Knock Knock Knock

Dass mit Klischees gespielt wird, ist im Horrorfilm mittlerweile fast selbst ein Klischee. Doch der Gruselfilm KNOCK KNOCK KNOCK nimmt sich dieser Aufgabe in Gänze ohne Augenzwinkern an und entwirft ein Szenario, das durch seine überraschenden Entwicklungen und Turnarounds jedwede Berechenbarkeit verliert und im Genre dadurch plötzlich ungewohnt dramatische Töne anschlägt.

OT: Cobweb (USA/BUL 2023)

Darum geht’s

Nacht für Nacht fürchtet sich der achtjährige Peter (Woody Norman) vor unheimlichen Klopfgeräuschen hinter seiner Kinderzimmerwand. Seine Eltern Carol (Lizzy Caplan) und Mark (Antony Starr) nehmen die Ängste ihres Sohnes nicht ernst. Er habe eben eine blühende Fantasie. Auch in der Schule hat es der Junge nicht leicht und wird immer wieder von älteren Mitschülern gemobbt. Ein wenig Halt findet er lediglich in seiner engagierten Aushilfslehrerin Miss Devine (Cleopatra Coleman), die spürt, dass mit Peter etwas nicht stimmt – und das nicht nur, weil dieser im Unterricht unheimliche Bilder malt… Ihr Versuch, Zugang zu den Eltern aufzubauen schlägt genauso viel wie Peters, endlich von ihnen gehört zu werden. Die Situation wird schon ganz bald eskalieren…

Kritik

Vor Kurzem sorgte die Neuinterpretation der Teenage Mutant Ninja Turtles weltweit für positives Aufsehen. Ein allzu großer Hit wurde sie (noch) nicht – sicherlich auch dem Fahrwasser des „Barbenheimer“-Phänomens geschuldet. Bei Kritikerinnen und Kritikern dagegen kam „Mutant Mayhem“ derweil sehr gut an. Was hat nun das Animationsabenteuer rund um die vier mutierten Kampfsport-Schildkröten und ihren Mentor Splinter mit der Horrorproduktion „Knock Knock Knock“ zu tun – außer dass beide Filme in ihrer Blase einen gewissen Hype generieren konnten? Die Antwort lautet: Seth Rogen und Evan Goldberg. Das normalerweise eher für Comedyproduktionen bekannte Schreiberduo fungierte bei beiden Filmen als Produzenten; bei „Teenage Mutant Ninja Turtles: Mutant Mayhem“ zudem als Drehbuchautoren. Und tatsächlich ist diese Parallele auch nur auf den ersten Blick verwunderlich. Rogen und Goldberg sind auf Regie- und Autorenebene vorwiegend für derbe „Erwachsenencomedy“ („Bad Neighbors“, „Die highligen drei Könige“, „The Interview“…) bekannt. Als Produzenten sind sie derweil experimentierfreudiger, haben unter anderem an Craig Gillespies tragikomischer Miniserie „Pam & Thommy“ oder der derben Superhelden-Dekonstruktion „The Boys“ mitgewirkt. Mit ihrer Mitarbeit an „Knock Knock Knock“ eröffnet sich den beiden nun ein völlig neues Genre – das die beiden hervorragend zu meistern wissen. Vielleicht auch, weil ihr Spielen mit Genrekonventionen selbst eine gewisse Komik birgt.

Dass der kleine Peter (Woody Norman) in Klopfen in den Wänden hört, scheint seine Eltern eher weniger zu beunruhigen…

Der Trailer wirbt mit dem gewiss streitbaren Qualitätsmerkmal, „Knock Knock Knock“ sei vom selben Produzenten wie „Barbarian“ (Roy Lee, nicht die Rogen-Goldberg-Combo). Ein für seinen radikalen Twist nach der Hälfte der Laufzeit berühmt berüchtigten Horrorfilm, der hierzulande auf Disney+ abrufbar ist. Diese Art des filmischen Namedroppings ist äußerst aufschlussreich. Nicht nur, weil die Horrorfans als Adressat:innen des Trailers mit dem Titel „Barbarian“ Einiges anfangen können dürften. Sondern auch, da „Knock Knock Knock“ auf ganz eine ähnliche Weise funktioniert. Das zu Beginn anklingende Szenario eines kleinen Jungen, der unheimliche Geräusche hinter der Wand seines Kinderzimmers hört, in seinen Ängsten allerdings nicht ernst genommen wird, ist ein Genreklischee wie es im Buche steht. Der bislang noch recht unbeschriebene Drehbuchautor Chris Thomas Devlin („Texas Chainsaw Massacre“ von 2022) gibt sich nicht einmal Mühe, die altbekannten Storybeats zu variieren. Genauso setzt Regisseur Samuel Bodin in seinem Spielfilmdebüt auf einen bewährt düsteren, schwarz-blauen Look, schaltet nie das Licht an und lässt die beiden Eltern Carol und Mark die Standarderklärungen von alten, knarzenden Häusern, eine überbordende Fantasie ihres Schützlings oder schlechte Träume routiniert herunterbeten. Alles wie immer also…

„Allzu viel Zeit vergeht nicht, bis sich in ‚Knock Knock Knock‘ nach und nach Akzente verschieben, die andeuten, dass dieses Szenario nicht das, ist, mit dem wir uns als Publikum in den nächsten eineinhalb Stunden abzufinden haben.“

