Ron läuft schief

Was passiert, wenn man Baymax und die Mitchells aufeinandertreffen lässt? Womöglich so etwas wie RON LÄUFT SCHIEF! Ob die Geschichte eines Außenseiters, der einen defekten, smartphonetastischen Roboter als Freund hat, überzeugt? Das verraten wir in unserer Kritik.

OT: Ron Gone Wrong (USA/UK/CAN 2021)

Der Plot

Barney ist Außenseiter – und hat daher Bammel vor der großen Pause. Führt sie seinen Mitschülerinnen und Mitschülern doch Schultag für Schultag vor, wie einsam er ist. Die Mitleidskommentare seiner Lehrerin und die fiesen Aktionen der Schulrüpel machen alles noch schlimmer. Daher wünscht sich Barney nichts sehnlicher als einen B-Bot – die neueste Errungenschaft eines Tech-Giganten. Die kleinen Roboter sind sozusagen Smartphones auf zwei Beinen, die nicht nur als bester Freund ihrer Besitzerin oder ihres Besitzers agieren, sondern mit ihren Algorithmen weitere Freunde suchen. Aber Barneys Familie will keine Unsummen für solchen Schnickschnack ausgeben – bis sie eines Tages doch ein schlechtes Gewissen bekommt und ihm einen B-Ware B-Bot besorgt. Dessen defektes Programm bringt gewaltiges Chaos in Barneys Leben …

Kritik

Die Titelfigur in Disneys animierter Marvel-Adaption „Baymax – Riesiges Robowabohu“ ist ein weißer, rundlicher, freundlicher Gesundheitsassistenzroboter, der nicht nur zuvorkommend, sondern auch etwas naiv und begriffsstutzig wirkt. Dass er aber darüber hinaus erkennt, dass nicht nur körperliche Gebrechen, sondern auch emotionale und psychische Beschwerden eine ausführliche Behandlung verdienen, macht ihn zu einem technologischen Freund, der Wunder für den menschlichen Helden des Films bewegt. Auch in „Ron läuft schief“ irrt ein rundlicher, weißer Roboter umher, und verhilft dem menschlichen Protagonisten zu mehr Selbstwertgefühl, Freude und Freunden. Doch Ron ist kein für gesundheitliche Zwecke erschaffener Roboter, sondern in seinem Filmuniversum eine Kombination aus Smartphone und High-End-Spielzeug: B-Bots verbinden Kinder und Teenies mit dem Internet, ermöglichen Chats, Streams, Gaming und zudem analysieren sie die Interessen ihrer Besitzer, um passende Skins auszuwählen und Kindern mit ähnlichen Interessen Freundschaftsanfragen zu schicken. Das soll im Sinne des Erfinders das Finden von Freundschaften erleichtern – und wie Generation Social Media weiß, ist es tatsächlich reizvoll, gezielt nach Gesprächspartner:innen suchen zu können, die sich für dieselben Dinge begeistern.

Barney (Jack Dylan Grazer) und sein B-Bot Ron (Zach Galafianakis) müssen erst zueinander finden…

Wie Generation Social Media allerdings genauso bestätigen kann: Algorithmen können verdammt tückisch sein. Etwa, indem sie einem eine sehr begrenzte Sicht der Welt aufzwängen und Cyberbullying befeuern. Zudem benötigen Freundschaften nicht ausschließlich Gemeinsamkeiten, sondern auch ein gewisses Maß an Unterschieden – nur so bereichert man gegenseitig den Erfahrungsschatz. Der Sony-Animationsfilm „Die Mitchells gegen die Maschinen“ behandelte vor wenigen Monaten clever, witzig, bissig sowie liebevoll, wie moderne Technologie gleichzeitig Brücken zwischen Menschen aufbauen und sie einreißen kann. Und in seinen besten Momenten macht „Ron läuft schief“ dies ebenfalls – mit einem defekten Roboter, der an Baymax erinnert, statt mit einer Mitchell-Robokalypse. Vor allem Barneys anfänglicher Frust darüber, dass Ron ihm nicht sämtliche Interessen, Wünsche und Meinungen förmlich von den Lippen abliest, und Barneys und Rons allmählicher Anfreundungsprozess durch gemeinsame Erlebnisse, dient als ebenso charmanter wie kritischer Kommentar auf durchgefilterte Erfahrungen. Außerdem bekommen Cyberbullying und am Schulhof durchgeführte Internet-Pranks ein paar gut sitzende Seitenhiebe verpasst, während die Kritik an Technologie-Großkonzernen, die ihre Kundschaft durchleuchten, etwas platt-kalauernd, wenngleich kurzweilig daherkommt. Jedoch lässt sich der Eindruck nicht verwehren, dass „Ron läuft schief“ in einer früheren Konzeptionsphase noch größere Ambitionen hatte, und die Filmschaffenden sie letztlich gedrosselt haben.

