Thor: Love & Thunder

Donnergott Thor gibt sich in seinem vierten Film die Ehre. An seiner Seite: Jane Foster. Hinter der Kamera: Taika Waititi. Mit diesen Zutaten ergibt THOR: LOVE & THUNDER ein knallbuntes, spaßiges Weltraum-Roadmovie, auf dessen Weg viel Potenzial verloren geht. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Nach den Ereignissen rund um Thanos‘ großen Blip, die Weltrettungsmission der Avengers und Thors Identitätskrise kommt der Donnergott langsam wieder auf den Damm. Er unterzieht sich einem radikalen Fitnessprogramm und reist zunächst mit den Guardians of the Galaxy umher, eh es ihn wieder zurück nach New Asgard führt. Unverhofft trifft er während eines Schurkenangriffs auf seine ehemalige Liebe Jane Foster (Natalie Portman), die plötzlich seinen geliebten Hammer Mjölnir schwingt und an Thors Seite kämpfen will. Während Jane die Gründe für ihre Wiederkehr erst nach und nach preisgibt, reisen sie, Thor (Chris Hemsworth) und König Valkyrie (Tessa Thompson) einmal quer durch die Galaxie, um den Fiesling Gorr (Christian Bale) zur Strecke zu bringen, der nicht weniger vorhat als die Tötung sämtlicher Götter des Universums…
Kritik
Vor nunmehr fünf Jahren brachte Regisseur Taika Waititi („Jojo Rabbit“) im wahrsten Sinne des Wortes Farbe ins MCU. Sein „Thor“-Solofilm „Thor – Tag der Entscheidung“, der dato dritte für den Donnergott, begeisterte oder irritierte – je nach Sichtweise – als überdrehte Fantasycomedy und musste sich vor allem deshalb Einiges an Kritik anhören. Stilistisch gehört der Film jedenfalls bis heute zu denen, die aus sämtlichen Beiträgen zur „Infinity Saga“ am meisten hervorstechen. Aber was will man auch erwarten, wenn man jemanden wie Waititi ans Steuer lässt..? Für den Nachfolger „Thor – Love and Thunder“ dürfte die Erwartungshaltung daher auch etwas näher an dem liegen, was der Film am Ende bietet. Mehr noch: Die Kreativen nehmen sich diesmal noch mehr visuelle Spielarten vor, etablieren noch spleenigere Charaktere und holen auch eine alte Bekannte zurück ins (im Film übrigens von überdimensionalen Ziegen gezogene) Boot: Jane Foster, einst große Liebe von Thor persönlich. Doch insbesondere der Clash zwischen der überbordenden, sowohl erzählerischen als auch inszenatorischen Ideenvielfalt und den bisweilen äußerst ernsten Belangen der Story funktioniert nicht immer, sodass „Thor – Love and Thunder“ sein Potenzial nicht vollends ausschöpft.
Wenngleich uns und vielen anderen da draußen der letzte Marvel-Film „Doctor Strange in the Multiverse of Madness“ sehr gut gefiel, schuf Regisseur Sam Raimi noch nicht aus den Vollen. Seine Handschrift durfte er dem Projekt zwar im Rahmen seiner Möglichkeiten aufdrücken, doch für einen „Multiversums-Film“ wurde doch überraschend wenig durch die verschiedenen Universen gehüpft, sodass sich ein Großteil der Laufzeit in einer (immerhin futuristischen) Realität abspielte, die sich gar nicht so sehr von unserer unterscheidet. Ausgerechnet „Thor – Love and Thunder“ liefert da eine deutlich breiter aufgestellte Visualität. Von opulent ausgestatteten Götter-Prunksälen, die entfernt an „Gods of Egypt“ erinnern und die allgegenwärtige Goldverkleidung durch die grelle Beleuchtung fast in den Augen brennt, kommt ein anderer Planet in einem elegant-kontrastreichen (Fast-)Schwarz-Weiß daher, während der Touristen-Hotspot New Asgard dagegen auf den ersten Blick ausschaut wie ein Erlebnis-Wikingerdorf aus dem Hier und Jetzt. Darüber hinaus ist die Crew zwischendurch immer mal wieder in der Galaxie farbenfrohen selbst unterwegs. Und so fragt man sich rückwirkend, weshalb Raimi einen solchen Abwechslungsreichtum nicht auch in seinem Film an den Tag legen durfte. „Thor – Love and Thunder“ tut all das jedenfalls sehr gut, denn es trägt dazu bei, dass die (im MCU ohnehin nicht gerade üppig bemessenen) 125 Minuten wie im Flug vergehen.
