The Last Duel

#MeToo im Mittelalter: Vielfilmer Ridley Scott begibt sich mit THE LAST DUEL zurück zu seinen epochalen Historienfilmwurzeln und inszeniert ein Skript von Ben Affleck und Matt Damon, das klassischer und gleichzeitig aktueller kaum sein könnte. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: The Last Duel

Der Plot

Frankreich, 1386: Das Land ist von der Gewalt und den Verwüstungen des Hundertjährigen Krieges gezeichnet. Jean de Carrouges (Matt Damon) ist ein angesehener Ritter aus der Normandie, adeligen Geblüts und berühmt für seine Tapferkeit. Sein Freund Jacques Le Gris (Adam Driver), Sohn eines normannischen Gutsherrn, ist ein Knappe und dank seiner Intelligenz und Eloquenz einer der angesehensten Adeligen bei Hofe. Als Graf Pierre d’Alençon (Ben Affleck), Le Gris bei einem erbitterten Grundstücksstreit beisteht, steigt Le Gris’ Status, sehr zum Missfallen von Carrouges. Ihre Beziehung verschlechtert sich noch mehr als Pierre Le Gris zu seinem Verwalter ernennt, und Carrouges’ Narzissmus und rücksichtsloses Verhalten dazu führen, dass er des Hofes verwiesen wird. Doch Carrouges lässt sich von dieser Ungerechtigkeit nicht entmutigen und heiratet Marguerite (Jodie Comer), die schöne, kluge und willensstarke Tochter von Sir Robert de Thibouville (Nathaniel Parker). Ein Jahr später stellt Carrouges Le Gris seine Frau vor, und die beiden Männer kommen überein, ihre Konflikte zu begraben. Als Carrouges, der weiter für sein Land kämpft, nach einer besonders schmerzlichen Niederlage heimkehrt, erfährt er, dass Marguerite von Le Gris brutal attackiert wurde, was dieser jedoch abstreitet. Marguerite weigert sich zu schweigen und erhebt ihre Stimme, um ihren Angreifer anzuklagen – ein Akt der Tapferkeit und des Widerstandes, mit dem sie ihr Leben aufs Spiel setzt…

Kritik

Als im Dezember des vergangenen Jahres in den USA, und im August 2021 in Deutschland Emmerald Fennells oscarprämiertes Rachethrillerdrama „Promising Young Woman“ in den Kinos erschien, war zum Thema Misogynie in der Gegenwart vermeintlich alles gesagt. Dann eröffnete der normalerweise eher für launige Stoffe zuständige Edgar Wright in „Last Night in Soho“ (deutscher Release am 11. November) das Tor vom Hier und Heute in die Vergangenheit und knüpfte Verbindungen zwischen strukturellem Sexismus im 21. Jahrhundert und den vermeintlich schillernden Sechzigerjahren. Die „Can You Ever Forgive Me?“-Autorin Judith Holofcener schnappte sich für ihr Skript zum Mittelalterepos das nach „Good Will Hunting“ zum zweiten Mal zusammenarbeitende Autorenduo aus Matt Damon („Der Marsianer – Rettet Mark Watney“) und Ben Affleck („Gone Girl – Das perfekte Opfer“) und geht mit ihnen auf Basis einer wahren Geschichte – jener, um das letzte in Frankreich ausgetragene Ritterduell auf Leben und Tod – noch einmal viele, viele Schritte zurück in der Historie und zeigt in dem aus drei verschiedenen Erzählperspektiven aufgezogenen „The Last Duel“: Viele Probleme von heute gab es nicht bloß schon in den Sechzigerjahren; Die an vielen Stellen mittlerweile endlich aufbrechende, strukturelle Unterdrückung der Frau hat ihre Wurzeln noch viel, viel früher. Und eine gewisse Idiotie darin ist ebenfalls kein Phänomen der Gegenwart.

Matt Damon als Jean de Carrouges und Adam Driver als Jacques Le Gris, ehemals gute Freunde und spätere Rivalen.

