Die Mitchells gegen die Maschinen

Ursprünglich unter dem Titel „Connected – Familie verbindet“ angekündigt, lässt die neue Lord-Miller-Produktion DIE MITCHELLS GEGEN DIE MASCHINEN die Kinosäle links liegen und nimmt direkten Kurs auf die Netflix-Mediathek. Ein Jammer. Warum das so ist, das verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Die kreative Außenseiterin Katie Mitchell wurde soeben an der Filmhochschule ihrer Träume angenommen. Sie kann es kaum erwarten, bei ihren Eltern auszuziehen und dort endlich auf Gleichgesinnte zu treffen. Doch ihr naturverbundener Vater Rick durchkreuzt ihre Pläne, denn er besteht darauf, dass die gesamte Familie sie auf dem Weg zum College begleitet, um noch einmal Zeit miteinander zu verbringen. Gerade als es scheint, der Roadtrip könnte nicht noch schlimmer werden, findet sich die Familie plötzlich inmitten eines Roboter-Aufstands wieder, bei dem unter anderem Smartphones, Staubsauger-Roboter und elektronisches Spielzeug Jagd auf Menschen machen. Jetzt liegt es an den Mitchells – darunter die optimistische Mutter Linda, der schräge kleine Bruder Aaron (Michael Rianda), Mops Monchi und zwei freundliche, aber einfach gestrickte Roboter – die Welt zu retten.
Kritik
Als vor rund einem Jahr im März 2020 der erste Trailer zu „Die Mitchells gegen die Maschinen“ seine Weltpremiere feierte, hieß der von den „The LEGO Movie“-Veteranen Phil Lord und Christopher Miller produzierte Animationsfilm noch „Connected“ (auf Deutsch: „Connected – Familie verbindet“) und sollte am 23. Oktober in die weltweiten Kinos kommen. Doch bekanntermaßen kam alles ganz anders; Neben vielen anderen Produktionen wurde auch der nunmehr 21. abendfüllende Trickfilm der Sony-Animations-Schmiede infolge der Corona-Pandemie immer wieder verschoben, eh das Studio Anfang dieses Jahres in Netflix einen großzügigen Geldgeber fand – eine im Anbetracht der bis heute noch eher ungewissen Kino-Öffnungs-Situation vielleicht lukrativere Entscheidung, als einen Kinostart abzuwarten. Und so einigte man sich darauf, „Connected“ ab sofort unter seinem Arbeitstitel „Die Mitchells gegen die Maschinen“ („The Mitchells vs. The Machines“) vermarkten und Ende April veröffentlichen zu wollen. Für Sony Animations ist dies die aller erste Zusammenarbeit mit dem Streamingdienst – und im Anbetracht dessen, was dem Publikum durch die VOD-Verwertung vorenthalten bleibt, hoffen wir ein Stückweit auch auf die letzte. Denn nicht umsonst wirbt das „Mitchells“-Plakat damit, der Film stamme von den „Spider-Man: A New Universe“– und „LEGO Movie“-Machern und kündigt damit ein einmal mehr voller visueller Spielereien steckendes Abenteuer an, das in den richtigen Momenten drei Gänge zurückschaltet, um das Herz dieser bezaubernden Familienodyssee freizulegen. Wie gern hätten wir das bloß im Kino gesehen!
