Der Exorzist: Bekenntnis

Fünfzig Jahre nach dem Original hängt „Halloween“-Regisseur David Gordon Green eine Fortsetzung an William Friedkins Horror-Klassiker „Der Exorzist“. In DER EXORZIST: BEKENNTNIS stecken viele gute Ideen – in Ansätzen. Denn leider setzt sich der Film vollends zwischen die Stühle und vertraut auf Hysterie anstatt auf Atmosphäre.

OT: The Exorcist: Believer (USA 2023)

Darum geht’s

Seit dem Tod seiner Frau vor dreizehn Jahren zieht Victor Fielding (Leslie Odom Jr.) die gemeinsame Tochter Angela (Lidya Jewett) allein groß. Als Angela mit ihrer Freundin Katherine (Olivia O’Neill) nach tagelangem Verschwinden im Wald zurückkehrt, ohne sich an irgendetwas erinnern zu können, wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die Victor zwingt, sich dem abgrundtief Bösen zu stellen. Getrieben von Entsetzen und Verzweiflung, sucht er die einzige lebende Person auf, die selbst solch ein Erlebnis durchlitten hat: Chris MacNeil (Ellen Burstyn).

Kritik

Nachdem „Ananas Express“-Regisseur David Gordon Green eine Zeitlang im Comedy-, später jedoch vorwiegend im Indie-Drama-Bereich Fuß zu fassen wusste, schien er in den Blumhouse Productions seine neue Heimat gefunden zu haben. Als alles andere als naheliegende Wahl beauftragte ihn das für kostengünstige (und oftmals immens erfolgreiche) Genreproduktionen bekannte Studio 2018 mit der Reanimation des „Halloween“-Franchises, das in den Folgenjahren zu einer von Anfang an als solche geplante Trilogie heranwuchs. Bei Fans kam das Projekt, diplomatisch ausgedrückt, gemischt an. Insbesondere der finale Teil „Halloween Ends“ entwickelte sich im vergangenen Jahr zu einem der am kontroversesten diskutierten Horrorfilme jüngerer Geschichte, der sich durch einen auffällig aggressiven Diskurs in den sozialen Netzwerken auszeichnete. Die Kritik nahm ihn derweil durchschnittlich auf. Der Erfolg der dreiteiligen „Halloween“-Neuauflage ließ sich indes nicht von der Hand weisen. Und so wundert es jetzt überhaupt nicht mehr, dass Blumhouse Green sogleich mit der nächsten Wiederbelebung eines Horrorklassikers beauftragte: William Friedkins „Der Exorzist“ von 1973, der seinerzeit als „meistschockierender Film aller Zeiten“ galt. Bis heute funktioniert die Geschichte das vom Teufel besessene Mädchen Megan und die Sinnkrise eines abtrünnigen Priesters, die Megans verzweifelte Mutter in größter Not zusammenführt. In seiner bedächtigen Dramaerzählung, bloß zeitweise unterbrochen von einigen durchaus harten Bodyhorror-Effekten, erinnert „Der Exorzist“ heutzutage eher an einen Beitrag des sogenannten Elevated Horror. Ließe sich der Film doch auch als sehr drastische Pubertätsparabel lesen.

Sorenne Fielding (Tracey Graves) und Victor Fielding (Leslie Odom, Jr.) werden im Urlaub brutal auseinandergerissen.

