann sich ihnen in einem Wettlauf gegen die Zeit stellen: der Duke of Oxford (Ralph Fiennes), der gerade dabei ist, den jungen Conrad (Harris Dickinson) in die Welt der Geheimdienste einzuführen. Es ist die Entstehungsgeschichte des aller ersten unabhängigen Geheimdienstes, in denen smarte, stilvolle und jeden noch so ausgefallenen Trick beherrschende Gentleman-Spione sich anschicken, die Welt zu retten.
Kritik
Ideen für mehrere Dutzend „Kingsman“-Filme habe er bereits im Köcher, gab Matthew Vaughn nun schon in mehreren Interviews bekannt. Und dass die einer Comicreihe zugrunde liegende Actionkomödienreihe, in der es eine Gruppe von elegant gekleideten, mit allen Wassern gewaschenen Agenten mit diversen finsteren Superschurken aufnimmt, den Stoff für so manch eine Fortführung hergibt, haben die ersten beiden Filme „Kingsman: The Secret Service“ sowie „Kingsman: The Golden Circle“ bereits bestens bewiesen. So gibt es nicht bereits konkrete Pläne zu einem Ableger über die Statesmen (das US-amerikanische Pendant zu den britischen Kingsmen) sondern auch für ein ganz klassisches Sequel, das die Eskapaden von Eggsy und seinem Mentor Harry Hart weitererzählt. Dass Matthew Vaughn die Saga nun aber erstmal um ein Prequel erweitert, eröffnet dem Franchise noch einmal ganz andere, vor allem zeitliche Dimensionen. Denn „The King’s Man – The Beginning“ spielt zu Zeiten des Ersten Weltkriegs und gibt in einigen kurzen Randszenen einen Ausblick darauf, dass die Ereignisse hier derart weitreichende Konsequenzen haben könnten, dass die Kingsmen in Zukunft noch mit diversen weiteren historischen Vorkommnissen in Berührung kommen werden. Doch bevor es so weit ist, gilt es erst einmal, das Publikum mit einem Tonaliätsspagat von verschiedenen Qualitäten zu überzeugen, die sich auf der einen Seite häufig behindern, bisweilen aber auch einen gewissen Reiz ausüben…
In einer Sneak Preview, also einer Überraschungspremiere, in der das Publikum nicht weiß, für welchen Film es da gerade ein Kinoticket gelöst hat, wäre „The King’s Man – The Beginning“ der absolute Renner. Nicht weil er dafür prädestiniert wäre, die Zuschauerinnen und Zuschauer zu begeistern; Im Gegenteil. Kaum eine Produktion dürfte in diesem Jahr mehr spalten als diese hier. Nein, es ist vielmehr der Überraschungseffekt, für den man als Sneak-Besucher:in an der Kasse zahlt, der hier vollumfänglich eingelöst wird. In den ersten Minuten käme nämlich niemand auf die Idee, dass es sich hier tatsächlich um einen Film jener Reihe handelt, in der im ersten Teil noch in Feuerwerk-Farben Köpfe explodierten oder im zweiten Elton John höchstpersönlich von einer irren Julianne Moore gefangen gehalten wurde. Stattdessen beginnt Vaughn, der auch diesmal wieder in Personalunion für Skript (gemeinsam mit „Oblivion“-Schreiber Karl Gajdusek) und Regie verantwortlich zeichnet, im fernen Afrika, wo die Gattin des britischen Herzogs Orlando von Oxford bei einem Einsatz für das Rote Kreuz kaltblütig ermordet wird und ihm damit seinen einzigen Sohn Conrad überlässt. Das ist alles nicht nur visuell beeindruckend wuchtig inszeniert, sondern auch von einer Ernsthaftigkeit und Tristesse, bei der man sich insbesondere als Fan durchaus vor den Kopf gestoßen fühlt: So hat man sich die Wurzeln der schillernden „Kingsman“-Filme wahrlich nicht vorgestellt. Wenngleich sich durch die Ereignisse in „The Beginning“ immerhin erschließt, worin manch eine auf den ersten Blick absurde Prüfung in der „Kingsman“-Ausbildung eigentlich ihren Ursprung hat.
„Das ist alles nicht nur visuell beeindruckend wuchtig inszeniert, sondern auch von einer Ernsthaftigkeit und Tristesse, bei der man sich insbesondere als Fan durchaus vor den Kopf gestoßen fühlt: So hat man sich die Wurzeln der schillernden ‚Kingsman‘-Filme wahrlich nicht vorgestellt.“
Bricht dann erst einmal der Erste Weltkrieg über den Herzog herein, eröffnen sich schließlich erzählerische Ausmaße, bei denen man sich wahrlich fragen darf, ob Matthew Vaughn sie in (ohnehin üppig bemessenen) 130 Minuten zu stemmen weiß. Die Antwort auf diese Frage lautet ganz klar: Nein! Und zwar deshalb, weil man in nahezu jeder Szene spürt, wie der Filmemacher auf der einen Seite seine ganz eigenen, neuen (!) Vorstellungen eines „Kingsman“-Prequels verfolgt, während ihm auf der anderen Seite eine Stimme zu sagen scheint, dass die aus den ersten beiden Filmen erwachsenen Erwartungen des Publikums doch auch irgendwie berücksichtigt werden müssen. Es ist der vielbeschworene Spagat; zwischen herben Szenen an der Kriegsfront, bei denen man sich in den besten Momenten an die Wucht und emotionale Intensität eines „1917“ erinnert fühlt, und skurrilen Over-the-Actionszenen, unter anderem mit dem karikaturesk-exzentrisch gezeichneten Rasputin (genial: Rhys Ifans), einem Geisterheiler und Frauenverführer, der einem völlig anderen Film entsprungen scheint. Es ist aber auch der Spagat zwischen noblen Weltrettungsplänen noch nobler Männer sowie machtbesessenen Superschurken, die der schillerndsten „Bond“-Ära entsprungen sein könnten, während dazwischen ein Mann um seinen in den Krieg gezogenen Sohn bangt, seelisch zerbricht und dann plötzlich wieder halsbrecherische Stunts auf einem Flugzeug absolviert, die man eher in einem „Fast & Furious“-Film denn in einem solchen vermuten würde, in dem die Auseinandersetzung mit Verlust und Einsamkeit einen bedächtigen Teil der Handlung ausmacht.