Für den Regieposten bei „The Last Duel“ wurde mit Vielfilmer Ridley Scott ein Regisseur verpflichtet, dessen Vita der verstärkten Wahrnehmung der Frau in Big-Budget-Produktionen schon immer einen großen Dienst erwiesen hat. Bereits in den späten Siebzigerjahren schuf er mit Ripley in „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ eine Genre-Heroin für die Ewigkeit. 1997 stellte er in dem zugegebenermaßen schlecht gealterten „Die Akte Jane“ Jordan O’Neil, einen weiblichen Lieutenant bei der US Navy, in den Fokus. Und auch in seinem umstrittenen Thriller „The Counselor“, den viel gescholtenen „Alien“-Nachfolgern „Prometheus“ und „Covenant“ sowie der Bestsellerverfilmung „Der Marsianer“ waren Frauenfiguren nie nur Staffage, sondern elementare Bestandteile starker Geschichten. Gleichwohl ist Scott auch der Mann, wenn es darum geht, wuchtiges, testosterongeladenes Historienkino zu inszenieren. In „The Last Duel“ treffen diese beiden Eigenschaften nun aufeinander; Und mit ihnen drei erzählerische Standpunkte, denen Scott respektive die Autor:innen in den üppigen 152 Minuten Laufzeit gleichermaßen viel Aufmerksamkeit schenken. Diese Aufteilung in drei Kapitel macht den Film insgesamt kurzweilig, richtet ihn aber auch von Anfang an auf eine klare Position aus. Eingeleitet mit einer Texttafel, wessen subjektive Wahrnehmung wir in den kommenden Minuten verfolgen werden („Die Wahrheit aus der Sicht von Jean de Carrouges“, „Die Wahrheit aus der Sicht von Jacques Le Gris“ und „Die Wahrheit aus der Sicht von Lady Marguerite“ in dieser Reihenfolge), bleibt der Terminus „Die Wahrheit“ im letzten Drittel deutlich länger stehen, während der Name bereits verblasst ist. Keine Frage: „The Last Duel“ erzählt klar und deutlich von einem keinerlei Unklarheiten offenlassenden Vergewaltigungsfall.

„Die erzählerische Aufteilung in drei Kapitel macht den Film insgesamt kurzweilig, richtet ihn aber auch von Anfang an auf eine klare Position aus.“

Dass die Macher:innen diesen Weg gehen, ist sicher vor allem der Tatsache geschuldet, dass einem Film wie „The Last Duel“ schon aufgrund seines Themas dieser Tage wesentlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als noch vor einigen Jahren. Und dann ist da ja auch noch das sichtbar hohe Budget (derzeit lassen sich noch keine genauen Angaben über die Produktionskosten des Films recherchieren), einhergehend mit dem Starcast rund um Matt Damon, Ben Affleck, Adam Driver („The Report“) und Jodie Comer („Free Guy“), der aus „The Last Duel“ keine kleine, der breiten Masse wohl weitestgehend verborgen bleibende Fingerübung macht, sondern eine Produktion mit Blockbuster-Ausmaßen. Dass man da auf allzu große Widerhaken verzichtet, ist nachvollziehbar. Und letztlich stellt sich ja auch die Frage danach, mit welchem Nachdruck (oder eben fehlender Subtilität) ein solcher Fall überhaupt erzählt werden muss, wenn die Fakten so klar auf der Hand liegen. Dass Scott bei der Darstellung der verschiedenen Erzählstränge indes vollständig auf einen Wechsel in der Tonalität verzichtet, ist dagegen schade. Hätte es dem erzählerischen Anliegen aller drei Figuren doch noch mehr Nachdruck verleihen können, hätten sich in ihrer Sichtweise nicht bloß vereinzelte Details im Umgang mit den beiden anderen Parteien anders dargestellt, sondern auch der Blick auf ihr Umfeld an sich. Dafür ist das Einfangen der so wichtigen Kleinigkeiten umso mehr gelungen. Manchmal ist es bloß eine winzige Nuance bei einem Kuss, die zeigt: Während Lady Marguerite ihn als aufdringlich wahrnimmt, sieht Jacques Le Gris darin eine erotische Provokation und für Jean de Carrouges spielt er als damalige Höflichkeitsgeste sogar gar keine Rolle. Dasselbe gilt bei der Schilderung, wie stark (respektive ob überhaupt) sich die Frau bei dem gewaltsamen Übergriff gewährt hat oder inwiefern Jean de Carrouges seiner Frau tatsächlich umgehend beigestanden hat, nachdem diese ihm von dem Vorfall berichtet.

