Fast & Furious 9

Nunmehr in die neunte Runde gehen die halsbrecherischen Abenteuer von Dom, Letty und Co. Doch egal wie – im wahrsten Sinne des Wortes – abgehoben die Autoeskapaden der altbekannten Crew aka „Familie“ in diesem Teil werden, in FAST & FURIOUS 9 fühlt sich all das überraschend bemüht an. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: F9 (USA/THA/CAN 2021)

Der Plot

Egal wie schnell du bist, die Vergangenheit wird dich immer einholen. Dominic Toretto (Vin Diesel) hat sich in eine entlegene Gegend zurückgezogen, um sich gemeinsam mit seiner Frau Letty (Michelle Rodriguez) um seinen Sohn zu kümmern. Als sie mit einem extrem gefährlichen Auftragskiller aus Doms Vergangenheit (John Cena) konfrontiert werden, muss er noch einmal seine Crew zusammenbringen, um die Menschen, die er am meisten liebt, vor allem aber sich selbst, zu schützen.

Kritik

Das „Fast & Furious“-Franchise ist eine mittlerweile neunteilige Filmreihe, die es im Laufe der Jahre fertiggebracht hat, ihre ursprüngliche Ausrichtung als weitestgehend bodenständige Auto-Actionreihe, in der einfach ein paar coole Typen mit ihren aufgemotzten Karren durch die Gegend cruisen, vollständig ad acta gelegt und sich ein ganz neues Image zuzulegen. Aller spätestens seit in „Fast & Furious 6“ eine Landebahnszene zum Meme wurde, weil das Rollfeld, gemessen an den physikalischen Gesetzmäßigkeiten, 45 (in Worten: fünfundvierzig) Kilometer lang sein müsste, damit die Szene immerhin noch halbwegs Sinn ergibt, sagten sich die Verantwortlichen vollends von der ursprünglichen Auslegung los. In den darauffolgenden Filmen wurde nicht bloß ein U-Boot (!) in die Actionstunts der „Familie“ miteinbezogen, Dom und sein Partner sprangen unter anderem auch in einem Lykan von einem Hochhaus zum nächsten (!!) oder ließen sich von allerhand gehackten, ferngesteuerten (!!!) Autos ihrer Gegenspielerin Cipher (Charlize Theron) quer durch die New Yorker 7th Avenue jagen. Keine Frage: Die Macher:innen der Reihe (oder wie es in den USA so pathetisch heißt: Saga) haben den Hollywood-Sequelgedanken „Höher, schneller, weiter!“ nicht nur perfektioniert, sie leben ihn! Und deshalb war es in unseren Augen auch völlig logisch, dass die Crew es irgendwann einmal ins Weltall verschlagen musste. In „Fast & Furious 9“ ist es nun tatsächlich so weit. Doch das Problem daran ist nicht etwa die physikalische Unmöglichkeit dieses Stunts, denn, mit Verlaub: Auf Physik gibt die Reihe ohnehin schon lange nix mehr und das ist in diesem Filmuniversum auch völlig okay. Nein, das Problem ist anderer Natur: Der auf der Leinwand zelebrierte Wahnsinn wirkt mittlerweile allzu routiniert, sodass selbst so etwas Wahnwitziges wie ebendieser Weltall-Stunt wie eine Notwendigkeit anmutet, um dem bereits zitierten „Höher, schneller, weiter!“ überhaupt noch gerecht zu werden.

Letty (Michelle Rodriguez) und Mia (Jordana Brewster) genießen das Wiedersehen.