Rhys Ifans alias Rasputin erscheint wie von einem anderen Stern – respektive aus einem anderen Film.
Man erkennt: Vaughn liefert hier eigentlich zwei Filme in einem ab; Und unterwandert damit (aus Versehen?) immer wieder die Erwartungen des Publikums. Dafür, dass dies bewusst passiert, er das Vor-den-Kopf-Stoßen respektive sogar die Veranschaulichung, dass Gewalt nicht konsumierbar ist, selbst wenn sie noch so abgehoben inszeniert wird, miteinkalkuliert hat, gibt es nicht genügend Indizien. Doch es hat eben auch seinen Reiz: Schon in den ersten beiden Filmen setzte Vaughn erzählerisch sowie inszenatorisch nahezu im Minutentakt immer noch einen drauf. Das Publikum konnte sich – sofern nicht mit der Vorlage vertraut – nie sicher sein, was in diesem „Kingsman“-Universum eigentlich alles möglich ist. Spätestens ab Teil zwei gab es dann zumindest einen losen Rahmen – den Vaughn allerdings auch wieder sprengte. In „The King’s Man“ nun werden die Karten neu gemischt, sodass man sich im Laufe der über zwei Stunden gleich mehrmals fragt, wohin der Film wohl noch so abbiegen wird; Und ob am Ende die „typische ‘Kingsman‘-Färbung“ oder aber diese neue, ruppig-raue und ganz schön ernste Ausrichtung die Oberhand gewinnt. Das wird nicht jedem gefallen und gerade aufgrund dessen, dass „The King’s Man“ Fanerwartungen nur sehr bedingt erfüllt, gilt es, ebenjene wahlweise herunterzuschrauben oder am besten ganz hintenanzustellen. Gleichwohl hat auch „The King’s Man“ Elemente inne, mit denen schon die Vorgänger zu punkten wussten.
„In ‚The King’s Man‘ werden die Karten neu gemischt, sodass man sich im Laufe der über zwei Stunden gleich mehrmals fragt, wohin der Film wohl noch so abbiegen wird; Und ob am Ende die „typische ‘Kingsman‘-Färbung“ oder aber diese neue, ruppig-raue und ganz schön ernste Ausrichtung die Oberhand gewinnt.
Die mit unendlichem Charisma gesegnete Mentorenrolle eines Colin Firth kommt diesmal Ralph Fiennes („James Bond 007 – Keine Zeit zu sterben“) zu. Und diesem stehen nicht nur die zahlreichen Maßanzüge ganz ausgezeichnet, er meistert auch die permanenten Stilbrüche des Films hervorragend. Harris Dickinson („Maleficent: Mächte der Finsternis“) kommt dagegen nicht an den kantigen „Straßenköter-Charme“ eines Taron Egerton heran. Allzu große Überschneidungen in der Figurenzeichnung, geschweige denn in der Screentime gibt es hier aber ohnehin nicht. Von Gemma Arterton („My Zoe“) hätten wir gern mehr gesehen. Ein Wunsch, der im Zuge ihrer Charakterentwicklung in „The King’s Man“ allerdings durchaus wahr werden könnte; Stichwort: Spin-Off. Vor allem im Zusammenspiel mit Fiennes kommt ihre Schlagfertigkeit (im wahrsten Sinne des Wortes!) wunderbar zur Geltung. Die stilistisch sehr unterschiedlichen Actionszenen derweil könnten die Stärken und Schwächen von „The King’s Man – The Beginning“ kaum besser widerspiegeln. Handwerklich sehr solide choreographierte und gefilmte (Kameramann: Ben Davis) Nahkämpfe und Schießereien, bei denen jeder Tritt und Hieb richtig wehtut, wechseln sich mit mit abgehobenen CGI-Elementen angereicherten Over-the-Top-Momenten ab. In beiden Teilen geht „The King’s Man“ auf. Aber eine Einheit bildet das alles nicht.
Fazit: „The King’s Man – The Beginning“ setzt als erstes Prequel innerhalb des „Kingsman“-Universums ganz neue tonale Akzente in dieser eigentlich für seine abgehobene Action bekannten Reihe. Statt Fantasy-Waffen und explodierender Köpfe gehen hier Kriegstraumata und Kämpfe mit schillernden Schurken-Karikaturen Hand in Hand. Das macht den Film zu jedem Zeitpunkt unberechenbar, erweckt aber auch den Eindruck, dass hier zwei Drehbücher zu einem vermengt wurden, die besser beide einzeln inszeniert worden wären. Immerhin erweitern sich die Dimensionen des Möglichen für die Zukunft des Franchises noch einmal um ein Vielfaches.
„The King’s Man – The Beginning“ ist ab dem 6. Januar 2022 in den deutschen Kinos zu sehen.