Can You Ever Forgive Me?

Melissa McCarthy ist durch ihre Auftritte in teilweise sehr krassen Slapstick-Komödien wie „Brautalarm“ oder „Tammy – Voll abgefahren“ weltbekannt geworden. Im Bio-Pic CAN YOU EVER FORGIVE ME? spielt sie nun ihre bisher dramatischste Rolle. Wie sich die Schauspielerin dabei geschlagen hat, verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

New York, Anfang der 1990er: Einst war Lee Israel (Melissa McCarthy) eine erfolgreiche, anerkannte Journalistin und Biografin. Zuletzt blieben allerdings die Aufträge aus. Eine deftige Schreibblockade sowie ihr daran nicht ganz unschuldiger, bedenklich fortschreitender Alkoholismus verschlimmern die Situation und bringen sie mehr und mehr in finanzielle Bedrängnis. Die Miete für ihre heruntergekommene Ein-Zimmer-Wohnung ist bereits seit Monaten überfällig und jetzt benötigt das geliebte Katzenvieh auch noch eine lebenswichtige OP. Lee braucht dringend Geld. Deshalb beginnt sie, ihr letztes Hab und Gut zu versetzen. Beim Verkauf einer schriftlichen Nachricht, die sie einst von Katherine Hepburn erhalten hatte, erfährt sie, dass es offenbar eine florierende Sammlerszene gibt. Deren Mitglieder sind bereit, erstaunliche Summen für die private Korrespondenz verstorbener Prominenter zu zahlen. Lee wittert ihre Chance, endlich wieder an Bares zu kommen. Sie beginnt Briefe von Leuten wie Noel Coward oder Marlene Dietrich zu fälschen und bietet diese gemeinsam mit ihrem Bekannten, dem exzentrischen Drogendealer Jack (Richard E. Grant), bei Auktionshäusern an. Zunächst funktioniert der Trick erstaunlich gut. Doch dann wird das Duo übermütig und stiehlt zusätzlich echte Briefe und Notizen historischer Persönlichkeiten aus Bibliotheken, um diese ebenfalls zu verramschen. So wird schließlich das FBI auf den Plan gerufen…

Kritik

Sie kann es also doch auch ernsthaft. Nachdem Melissa McCarthy („The Happytime Murders“) eine erstaunliche Karriere mit fast durchgehend krassen Comedys voller teils reichlich ekligem Toilettenhumor hingelegt hat, präsentiert sie sich hier in ihrer bisher seriösesten Hauptrolle – noch dazu als eine reale Person. Dabei schlägt sich die Amerikanerin, die längst zu den populärsten und bestbezahlten Schauspielerinnen der Dekade aufgestiegen ist,  großartig. McCarthy zeigt viel Einfühlungsvermögen und Mut bei der Darstellung der nicht immer nur positiven, sympathischen Seiten der 2014, im Alter von 75 Jahren verstorbenen New Yorkerin Lee Israel. Der Film basiert auf Israels 2008 veröffentlichter Autobiografie „Can You Ever Forgive Me?: Memoirs Of A Literary Forger“. Das fünfzehn Jahre nach ihrer Verurteilung zu sechs Monaten Hausarrest plus fünf Jahren Bewährung veröffentlichte Buch avancierte in den USA zum Bestseller. Dabei sorgte der Band für einiges Aufsehen, da Israel durch dessen Verkauf ein zweites Mal von ihren früheren Verbrechen und den geschätzt 400 von ihr produzierten Fälschungen profitierte.

Lee Israel (Melissa McCarthy) versucht, die gefälschten Briefe in Antiquitätenläden zu verkaufen. Mit Erfolg!