Während die Lord-Miller-Combo „Die Mitchells gegen die Maschinen“ als Produzentenduo beaufsichtigte, zeichneten für Regie und Skript zwei Film-Newcomer verantwortlich. Trickkennern könnten Michael Rianda und Jeff Rowe bekannt sein; schrieben die beiden doch bereits Drehbücher zu zahlreichen Folgen der gefeierten Animationsserien „Willkommen in Gravity Falls“ und „Disenchantment“. Durch ihre vielen verqueren Meta-Spielereien und anarchischen Humoreinfälle konnten sich beide Formate eine breite (vorwiegend erwachsene!) Fanbase erarbeiten. Für „Die Mitchells gegen die Maschinen“ trifft ein vergleichbarer Comedy-Tonfall auf ebenjenen immensen kreativen Einfallsreichtum und eine Lord-Miller-typische, abwechslungsreiche Ästhetik mitsamt rührendem Storykern – das Beste aus „Willkommen in Gravity Falls“, „The LEGO Movie“ und „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“ (Lords und Millers Animationsdebüt), sozusagen. Und noch dazu ein gutes Stück nahbarer als sonst, denn mit der titelgebenden Familie Mitchell stehen diesmal weder verrückte Erfinder noch Superhelden im Zentrum des Geschehens, sondern ein Vater, eine Mutter, ihre beiden Kinder und ein Hund, die mit der immerwährenden (und unter anderem durch Technologie verursachten) Entfremdung voneinander zu kämpfen haben. Dass die große Tochter für ihr Studium auszieht und sich ihr sein „kleines Mädchen“ vermissender Vater wieder mehr familiäre Nähe wünscht, wiegt als Grundkonflikt deutlich schwerer als der Angriff der freidrehenden Roboter, sodass sich das Skript im Laufe der knapp zwei Stunden in den ruhigen Momenten immer wieder auf die Wichtigkeit dieses familiären Bands zurückbesinnt.
„Für „Die Mitchells gegen die Maschinen“ trifft ein vergleichbarer Comedy-Tonfall auf ebenjenen immensen kreativen Einfallsreichtum und eine Mord-Miller-typische, abwechslungsreiche Ästhetik mitsamt rührendem Storykern – das Beste aus „Willkommen in Gravity Falls“, „The LEGO Movie“ und „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“, sozusagen.“
Man möchte fast behaupten, „Die Mitchells gegen die Maschinen“ hätte ohne den sämtliche technischen Geräte miteinbeziehenden Roboter-Aufstand mindestens genauso gut funktioniert; Die Figurenzeichnung und Familiendynamik der Mitchells etwa sind schon für sich genommen ein Ereignis. Michael Rianda und Jeff Rowe entwerfen ein Vater-Mutter-Kinder-Gespann, das auf der einen Seite genügend nahbare Probleme und somit Identifikationspotenzial besitzt, während es gleichsam spleenig genug ist, um die Mitchells zu waschechten Unikaten zu machen – ohne sie dabei ausschließlich auf ihre Eigenheiten zu reduzieren. So ist die Älteste Katie nicht etwa bloß deshalb glühender Filmfan und Hobby-Regisseurin, weil sich damit im Laufe des Films ganz hervorragende Animationsspielereien anstellen lassen. Vor allem resultiert Katies Leidenschaft aus ihrem Außenseiterdasein; Die Kunst ist ihre Möglichkeit, sich der Welt mitzuteilen. Ein vielleicht längst zu Tode gerittenes Klischee, das die Macher:innen hinter „Die Mitchells gegen die Maschinen“ jedoch mit viel, viel Witz und Tempo zu entstauben wissen. Genauso wie den Stereotyp des nicht loslassen wollenden Vaters, der neidvoll zu den „perfekten Nachbarn“ herüberblickenden Mutter und Katies kleinem Bruder Aaron, der am liebsten bei wildfremden Menschen anruft, um mit ihnen am Telefon über Dinosaurier zu sprechen. „Die Mitchells gegen die Maschinen“ ist voll von Motiven, die einem im ersten Moment durchaus bekannt vorkommen. Doch oft vergehen nur wenige Sekunden, bis diese auf links gedreht werden.