Es gibt eine Szene in „Fast & Furious 9“, die den Charakter des Films perfekt zusammenfasst – und damit einhergehend auch die maßlose Ego-Show, die Hauptdarsteller Vin Diesel („xXx: Die Rückkehr des Xander Cage“) alias Dominic Toretto seit jeher in den Filmen abzieht; Und zwar nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera, wenn er wieder einmal über den Meisterwerk-Status sowie eine eventuelle Oscar-Tauglichkeit der „Fast“-Filme referiert. In ebendieser Szene fällt Dom aus großer Höhe ins Wasser und sinkt sukzessive immer tiefer, bis sich die Leinwand um ihn herum in helles Licht hüllt. Wir sehen Rückblenden aus den bisherigen Teilen, die wie ein Film an ihm vorbeiziehen. Und der nach „Fast & Furious 6“ wieder zur Reihe zurückgekehrte Regisseur Justin Lin kostet diese allzu bekannte „Die Seele verlässt den Körper“-Todesszene genüsslich aus, sodass man sich alsbald damit abfindet, dass sich Vin Diesel in „Fast & Furious 9“ tatsächlich von der Reihe verabschiedet. Doch wer in der Vergangenheit verfolgt hat, was für einen Stellenwert die „Fast“-Saga mittlerweile in Vin Diesels Leben einnimmt, der wird sich hier letztlich wohl kaum auf den Holzweg führen lassen. Die Reihe ist seit jeher nach Maß auf eine Figur wie Dominic Toretto zugeschnitten. Und so gehen in „Fast & Furious 9“ nicht nur einmal mehr die coolsten Stunts auf Vin Diesels Konto, er dominiert die Reihe mittlerweile auch so sehr mit seinem „Wir sind eine Familie!“-Pathos, dass der Schritt zur Parodie nur noch ein sehr kleiner ist. „Fast & Furious 9“ ist nicht zwingend testosterongetränkt (dafür gibt es, sowohl auf der Seite der Guten als auch der Seite der Bösen, mittlerweile genug per se interessante Frauenfiguren, selbst wenn das Skript genregetreu wenig aus ihnen, aber auch aus den männlichen Charakteren herauszuholen weiß), dafür aber durch und durch Vin-Diesel-getränkt. Für einen Film, der permanent das Zusammengehörigkeitsgefühl der „Familie“ bestärkt, ist solch eine One-Man-Show kontraproduktiv.

„‚Fast & Furious 9‘ ist nicht zwingend testosterongetränkt, dafür aber durch und durch Vin-Diesel-getränkt. Für einen Film, der permanent das Zusammengehörigkeitsgefühl der „Familie“ bestärkt, ist solch eine One-Man-Show kontraproduktiv.“

Dass dadurch vor allem jene Szenen zu den besten gehören, in denen möglichst viele Crewmitglieder auf einmal in Aktion zu sehen sind, ist da nur folgerichtig. Etwa wenn die Gruppe ganz zu Beginn in ihren Karren über ein scharfes Minenfeld brettert, anschließend eine kaputte Hängebrücke hochfährt oder sich in Super-Zeitlupe an ihr von einer Seite auf die andere schleudern lassen. Das gibt sogleich den Tonfall vor, den in „Fast & Furious 9“ die Stunts aufweisen. Und wie bereits eingangs beschrieben, dürfte der Wunsch nach einer halbwegs plausiblen Erklärung für das Gelingen derartig halsbrecherischer Aktionen diesmal vollends im Nichts verpuffen. Gleichwohl beißt sich diese gezielte Gigantomanie mit der erzählerischen Tonalität. Die zwischenmenschlichen und familiären Interaktionen in Doms Team erfüllen allenfalls die unterdurchschnittlichen Qualitäten einer Seifenoper, nehmen aber dennoch massig Raum ein. Das, was hier nicht an Emotionen überspringt, versucht Vin Diesels Dom zudem regelmäßig mit pathetischen Zusammengehörigkeitsappellen wieder wettzumachen. Das ist etwas, was funktionieren kann – schließlich haben auch die zig Soaps im deutschen Vorabendprogramm täglich mehrere Millionen Zuschauer:innen. Aber es verbaut den Verantwortlichen diverse Möglichkeiten, die heraufbeschworene Gigantomanie angemessen auszukosten. Zwar versucht Roman (Tyrese Gibson) gleich mehrmals im Film auf die Absurdität sämtlicher bisheriger Ereignisse zu verweisen und stellt die naheliegende These auf, dass er und der Rest wohl sowas wie Superheld:innen sein müssen (dass er es zu Beginn des Films überlebt, dass ein riesiges Auto direkt auf ihn draufkracht, zeigt schon, dass sich die Kreativen der Idiotie ihres Filminhalts sehr wohl bewusst sind). Die um ihn herum Stehenden quittieren diese Vermutungen mit einem Lachen – und dann war es das auch schon mit der Selbstreferenz. Gewiss: Es kann angenehm sein, dass sich ein Film trotz seiner hanebüchenen High-Concept-Ausmaße einfach mal nicht selbst durch den Kakao zieht. Doch spätestens seit dem Weggang von Jason Statham und Dwayne Johnson alias Hobbs und Shaw ist das Augenzwinkern innerhalb der Reihe auf ein Minimum geschrumpft – etwas, was auch Tyrese Gibson („Black and Blue“) und Ludacris („Freundschaft Plus“) nicht kompensieren können.

John Cena tritt in „Fast & Furious 9“ – Achtung! – auf die Bremse.

