Eiffel in Love

Sehr lose nach wahren Begebenheiten erzählt EIFFEL IN LOVE davon, wie eine Liebesbeziehung den Bau des Eiffelturms beeinflusst hat. Spannender Stoff. Und ob dieses fiktionalisierte Stück Historie überzeugt, verraten wir in unserer Kritik.

OT: Eiffel (FR/BEL/DE 2021)

Der Plot

Die Pariser Weltausstellung 1889 wirft ihre Schatten voraus. Die französische Regierung hat große Pläne: Sie möchte aus diesem Anlass das welthöchste Bauwerk errichten lassen. Ihr favorisierter Kandidat für den Entwurf dieses Rekordprojekts ist der gefeierte Ingenieur Gustave Eiffel (Romain Duris). Der Pragmatiker möchte aber eigentlich die Metro designen. Aber der Druck seines Umfelds und ein Wiedersehen mit seiner verloren geglaubten Jugendliebe Adrienne Bourgès (Emma Mackey) bewegen Eiffel zum Umdenken …

Kritik

Auf wahren Begebenheiten basierende, sich dabei jedoch viel künstlerische Freiheit erlaubende Historienfilme lassen sich unter anderem durch folgendes Schema abklopfen: Wenn während der fiktionalisierten, dramatisierten Geschichte die nur durch das von den Filmschaffenden geformte Storytelling und das Schauspiel vermittelten Emotionen packen, dann ist alles im Lot. Wenn aber nicht dieses Element glänzt, sondern es die im Laufe des Films immer wieder eingestreuten, nackten Fakten sind, die das Interesse an ihm aufrecht erhalten, dann ist die strenge Frage berechtigt: „Wieso schaue ich mir einen Spielfilm über dieses Thema an? Und nicht etwa eine Dokumentation?!“

Adrienne Bourgès (Emma Mackey) hat Gustave Eiffels Interesse geweckt.

Zumindest dem Verfasser dieser Zeilen ist genau dies während der Pressevorführung von „Eiffel in Love“ widerfahren. Die französische Produktion konzentriert sich auf das kaum bekannte, für die große Leinwand dramatisierte und aufgebauschte, Liebesleben des Ingenieurs Gustave Eiffel, ganz konkret auf eine Jugendliebe, die für ihn während der Planungs- und Bauphase des Pariser Wahrzeichens unerwarteterweise wieder eine Rolle spielte. Während dieser Kostümfilm-Romanze und sämtlicher Schwärmerei sowie zwischenmenschlicher Dramatik, die sie mitbringt, drängt allerdings sporadisch das Thema „Planung und Bau des Eiffelturms“ auf. Und je direkter und faktischer dieses Thema angepackt wird, desto größer wurde das Interesse am Film. Denn wie Drehbuchautorin Caroline Bongrand und die mit ihr für die Dialogbearbeitung verantwortlichen Thomas Bidegain, Martin Bourboulon, Natalie Carter und Martin Brossollet das Hintergrundwissen über den weltberühmte Meisterstück der Ingenieurskunst vermitteln, sprüht vor Begeisterung sowie Ehrfurcht vor dem geleisteten Können. Und es blitzt auch nerdiger Stolz darüber auf, dass so viele Hindernisse, die sich diesem Projekt in den Weg stellten, und die unternommenen Lösungsansätze weiterhin verbucht sind. Seien es Probleme hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit, Finanzierungsärgernisse oder menschliche Ambitionen, die heutzutage selbstredend sein sollten, es aber bekanntlich viel zu lange nicht wahren („Niemand stirbt auf meiner Baustelle!“)…

„Wie Drehbuchautorin Caroline Bongrand und die mit ihr für die Dialogbearbeitung verantwortlichen Thomas Bidegain, Martin Bourboulon, Natalie Carter und Martin Brossollet das Hintergrundwissen über den weltberühmte Meisterstück der Ingenieurskunst vermitteln, sprüht vor Begeisterung sowie Ehrfurcht vor dem geleisteten Können.“