… oder eben auch nicht! Denn allzu viel Zeit vergeht nicht, bis sich die in „Knock Knock Knock“ bis dato abgezeichneten Hauptmechanismen um Nuancen verschieben. Sie deuten an, dass dieses Szenario nicht das ist, mit dem wir uns als Publikum in den nächsten siebzig Minuten abzufinden haben. Geschickt streut Devlin Motive ein, die den Zuschauer:innen die Einschätzung der Ereignisse immer stärker verwehren. Scheint die Gefahr für den jungen Peter zu Beginn ganz klar von außen zu kommen – mutmaßlich von irgendeinem übernatürlichen Wesen – kristallisiert sich langsam heraus, dass auch Dinge innerhalb der Familie Unbehagen bereiten; vielleicht sogar stärker als das unheimliche Klopfen, das sich alsbald mit einer flüsternden Mädchenstimme abwechselt. Werden erst einmal auch die Eltern zum Unsicherheitsfaktor, die ihren Sohn aus falsch verstandenem Schutz in den Keller sperren, sich in von Peter unbemerkten Momenten finstere Blicke zuwerfen oder plötzlich mit unerklärten Schnittwunden erscheinen, werden Erinnerungen an „The Black Phone“ wach. Vielleicht ist das Böse gar nicht das, was wir glauben, sondern die Rettung vor… ja, vor was eigentlich? Alles an „Knock Knock Knock“ wirkt entrückt; der Esstisch viel zu groß für die kleine Küche, das Dröhnen der Waschmaschine unverhältnismäßig unbehaglich. Und dass „Knock Knock Knock“ rund um Halloween spielt, der freudlose, von Kürbissen übersäte Garten aber gar keine Dekoration ist, fühlt sich fast schon ironisch an.

Was lauert zwischen den Wänden des Hauses?

Die Assoziation mit „The Black Phone“, generell mit den jugendzentrischen Werken eines Stephen King, verstärkt sich durch weitere Faktoren. Von einem einst an Halloween unter mysteriösen Umständen verschwundenen Mädchen ist die Rede. Mit Ausnahme der um Peter besorgten Aushilfslehrerin Miss Devine scheint keine erwachsene Person einer Fürsorgepflicht nachzukommen. Die Kinder verarbeiten die Probleme mit sich selbst, jene miteinander klären sie untereinander – notfalls mit Gewalt. Die in „Knock Knock Knock“ heraufbeschworene Stimmung ist melancholisch, trist. Das Klopfen in den Wänden fast schon so etwas wie eine Abwechslung; und in seiner vermeintlichen Gefahr viel abstrakter als das, was an Bedrohung von den jederzeit leibhaftig anwesenden Eltern ausgeht. Im Laufe der flott erzählten eineinhalb Stunden verdichten sich all diese Elemente sukzessive zu einem großen Ganzen, bis sich aus diesem (Spinnen-)Netz an Gefahren das herausschält, was man in anderen Filmen vermutlich als das eine Böse bezeichnen würde. Hier ist es nur eines von vielen. Sobald „Knock Knock Knock“ dieses offenbart, wird auch der Film selbst größer, greller, direkter. Der Schlussakt mag etwas zu viel Getöse sein. Gleichzeitig prallen hier endlich sämtliche Brandherde aufeinander – das muss schon aufgrund der schieren Menge zwangsläufig lauter sein als alles zuvor. Darüber hinaus behält Samuel Bodin eine gewisse Zurückhaltung bei. Das Böse manifestiert sich zwar, erhält seine stärksten Szenen aber in seinen Schattenumrissen oder schemenhaft als Bewegung im Dunklen. Nur wenige Male zeigt sich sein Antlitz.

Schon zuvor, vor allem aber im letzten Drittel zeigen sich auch die schauspielerischen Stärken, ohne die „Knock Knock Knock“ längst nicht so eindringlich geraten wäre. Lizzy Caplan („Die Unfassbaren 2“) und Antony Starr („Wish You Were Here“) wollen in ihren Rollen partout nicht greifbar sein. Selbst außerhalb einer besonders eindringlich inszenierten Albtraumsequenz – mit das Gruseligste, was das Horrorkino in diesem Jahr bisher zu bieten hatte – wirken die beiden wie Schatten ihrer selbst. Mechanisch, fast zombiehaft agieren sie im Umgang mit ihrem Kind sowie Peters Lehrerin. Sie sind durch und durch bedrohlich. Der aktuell auch in „Die letzte Fahrt der Demeter“ zu sehende Woody Norman schafft es über weite Strecken gut, „Knock Knock Knock“ auf seinen schmalen Schultern zu tragen. Sein zurückhaltender Außenseiter Peter ist die meiste Zeit über ein Häuflein Elend. Erst gen Ende wird es ihm endlich gestattet, über sich hinauszuwachsen – und stößt das Publikum damit unerwartet vor den Kopf. Normans Performance darf hier schon so subtil zwischen melancholisch, paralysiert und aufbegehrend changieren, dass sich dem Newcomer eine große Zukunft vorhersagen lässt. Der Film braucht ihn nicht nur, weil die Story nach der Figur verlangt. Sondern weil sein emotionaler Input den Film genauso prägt wie die vielen überraschenden Storywendungen.

„Die in ‚Knock Knock Knock‘ heraufbeschworene Stimmung ist melancholisch, trist. Das Klopfen in den Wänden fast schon so etwas wie eine Abwechslung; und in seiner vermeintlichen Gefahr viel abstrakter als das, was an Bedrohung von den jederzeit leibhaftig anwesenden Eltern ausgeht.“

Fazit: Beginnend wie einer von zig übernatürlichen Horrorfilmen, wird „Knock Knock Knock“ zu einer Studie über Angst und Gefahren, die sich von außen nach innen bewegen. Dank eines fantastischen Ensembles punktet er nicht nur über den Überraschungseffekt, sondern erst recht über seine ungeahnte Emotionalität. Stephen King lässt grüßen.

„Knock Knock Knock“ ist ab dem 1. Mai 2024 in den deutschen Kinos zu sehen.

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