Jackass Forever

Sie machen das, was sie am besten können – immer noch! Und so dürfen wir der Crew rund um Johnny Knoxville auch im Jahr 2022 dabei zuschauen, wie diese in JACKASS FOREVER wahnwitzige Stunts ausprobieren und Mutproben über sich ergehen lässt. Das Ergebnis ist überraschend witzig, stellenweise aber auch extrem fragwürdig. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Jackass Forever (USA 2022)

Darum geht’s

Johnny Knoxville und seine Crew sind zurück!. Ist es wirklich schon zehn Jahre her, dass uns die masochistischen Draufgänger mit ihren an Selbstzerstörung grenzenden Stunts, Pranks und Mutproben auf nahezu traumatisierende Weise exzellent unterhalten haben? Überzeugen Sie sich selbst, dass auf die „Jackass“-Stars noch immer Verlass ist, wenn es darum geht, sich selbst und die Leidensgenossen ordentlich zu malträtieren. Sie haben Lust bekommen auf den ultimativen Adrenalin-Kick?

Kritik

Eigentlich wirkt das ursprüngliche Konzept der „Wir führen wahnwitzig-perverse Stunts bis an die ultimative Schmerzgrenze vor oder provozieren ahnungslose Passantinnen und Passanten mit grobem Unfug“-Crew der erstmalig bei MTV im Einsatz befindlichen „Jackass“-Crew heutzutage überholt. Der Grund: das Internet. Genauer gesagt: Die durch das Internet entstandenen Möglichkeiten, ähnliche (und im Vergleich zu damals vielleicht sogar noch krassere) Ideen mit der ganzen Welt teilen zu können, ohne dafür einen TV-Sender von der Ausstrahlung zu überzeugen. Doch schon allein die Tatsache, dass ein Filmableger wie „Jackass Forever“ nunmehr 22 (!) Jahre nach der Erstausstrahlung der Originalserie sogar ins Kino kommt und Menschen nach wie vor bereit sind, Geld dafür auszugeben, um sich etwas anzusehen, was sie eigentlich auch kostenlos haben könnten, zeigt: Bei den „Jackass“-Stunts ging es nur zum Teil um die mitunter brachialen Verletzungen und Schmerzen, die die Gang rund um Johnny Knoxville, Bam Margera, Steve-O und Co. zu erleiden hatte, sondern vielmehr um die Typen selbst. Das ist vermutlich auch der Hauptgrund, weshalb „Jackass Forver“ in den USA selbst von normalerweise eher für ihre kritischen Stimmen bekannten Kritikerinnen und Kritikern in den höchsten Tönen gelobt wurde. Und auch wenn wir nicht vollständig in dieses berauschende Feedback einsteigen können, müssen wir doch zugeben: Überholt ist dieses Konzept noch lange nicht!

Die „Jackass“-Crew wieder vereint…

Dabei lässt das Intro zu „Jackass Forever“ auf den ersten Blick Fürchterliches erahnen, wenn die 12 Jahre nach ihrem letzten Film „Jackass 3“ (bzw. neun Jahre nach dem Ableger „Jackass: Bad Grandpa“) offenbar dafür gesorgt haben, dass mit dem etwas hochwertigeren Amateurvideo-Stil von einst nun Schluss ist und die Jungs und erstmals auch Mädels lieber ins Hochglanz-Actionkino gewechselt sind. Doch der Schein trügt: Der Prolog – eine Hommage an die längst den Mainstream erreichenden Monsteractionfilme à la „Godzilla“ – entpuppt sich als etwas völlig Anderes als man es zunächst erahnt. Nur so viel: Ein Penis wird hier zum ersten (und längst nicht zum letzten!) Mal eine gewichtige Hauptrolle in einem der Stunts spielen. Immer mal wieder erlauben sich die Macher technische Spielereien, um erst gen Ende des Sketches in einer Art „Aha“-Effekt zu entblößen, wem oder was man da gerade zugesehen hat. Stichwort: Boxsack. Daher werden wir an dieser Stelle auch gar nicht näher auf diese Szenen eingehen, denn der Twist-Moment ist doch überraschend effektiv und gehören zweifellos zu den besten Szenen des Films. Auch, weil der künstlerische Anspruch hier mehr denn je durchscheint. Vielleicht hat das ja auch damit zu tun, dass der mittlerweile für anspruchsvolles Arthauskino wie „Her“ bekannte Regisseur Spike Jonze (ja, der Spike Jonze!) wieder in der Produzentenrolle vertreten ist.