Für McCarthy wurde der Film zu einer Herzensangelegenheit, nachdem sie eher durch Zufall überhaupt von der kuriosen Geschichte der Fälschungen erfahren hatte. Ihr Ehemann Ben Falcone, der die Regie bei ihren Slapstick-Hits „The Boss – Dick im Geschäft“ und „How To Party With Mom“ führte, hatte einen Job als Nebendarsteller in einem früheren Versuch, das Buch zu verfilmen, erhalten. Damals war Oscar-Gewinnerin Julianne Moore („Still Alice – Mein Leben ohne Gestern“) für die Hauptrolle vorgesehen. Doch aus unterschiedlichsten Gründen wurde der Film dann nicht realisiert. McCarthy war von Nicole Holofceners („Genug gesagt“) Drehbuch und dessen Protagonistin allerdings dermaßen fasziniert, dass sie die Produzenten, die das Projekt schon endgültig aufgeben wollten, überredete, es wieder aufzunehmen und sie in der Hauptrolle zu besetzen. Was McCarthy an dieser besonders reizte war, dass Israel eben keine perfekte Frau war, sondern ein vielschichtiger Charakter mit guten und schlechten Eigenschaften, mit positiven Qualitäten, aber auch massiven Fehlern und einer dunklen Seite. All diese Elemente stellt sie in der durchaus diverse kleine bis große Lacher generierenden Inszenierung von Regisseurin Marielle Heller („The Diary Of A Teenage Girl“) mit viel Leidenschaft und Können dar.

Im fertigen Film ist Ben Falcone übrigens doch noch in der ihm bereits in der vorherigen, unvollendeten Inkarnation angebotenen Rolle als einer von Lees Betrugsopfern zu sehen. Den Part von Lees Freund und Komplize Jack Hock spielt Richard E. Grant („Logan – The Wolverine“, „Withnail & I“) mit der von ihm schon lange perfektionierten Mischung aus Charme, Undurchsichtigkeit und leichter Creepiness. Der Brite unterstreicht erneut den Eindruck, dass er in letzter Zeit einfach viel zu selten auf der großen Leinwand zu sehen war. Die besten Szenen des aufgrund seiner grau-stichigen Farbgebung und der hervorragenden Ausstattung passenderweise oft im Stile eines 90er-Arthouse-Streifens rüberkommenden Films bleiben dann aber doch seinem Star vorbehalten. Es ist einfach brillant und ausgesprochen unterhaltsam, wie die Momente, in denen sich Lee ihre dreisten Fälschungen ausdenkt und diese in die Tat umsetzt, von Heller und McCarthy realisiert wurden. An diesen Stellen wird klar gemacht, welch einfallsreiche, witzige und geistreiche Autorin Israel hätte werden und sein können, hätte sie ihr Talent nicht ihrer kriminellen, sondern der rein kreativen Ader zugeführt.

In Jack (Richard E. Grant) findet Lee einen guten Freund.

Berührend, fast schon herzzerreißend sind zudem die Augenblicke mit Dolly Wells („Liebe zu Besuch“), die eine Buchhändlerin und weitere Abnehmerin der getürkten Briefe spielt. Hier deutet sich klares Potenzial für eine schöne Freundschaft oder sogar mehr zwischen den beiden Frauen an. Das wird von der Hauptfigur allerdings verschenkt, weil sie zwischenmenschliche Kontakte und ihr privates Glück gnadenlos dem Streben nach ein paar schnellverdienten Dollars unterordnet. Ein Fehler, den sie am Ende zumindest vor sich selbst einräumen muss und offenbar bereut. Spätestens jetzt ist es dem Zuschauer unmöglich, diese Frau – trotz ihrer Taten und Charakterdefizite – nicht ins Herz zu schließen und ihr sogar (oder gerade!), nachdem sie längst überführt und verurteilt wurde, weiterhin die Daumen zu drücken.

Fazit: Mit Leidenschaft und Können begeistert Melissa McCarthy in diesem als Dramedy inszenierten Bio-Pic und wurde dafür völlig zu Recht für den Oscar nominiert. Der Film berührt, bringt uns aber auch zum Lachen und bietet außerdem noch den immer wunderbaren, immer unterhaltsamen Richard E. Grant. Mehr geht kaum.

„Can You Ever Forgive Me?“ ist ab dem 21. Februar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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