Das mag kurzweilig sein, legt aber ein Grundproblem offen, das „Eiffel in Love“ plagt: Es ist nun mal keine Dokumentation über den Bau des Eiffelturms, so dass diese Informationen lediglich sporadisch über den Film verteilt sind. Wenn man sich aber ausgehungert auf diese Wissensbröckchen stürzt, wird deutlich, wie wenig der eigentliche Schwerpunkt des Films – die Romanze – zündet. Das liegt unter anderem daran, dass zwischen Romain Duris und Emma Mackey schlicht keine überzeugende Chemie entsteht – und das, obwohl Regisseur Martin Bourboulon („Mama gegen Papa“) eine relativ haptische, leidenschaftliche Sexszene inszeniert. Man merkt ihr an, dass es sich um eine französische Produktion handelt – US-Mainstream-Kostümfilme würden scheuer vorgehen und den Figuren nicht gestatten, ihre Finger vor lauter Verlangen derart tief ins Fleisch der jeweils anderen zu vergraben. Aber selbst diese Szene fällt letztlich flach, was neben der fehlenden Leinwandchemie auch an der platten, Pepp missen lassenden Kameraarbeit liegen dürfte.

Der Bau des Eiffelturms beginnt…

Das Skript ist ebenfalls hinderlich: Ihm ist eine Faszination für Eiffel als Ingenieur anzumerken – sein Pragmatismus, seine anfängliche Bescheidenheit (er verweist regelmäßig auf den Beitrag Anderer) und seine dem zuwiderlaufende, schwer zu bändigende Ambition. Der Privatmensch Eiffel bleibt dagegen in „Eiffel in Love“ ein Mysterium, das sich stets so verhält, wie es der Dramaturgie gefällt. Braucht es Spannung, ist er gerade destruktiv oder arrogant, braucht es eine versöhnliche Atempause, ist er aus heiterem Himmel einsichtig, bescheiden und offenherzig. Was die filmische Version von Adrienne Bourgès an ihm finden soll, und weshalb er so versessen auf sie ist, lässt sich nicht greifen. Dadurch sind die ganzen „Kriegen sie sich, oder kriegen sie sich nicht?“-Fragen uninteressant. Und die daraus entstehenden Spannungen, gesellschaftlicher Natur wie zwischenmenschlicher, ist Adrienne Bourgès doch offiziell mit einem wichtigen Geschäftspartner Eiffels zusammen, plätschern vor sich her. Da nutzt auch das stattliche Budget für Kostüme, detailreich ausgestattete Sets und recht nahtlose Integration von CG-Hintergründen wenig.

„‚Eiffel in Love‘ ist nun mal keine Dokumentation über den Bau des Eiffelturms, so dass diese Informationen lediglich sporadisch über den Film verteilt sind.“

Eine herausragende Szene hat diese von Alexandre Desplat mit einem funktionalen, griffigen, die romantische Seite des Films allerdings nicht stärkenden, Score versehene Produktion dennoch zu bieten: Die Fertigstellung des ersten Stocks des Eiffelturms, bei der in schwindelerregender Höhe mittels waghalsiger Balance, minutiös eingesetzten mechanischen Tricks und genauen Berechnungen das Vereinen der bislang für sich stehenden Elemente nahtlos umgesetzt werden soll. Bourboulon inszeniert auf einmal wie befreit, die Kamera schwebt durch das Geschehen, praktische und digitale Elemente greifen sehr gut ineinander, um die immersive Illusion zu erzeugen, man würde diesem Moment wirklich beiwohnen … Und die innere Dramaturgie der Szene ist so ausgefeilt, sie könnte ein für sich stehender Kurzfilm sein. Schade, dass der Rest des Films damit nicht mithalten kann.

Fazit: „Eiffel in Love“ streut so manche packende Information über den Bau des Eiffelturms in eine blutleer, ohne sprühende Funken erzählte, dramaturgisch aufgebauschte Romanze.

„Eiffel in Love“ ist ab dem 18. November 2021 in deutschen Kinos zu sehen.

 

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