Infolge von „Der Exorzist“ kamen bis heute zahlreiche themenverwandte Filme auf den Markt. Manche davon versuchten sich an einem neuen Ansatz. Zum Beispiel bettete Scott Derrickson seinen „Der Exorzismus von Emily Rose“ in ein Gerichtsdrama ein, während „Der letzte Exorzismus“ die Thematik als Found-Footage-Film aufzog. Ob man es nun mochte oder nicht: David Gordon Green war es gelungen, der Horrorikone Michael Meyers neue Facetten zu verleihen, bevor er sie anschließend auf brachiale Weise zu Grabe trug. So jemandem das „Exorzist“-Franchise anzuvertrauen, scheint auf den ersten Blick keine schlechte Idee, um auch dem Exorzismus-Genre frischen Wind zu verleihen. Und tatsächlich hat „Der Exorzist: Bekenntnis“ das ein oder andere Detail, das zu gefallen weiß. Zum Beispiel die „Doppel-Besessenheit“; Hier stehen tatsächlich zwei junge Mädchen im Zentrum, denen zeitgleich in einer Zeremonie das Böse ausgetrieben werden muss. Auch die Herangehensweise, das Thema Religion aufzutrennen und als glaubensübergreifenden Verbund des Zusammenhalts aufzufassen, anstatt bloß einen Anführer – üblicherweise den Priester – mit seinem Gottglaube gegen die dämonische Kraft antreten zu lassen, ist interessant. Darüber hinaus bringt, wie im aktuellen Legacyquel-Trend so üblich, auch diese Fortsetzung eine alte Bekannte zurück und lässt Ellen Burstyn noch einmal in ihrer ikonischen Mutterrolle auftreten. Doch all diese Dinge bleiben in „Der Exorzist: Bekenntnis“ in ihren Ansätzen stecken. Stattdessen verlässt sich Green mehr denn je auf Jumpscares, indem er keine Gelegenheit auslässt, um die Tonspur bis zum Anschlag aufzudrehen, bevor sich sein Film in einem hysterischen Finale verliert sowie Ellen Burstyns Bedeutung für das Franchise regelrecht ad absurdum führt.

„David Gordon Green war es gelungen, der Horrorikone Michael Meyers neue Facetten zu verleihen, bevor er sie anschließend auf brachiale Weise zu Grabe trug. So jemandem das ‚Exorzist‘-Franchise anzuvertrauen, scheint auf den ersten Blick keine schlechte Idee, um auch dem Exorzismus-Genre frischen Wind zu verleihen.“

Auch ohne klare Kapitelstruktur lässt sich „Der Exorzist: Bekenntnis“ in vier Akte einteilen. Vielleicht auch in Anlehnung an das Original beginnt der Film fernab vom späteren Handlungsort. Damals war es eine archäologische Ausgrabungsstätte im Irak, hier ist es die Dominikanische Republik, die das Setting für den Prolog bildet – und diesmal nicht die Vorgeschichte des Geistlichen, sondern die des Elternteils erzählt, das später den Part übernehmt, den ursprünglich Ellen Burstyn innehatte. Der Vater der besessenen Angela muss durch den Unfalltod seiner Frau das Schicksal des alleinerziehenden, verwitweten Vaters annehmen, was Broadway-Star Leslie Odon Jr. („Hamilton“) mit angemessener Zerrissenheit verkörpert. Auf der einen Seite möchte er als starker Vater für seine Tochter da sein, auf der anderen Seite hadert er mit seiner Trauer, was gen Ende noch wichtig werden wird, wenn der Film weitere Einzelheiten zum Ableben seiner Ehefrau offenbart. Nach dem Prolog folgt eine kurze Phase der Idylle, die das liebevolle Verhältnis zwischen Vater und Tochter etabliert. Die Vermisstenphase, in der nun auch Angelas Freundin Katherine aufs Parkett tritt, besitzt in den besten Momenten Anleihen an „Prisoners“. Insbesondere dann, wenn das Skript der insgesamt fünf (!) Autoren die unterschiedlichen Arten von Wut und Trauer beider Elternkonstellationen herausarbeitet, wäre eine interessante Erzählgrundlage gefunden. Leider bleibt auch dieser Ansatz in den Anfängen stecken. Das rund ein Viertel der ohnehin üppigen Gesamtlaufzeit von zwei Stunden einnehmende Finale spult schließlich den altbewährten Exorzismus-Spuk ab. Nur diesmal eben mit zwei Mädchen im Mittelpunkt sowie einer alles andere als abgeklärten Gruppe von Exorzist:innen, die weniger mit religiösem Eifer als vielmehr durch den Zusammenhalt ihrer Gruppe den Teufel auszutreiben versuchen.

Der verzweifelte Vater zieht eine alte Bekannte zurate: Chris MacNeil (Ellen Burstyn).