Nun möchte man meinen, bei einer Filmlänge von rund zweieinhalb Stunden nehme der zwischenmenschliche Anteil von „Fast & Furious 9“ ohnehin nur einen geringen Teil ein. Schließlich handelt es sich hier in erster Linie um einen Actionfilm. Doch die Drehbuchautoren Justin Lin und Daniel Casey („Kin“) halten zusätzlichen Storyballast bereit, indem sie ihren Film immer wieder mithilfe von Rückblenden ausbremsen, die die Beziehung zwischen Dom und seinem verfeindeten Bruder Jakob erklären sollen. Der von John Cena („Bumblebee“) gespielte Hüne wird aus dem völlig banalen Grund zum Widersacher, sich mit seinen Schurkenaktionen endlich aus dem Schatten seines Bruders zu begeben. Dass die Macher:innen ausgerechnet für so eine flache Motivation einen nicht unerheblichen Teil der Laufzeit opfern, ist kaum verständlich. Schließlich sind seit jeher die Actionszenen das Herzstück der „F&F“-Reihe – und wenigstens bei der Inszenierung derselben legt Justin Lin im Vergleich zu den bisherigen Teilen noch einmal eine gehörige Skurrilitätsschippe drauf. Neben der spektakulären Minenfeld-Szene und dem Abstecher ins All (natürlich nicht in einer Rakete, sondern in einem Auto!) sorgt vor allem ein Riesenmagnet für Laune, mit dem nach Belieben Fahrzeuge durch die Luft geschleudert werden können. Und diverse Supersprünge von einem Autor aufs nächste, die Dom und Co. mittlerweile mit Leichtigkeit absolvieren, gehören selbstverständlich ins Stunt-Repertoire. Doch, obwohl der Mix aus Computereffekten und handgemachtem Krawall einmal mehr so richtig knallt, kann all das nicht mehr wirklich überraschen. Der kontinuierlichen Sprengung der Grenzen zwischen „möglich“ und „unmöglich“ wohnt mittlerweile etwas Routiniertes, Kalkuliertes inne. Als in „Fast 8“ plötzlich das U-Boot auftauchte, machte das noch für einen kurzen Moment sprachlos. Einfach, weil in diesem Moment der schon oft zitierte Shark gejumped wurde. Doch über diesen Punkt ist die Reihe mittlerweile hinaus und alles was nun noch kommt, wirkt wie der krampfhafte Versuch, es noch einmal genauso zu machen wir vor ein paar Jahren.

„Seit jeher sind die Actionszenen das Herzstück der ‚F&F‘-Reihe – und wenigstens bei der Inszenierung derselben legt Justin Lin im Vergleich zu den bisherigen Teilen noch einmal eine gehörige Skurrilitätsschippe drauf.“

Und apropos krampfhaft: Am besten lässt sich diese spannungsarme Routine anhand von John Cenas Performance veranschaulichen. Der mit einem hervorragenden komödiantischen Timing ausgestattete Ex-Wrestler – zu sehen unter anderem im „Bumblebee“ oder „Dating Queen“ – darf in seiner Rolle des Fieslings nie freidrehen. Schon allein die Kombination aus den Faktoren „John Cena“ und „einem ‘Fast & Furious‘-Film“ eröffnet in einem die schier grenzenlosen Möglichkeiten, wie der charismatische Schauspieler seine ganz eigenen, augenzwinkernden Duftmarken im Film hinterlassen könnte. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass einem potenziellen Fanliebling des „Fast“-Franchises von vornherein die Flügel gestutzt werden. Allein die Tatsache, dass Hobbs und Shaw ein eigenes Spin-Off erhielten, entlockte Alphatier Vin Diesel nicht die Euphorie wie sonst üblich. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb selbst eine Charlize Theron („Mad Max: Fury Road“) in „Fast & Furious 9“ auf die Rolle der Plot-Zusammenfasserin und Stichwortgeberin reduziert wird, während einzig und allein Grande Dame Helen Mirren („Die Frau in Gold“) wirklich verstanden zu haben scheint, dass ein Engagement in einem solchen Film in erster Linie bedeuten sollte, einfach nur absurd viel Spaß zu haben – und, vor allem, ihn dem Publikum zu bereiten.

Fazit: Die Stunts in „Fast & Furious 9“ sind erwartungsgemäß erste Klasse. Doch so langsam wirkt selbst so eine absurde Idee wie ein Abstecher ins Weltall routiniert und die betonte Ernsthaftigkeit der Reihe beißt sich zunehmend mit dem hier ja eigentlich zelebrierten Wahnwitz.

„Fast & Furious 9“ ist ab dem 15. Juli 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.

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