„Vor allem Barneys anfänglicher Frust darüber, dass Ron ihm nicht sämtliche Interessen, Wünsche und Meinungen förmlich von den Lippen abliest, und Barneys und Rons allmählicher Anfreundungsprozess durch gemeinsame Erlebnisse, dient als ebenso charmanter wie kritischer Kommentar auf durchgefilterte Erfahrungen.“

Denn nicht nur, dass das letzte Filmdrittel dramaturgisch an den Rest des Films drangetackert wirkt (inklusive völlig neuer Herausforderungen für die Helden und dem Fallenlassen kurz zuvor noch von zwei Nebenfiguren geäußerten Intentionen), die beiläufig geäußerte, doch ausbalancierte Medienkritik („Moderne Technologien können zu Freundschaften verhelfen, aber auch arg missbraucht werden“) vereinfacht sich plötzlich. Dass sich die Kinder in der Filmwelt von „Ron läuft schief“ in allen Lebenslagen zuallererst an ihren B-Bot wenden? Nicht weiter schlimm, solange sie etwas unberechenbarer agieren als zu Filmbeginn! Dass dies als Happy End verkauft wird, trübt den Gesamteindruck von „Ron läuft schief“, jedoch strahlt seine große Stärke intensiver als diese Schwäche: Das Langfilm-Debüt der britischen Trickfilmschmiede Locksmith Animation (die für kommende Filme keinen Vertriebsdeal mit 20th Century Studios mehr hat, sondern mit Warner Bros.) lebt von der kauzig-fröhlichen Dynamik zwischen Barney und dem defekten Ron. Im Original vom Chaoskomiker Zach Galifianakis („Hangover“) gesprochen, ist Ron ein dauernd fröhlicher, Streit suchender, begriffsstutziger und osteuropäische Schlager singender Troublemaker, dessen Optimismus für allerhand Situationskomik sorgt – denn Ron begegnet Spielplatzprügeleien, großen Verschwörungen und Unruhe in Omas Küche stets mit derselben Attitüde, wodurch allerlei komödiantische Reibung entsteht.

…doch nach und nach werden die beiden ein Herz und eine Seele.

Der schüchterne Barney wiederum, der sich absurde Vorstellungen einer Freundschaft ausgemalt hat, jedoch im Gegensatz zu seinen verwöhnteren Mitschüler:innen gewillt ist, sich rasch zu akklimatisieren, begegnet Rons Chaos mit einer kindlich-instabilen Balance aus Vernunft, Gefühlsüberschwang, Frust und Amüsiertheit. Das wird von Regisseur Jean-Philippe Vine, Regisseurin/Autorin Sarah Smith und Autor Peer Baynham mit viel Herz und noch mehr Witz erzählt, so dass man diese Freundschaft rasch ins Herz schließt und mit dem ungewöhnlichen Duo mitfiebert und mitlacht. Das etwas generische Produktionsdesign und die im Vergleich zu den Platzhirschen Pixar, Disney, DreamWorks Animation und Illumination Entertainment etwas steife, trotzdem noch ganz klar kinowertige Charakteranimation, setzen der Filmwelt und ihren Figuren zwar immer wieder Grenzen. Doch Vine und Smith wissen, die innerhalb der ihnen gegebenen Möglichkeiten wichtigen Akzente zu setzen – sei es das selbstverliebte Schmunzeln bei einer jugendlichen Lifestyle-Streamerin, das Leuchten in Barneys Augen, wenn er einen neuen Einfall Rons mal wieder nicht glauben kann und dennoch überaus davon erfreut ist, oder halt das Herumwirbeln des Titelhelden.

„Das etwas generische Produktionsdesign und die im Vergleich zu den Platzhirschen Pixar, Disney, DreamWorks Animation und Illumination Entertainment etwas steife, trotzdem noch ganz klar kinowertige Charakteranimation, setzen der Filmwelt und ihren Figuren immer wieder Grenzen.“

Fazit: „Ron läuft schief“ ist ein solides Debüt für eine neue Animationsschmiede: Die Medienkritik fällt etwas kurzatmig aus und der Look ist etwas steif, doch diese Geschichte einer Chaos-Freundschaft wird mit Herz und viel Witz erzählt.

„Ron läuft schief“ ist ab dem 28. Oktober 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.

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