Marguerite de Carrouges (Jodie Comer) kämpft nicht nur für sich, sondern auch für die Frauen.

Dass „The Last Duel“ seinen erzählerischen Reiz vor allem aus den winzigen, zwischenmenschlichen Nuancen zieht, steht in einem interessanten Kontrast zu einer ansonsten von Ridley Scott gewohnt opulenten Inszenierung der Kriegsschauplätze (Kamera: Dariusz Wolski, „Neues aus der Welt“), die insbesondere im ersten, aus Jean de Carrouges Perspektive erzählten Kapitel mehr Raum einnimmt als es für die Geschichte und Charakterbildung der Figur nötig wäre. Hier wird man den Eindruck nicht los, Scott könne einfach nicht anders als sich in einem Mittelaltersetting so richtig auszutoben. Und auch wenn sich die zweieinhalb Stunden insgesamt kaum ziehen, ließe sich „The Last Duel“ locker um eine halbe Stunde kürzen, würde man die inhaltlich irrelevanten Schlachten auf das Notwendigste reduzieren. Gleichwohl blieben einem dann einige besonders martialische Momente vorenthalten, die die allgegenwärtige (und ausschließlich von Männern angewandte) Brutalität in der damaligen Zeit kaum besser repräsentieren könnten. In der ersten Filmhälfte gibt uns Scott mit Blutfontänen, abgetrennten Gliedmaßen und in Detailaufnahme in Körper gewuchteten Schwertern einen Vorgeschmack auf das, was er schließlich im finalen Duell an Gewalt abfeuert. Nichts davon wohnt irgendeine Verklärung des heldenhaften Rittertums inne. Wenn sich Matt Damon und Adam Driver hier zu Pferde bekriegen, dann ist klar, dass nicht nur die Vierbeiner diesen Kampf mit dem Leben bezahlen müssen, sondern auch einer von den beiden Reitern. Und auch wenn der Sieger schließlich wie ein Heroe gefeiert wird, so machen die zweieinhalb Stunden zuvor doch sehr deutlich, was für einem Paradoxon die Bevölkerung in damaligen Zeiten aufgesessen war, wenn sich all das Gemetzel nur deshalb abspielt, weil das Patriarchat den Missbrauchsschilderungen einer Frau keinen Glauben geschenkt hat.

„In der ersten Filmhälfte gibt uns Scott mit Blutfontänen, abgetrennten Gliedmaßen und in Detailaufnahme in Körper gewuchteten Schwertern einen Vorgeschmack auf das, was er schließlich im finalen Duell an Gewalt abfeuert.“

Dass die stärkste Schauspielleistung von der zierlichen Jodie Comer ausgeht, versteht sich da fast von selbst; Einfach, weil ihre Rolle jene ist, die die meiste Subtilität in der Darstellung erfordert. Wie hier das Unterwerfen den damaligen Regeln am Hofe und in der Gesellschaft auf das Einstehen für das Individuum Frau prallen, macht Comer mit ihrem herausragend-differenzierten Spiel greifbar und umgeht dabei geschickt die simple Emotion des Mitleids. Selbst Drehbuchsätze, die allzu offensichtlich Verbindungen in die Gegenwart herstellen sollen, hier im Kontext allerdings gestellt wirken, bringt die gebürtige Britin noch immer mit aufrichtigem Anstand rüber. Nur hin und wieder – aber nie in gemeinsamen Szenen – stiehlt ihr ein wasserstofferblondeter Ben Affleck als ein ausschweifendes Leben in Orgien und Alkohol lebender Graf Pierre d’Alençon die Show, der die Idiotie diverser gesellschaftlicher Normen an der Grenze zum Overacting hervorragend unterstreicht.

Fazit: „The Last Duel“ ist ein wuchtiges Mittelalterepos ohne verklärende Romantisierung des Rittertums, dessen Reiz daraus entsteht, dass eine mit sehr subtilen Mitteln erzählte Geschichte rund um einen realen Missbrauchsfall auf martialisches Kampfkino prallen – und am Ende doch das Drama der Story die Oberhand gewinnt.

„The Last Duel“ ist ab dem 15. Oktober 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.

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