Für die Bedrohung durch den Roboter-Aufstand gilt das dagegen nur bedingt. Die Idee von der sich gegen ihren Erfinder – den Menschen – richtenden Technologie fütterte nicht bloß die Netflix-Serie „Black Mirror“ bereits über fünf Staffeln lang mit neuem Stoff. Auch sonst laufen Geschichten über künstliche Intelligenzen nicht selten auf den ultimativen Kampf zwischen Mensch und Maschine hinaus. „Die Mitchells gegen die Maschinen“ macht da keine Ausnahme. Gleichwohl ist das Was hier weitaus weniger entscheidend als das Wie – und so ziehen Michael Rianda und Jeff Rowe die Absurditätsschraube in bester Lord-Miller-Manier immer fester an, bis im Kampf zwischen den Amok laufenden Staubsaugern, Smartphones und Furbys (!) gegen die letzten verbliebenden Menschen auf der Erde so ziemlich alles möglich scheint. Zum Beispiel, dass sich zwei beschädigte (und dadurch besonders dämliche) Roboter-Exemplare von den Mitchells abrichten lassen, um ab sofort auf der Seite der Menschen zu kämpfen. Für diese beiden Szenendiebe, die darüber hinaus stets daran scheitern, den schielenden Mops der Mitchell-Familie als Mops (und nicht etwa als Toastbrot!) zu erkenntn, wünscht man sich glatt ein Spin-Off oder mindestens eine Fortsetzung. Dass die Verantwortlichen hie und da jedoch auch auf im Familienkino durchaus abzählbare Plotpoints setzen, ist gewiss auch dem Genre geschuldet – man weiß einfach, dass die Mitchells nie in ernster Gefahr sind, die Welt vermutlich nicht endgültig untergehen wird und dass sich nicht bloß die Robokalypse abwenden, sondern auch noch die innerfamiliären Wogen durch das Abenteuer glätten lassen werden. Aus Sympathie für die Mitchell-Familie sehnt man sich dieses Happy End aber ohnehin herbei. Und der Weg dorthin ist schließlich mit derart vielen kreativen Ideen und Gags gespickt, dass die Konzentration vielmehr der Frage gilt, wie Rianda und Rowe auf all das gekommen sind und weniger jener, weshalb ihnen nichts Besseres eingefallen ist.
„Michael Rianda und Jeff Rowe ziehen die Absurditätsschraube in bester Lord-Miller-Manier immer fester an, bis im Kampf zwischen den Amok laufenden Staubsaugern, Smartphones und Furbys (!) gegen die letzten verbliebenden Menschen auf der Erde so ziemlich alles möglich scheint.“
Auch auf visueller Ebene toben sich die Macher:innen mächtig aus. Während der dreidimensionale CGI-Look am ehesten mit „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen 1 und 2“ vergleichbar ist, lassen die Kreativen immer wieder auch zweidimensionale Details und Realfilmausschnitte und -Fotos in das Design miteinfließen. Innerhalb der Mitchell-Family dient dies nicht selten dazu, die unterschiedlichen Charakterzüge und Vorlieben der Figuren hervorzuheben. In der zweiten Filmhälfte dagegen benötigt es ein derartiges optisches Freidrehen vor allem, um die unbegrenzten Möglichkeiten des Internets hervorzugeben. Denn so sehr „Die Mitchells gegen die Maschinen“ letztlich auch auf gleichermaßen amüsante als auch direkte Weise die sukzessive Abhängigkeit vom Internet, das Sammeln von Daten und das Übertragen von (zu viel) Verantwortung auf jedes mögliche Technikgadget auf die Schippe nimmt, so sehr gelingt es ihm, frei von Verklärung auch die positiven Seiten an der technisierten Welt hervorzuheben – und natürlich den Wert von Familie.
Fazit: Mit ihrem Filmdebüt „Die Mitchells gegen die Maschinen“ beginnen die Regisseure und Drehbuchautoren Michael Rianda und Jeff Rowe ihre Hollywoodkarriere auf den direkten Spuren der beiden hier als Produzenten fungierenden Komödianten Phil Lord und Chris Miller. Ihr actiongeladenes Familienabenteuer kombiniert aberwitzige, kreative Ideen, einen enormen Einfallsreichtum und jede Menge Herz.
„Die Mitchells gegen die Maschinen“ ist ab dem 30. April bei Netflix streambar.