In sämtlichen Abschnitten des insgesamt ordentlich inszenierten, bisweilen jedoch arg hektisch geschnittenen „Der Exorzist: Bekenntnis“ gibt es Motive und Ideen mit Wiedererkennungswert. Etwa die synchron schlagenden Herzen der beiden Mädchen oder die auch auf dem Hauptplakat zum Film abgebildete Szene der besessenen Katherine, die in einem Gottesdienst für Aufruhr sorgt. All das gerät jedoch in den Hintergrund einer allzu reißerischen Inszenierung, die Green seinem Film im Minutentakt wie einen Knüppel zwischen die Beine haut. Allen voran die Szenenübergänge nutzen die Macher:innen, um grundlos den Sound aufzudrehen. Da beginnt eine neue Szene etwa völlig ohne Hintersinn direkt an einer Baustelle, auf der gerade Arbeiter mit einem lärmenden Schlagbohrer unterwegs sind. Lautstark kämpfende Hunde, zuschlagende Türen, aggressive Schlagen – nichts davon erfüllt irgendeinen größeren Zweck, als das Publikum regelmäßig zusammenzucken zu lassen, wohingegen naheliegende Jumpscares wiederum liegengelassen werden. Das wirkt dann fast schon wie die Trotzreaktion eines Regisseurs, der die Horrorfilm als Geisterbahn-Sehgewohnheiten seiner Zuschauer:innen auf die Spitze treiben will. Nur ist „Der Exorzist: Bekenntnis“ eben kein „Scream 5“ und die Aneinanderreihung von Schockmomenten in dieser Willkür kein Kommentar – sondern einfach nur das: Willkür. Dabei würde der Film gerade ohne diesen Budenzauber so viel besser funktionieren.

„Apropos Budenzauber: Als vielmehr lässt sich auch der kurze Auftritt von Ellen Burstyn in ihrer Legacy-Rolle der Chris MacNeil nicht bezeichnen.“

Apropos Budenzauber: Als vielmehr lässt sich auch der kurze Auftritt von Ellen Burstyn („Requiem for a Dream“) in ihrer Legacy-Rolle der Chris MacNeil nicht bezeichnen. Hatte Jamie Lee Curtis auch in der 2018er-„Halloween“-Saga noch die gewichtigste Rolle des gleichermaßen weiterentwickelten als auch tief traumatisierten Final Girls inne, wird Burstyn in „Der Exorzist: Bekenntnis“ allenfalls zur Stichwort-Geberin degradiert. Anschließend schiebt sie das Drehbuch so ungalant auf das Abstellgleis wie Curtis in „Halloween Kills“, die darin dazu verdammt war, das Krankenbett zu hüten. Das ist zum einen so tragisch, weil Burstyns wenige Minuten dem Film eine so viel größere Gravitas verleihen als sie sämtliche anderen Szenen besitzen. Ihr Wegfall führt einem aber auch nochmal mehr vor Augen, wie schwach die hier im Zentrum stehenden Hauptfiguren im Vergleich zu ihr geschrieben sind. Darüber hinaus hätte es Burstyn – rein für den Verlauf der Story – gar nicht benötigt. Ihr Miteinbezug in „Der Exorzist: Bekenntnis“ wirkt daher umso stärker wie ein im Jahr 2023 eben notwendiger, aber überhaupt nicht durchdachter Fanservice. Da stellt sich erst recht die Frage, weshalb der Film in seiner Machart so weit vom Original entfernt ist, dass dessen Liebhaber:innen an der Fortsetzung kaum ihre Freude haben werden. Während die anvisierte Zielgruppe der eher jüngeren Adrenalinjunkies mit Burstyns Auftritt gar nichts anfangen können wird.

Fazit: „Der Exorzist: Bekenntnis“ setzt sich in allen Belangen zwischen die Stühle, verschenkt den Auftritt der Legacy-Rückkehrerin Ellen Burstyn und verlässt sich mehr auf eine ohrenbetäubende Jumpscare-Party als auf die zwischendurch durchaus atmosphärischen Bilder.

„Der Exorzist: Bekenntnis“ ist ab dem 5. Oktober 2023 in den deutschen Kinos zu sehen.

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