„Immer mal wieder erlauben sich die Macher technische Spielereien, um erst gen Ende des Sketches in einer Art ‚Aha‘-Effekt zu entblößen, wem oder was man da gerade zugesehen hat. Stichwort: Boxsack.“

Oder aber der Grund liegt ganz einfach darin begründet, dass es in „Jackass“ allenfalls in der frühesten Phase ausschließlich darum ging, permanent immer neue Geschmacksgrenzen auszuloten und das Publikum damit gleichermaßen zu unterhalten als auch zu provozieren. Stattdessen entwickelte sich rasch ein Achtungserfolg ob der schieren Kreativität, die Knoxville und Co. bei ihren Stunts an den Tag legten. Und die wohl wichtigste Zutat in diesem Geheimrezept: die hinreißende Chemie innerhalb der Truppe. Ursprungsmitglied Bam Margera wurde aufgrund von Drogenproblemen zwar bis auf eine Szene komplett aus dem fertigen Film gestrichen wurde, ansonsten gibt es jedoch ein Wiedersehen mit sämtlichen bekannten Gesichtern sowie einigen Neuzugängen. Darunter auch erstmalig eine Frau: Die hierzulande noch weitestgehend unbekannte Comedienne Rachel Wolfson, die sich in ihrem Debüt – im wahrsten Sinne des Wortes – als mindestens genauso schmerzfrei beweist wie ihre männlichen Kollegen. All diese Gesichter – von Johnny Knoxville über Steve-O, Chris Pontius und Dave England bis hin zu Gaststars wie Machine Gun Kelly – ziehen ihren Unterhaltungswert, und damit auch den des Films im Gesamten, gar nicht (mehr) primär aus den Actioneskapaden, sondern aus ihren Reaktionen infolge dieser. Im Vergleich zu den bisherigen Filmen fallen die Blicke hinter die Kulissen, in denen die gerade nicht in einen Stunt involvierten Crew-Mitglieder ihren Kollegen oder ihre Kollegin beim Leiden beobachten, besonders ausführlich aus. Und spätestens hier dürfte es selbst für die weniger ekel- und schadenfreudeaffinen Leute im Publikum schwer sein, nicht irgendwann doch schallend loszulachen. Nicht aufgrund der erlittenen Qualen, sondern als Reaktion darauf, wie die Menschen auf der Leinwand das lieben, was sie nun schon so lange machen dürfen, sodass die fassungslosen „Und damit verdienen wir unser Geld!“-Vibes während der gesamten Laufzeit über allem schweben. Mit gerade einmal 96 Minuten fällt die ohnehin angemessen kurzweilig aus.

Was vor vielen Jahren schiefgegangen ist, wird in „Jackass Forever“ wiederholt…

Gerade in Details wie etwa einem „Daddy“-Shirt, das Johnny Knoxville stolz zur Schau stellt, um einmal mehr zu unterstreichen, wie viel Zeit mittlerweile vergangen ist (und auch, dass Männer diesen Alters mit allerlei Gebrechen sonst wohl kaum noch Dinge wie einen ungesicherten Stierangriff oder einen Sprung mitten in eine Kaktusplantage über sich ergehen lassen würden, wäre es nicht die „Jackass“-Crew) lässt sich erkennen, wie penibel und bisweilen subtil die Macher:innen den Film vorausgeplant haben müssen. Doch im Hinblick auf den Stierstunt, die Wiederholung eines ursprünglich missglückten Sketches vor vielen, vielen Jahren, drängt sich auch der mit Abstand größte Kritikpunkt an „Jackass Forever“ in den Vordergrund: Sind die Fäkalgags und Schmerzmutproben der Jungs eben vor allem eine Frage des persönlichen Geschmacks, erweist sich der Einbezug diverser Tiere als vollständig missratene Idee. Es überschreitet nicht nur jedwede Gefahrengrenze, einen gefesselten (und vorgeblich ahnungslosen) Ehren McGhehey mit einem wilden Bären alleine in einem Raum einzusperren. Schon der Anblick des lethargischen Vierbeiners bremst die bis dato aufgebaute Freude nahezu vollständig aus: Das hier ist zum Spaß zelebrierte Tierquälerei. Der obligatorische „Keine Tiere wurden verletzt“-Hinweis im Abspann fühlt sich da an wie blanker Hohn. Dasselbe gilt für eine Szene mit einem abgerichteten Geier, ebenjenen Ausflug ins Stierrodeo-Milieu und Sketche, in denen Skorpione und Schlangen so lange provoziert werden, bis sie schließlich zubeißen oder -stechen.

„Gerade in Details wie etwa einem ‚Daddy‘-Shirt, das Johnny Knoxville stolz zur Schau stellt, um einmal mehr zu unterstreichen, wie viel Zeit mittlerweile vergangen ist.“

Schade ist dieser fade Beigeschmack vor allem deshalb, weil die unter Zuhilfenahme von lebenden Tieren zustande gekommenen Stunts schlicht nicht notwendig gewesen wären. „Jackass Forever“ wäre nicht weniger unterhaltsam, hätte das Team auf die Szenen verzichtet. Im Gegenteil: Man würde den Kinosaal mit einem noch besseren Gefühl verlassen als jetzt. Denn dass sich erwachsene Menschen diesen Gefahren aussetzen, ist die eine Sache. Andere Lebewesen – egal ob Mensch oder Tier – in derartige Situationen zu zwingen, darüber lässt sich leider nicht einmal mehr schmunzeln.

Fazit: „Jackass Forever“ lebt die meiste Zeit über von der überragenden Chemie innerhalb der Crew, von der Kreativität der Stunts und von dem leidenschaftlichen Wahnsinn, der hier zelebriert wird. Doch wann immer Tiere zum Einsatz kommen, ist es mit der guten Laune prompt vorbei.

„Jackass Forever“ ist ab dem 10. März 2ß22 in den deutschen Kinos zu sehen.

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