„Man fragt sich rückwirkend, weshalb Sam Raimi einen solchen Abwechslungsreichtum nicht schon in ‚Doctor Strange 2‘ an den Tag legen durfte. ‚Thor – Love and Thunder‘ tut all das jedenfalls sehr gut.“
Nicht allzu sehr davon profitieren dagegen die ein oder anderen zwischenmenschlichen Konflikte, denn insbesondere die Hintergründe von Jane Fosters Wiederkehr bleiben in der erzählerischen Ausarbeitung lediglich eine Randnotiz und können ihre dramatische Tragweite somit gar nicht ausspielen. Deutlich stärker ist „Thor – Love and Thunder“ derweil – wer hätte es im Anbetracht von „Tag der Entscheidung“ anders erwartet – in den tempo- und humorvollen Momenten. Gleich mehrere Montagesequenzen gehören zu den Highlights des Films. Darunter eine, die Thors Workout-Vorbereitungen für seine „Rückkehr als Kämpfer“ zeigen und eine weitere, die im Schnellverfahren den Verlauf von Beziehung und Trennung zwischen Jane und Thor abhandelt, was durch die richtige Auswahl an Szenen und die Wahl der viel zu unbekannten ABBA-Ballade „Our Last Summer“ sehr zu Herzen geht. Und anders als bei so vielen anderen im Nachhinein beantworteten Detailfragen (etwa wie der „Star Wars“-Held Han Solo eigentlich zu seinem Namen gekommen ist, was reichlich ungelenk in seinem Prequel „Solo“ erklärt wird), schließt diese Sequenz keine klassischen Lücken – schließlich war die Trennung der beiden bekannt – sondern unterfüttert lediglich das, was man sich ohnehin denken konnte, mit konkreten Bildern. Einer der Höhepunkte nicht nur in „Thor 4“, sondern in sämtlichen jüngeren MCU-Abenteuern.
Für viele gehörte auch die Rolle der Jane Foster hierzu. Und tatsächlich bringt die Rückkehr der Wissenschaftlerin und Neuerdings-ebenfalls-Heroin ordentlich Schwung in die „Thor“-Saga. Das Zusammenspiel zwischen Natalie Portman („Lucy in the Sky“) und Chris Hemsworth („Bad Times at the El Royale“) gerät noch immer sehr liebevoll und leidenschaftlich, wenngleich Drehbuchautorin Jennifer Kaytin Robinson („Unpregnant“) schon sehr früh zu verstehen gibt, dass Janes Auftritt keine generelle Rückkehr ins MCU, sondern wohl eher eine einmalige Sache ist. „Wohl eher“, weil sich der Film gen Ende einmal mehr zunutze macht, dass die Multiversumstheorie längst Einzug ins MCU erhalten hat und man somit langsam verstanden haben dürfte, dass im Marvel Cinematic Universe längst nichts mehr von Dauer ist. Und so lässt sich nur schwer daran glauben, dass Natalie Portman tatsächlich nicht noch einmal in ihrer Rolle zurückkehrt, was umso bedauerlicher ist, wenn man sieht, dass ihre Rolle in „Thor – Love and Thunder“ in erster Linie als Plotantrieb angelegt ist. Da wünscht man sich schon fast, dass sie doch nochmal wiederkommen darf, einfach weil ihre Figur, eine der gleichermaßen toughsten, smartesten wie zartesten bei Marvel, noch so viel mehr hergibt, als wie hier vor allem Mitläuferin zu sein.
„Das Zusammenspiel zwischen Natalie Portman und Chris Hemsworth gerät noch immer sehr liebevoll und leidenschaftlich, wenngleich Drehbuchautorin Jennifer Kaytin Robinson schon sehr früh zu verstehen gibt, dass Janes Auftritt keine generelle Rückkehr ins MCU, sondern wohl eher eine einmalige Sache ist.“
Apropos Laufen: „Thor – Love and Thunder“ fühlt sich bisweilen an wie ein intergalaktisches Roadmovie und ist in der Wahl seines Ziels bisweilen unfokussiert. Neben der Etablierung der Schurkenfigur Gorr (Christian Bale in „Mad Max: Fury Road“-Gedächtnismontur) mit ihren zweckdienlichen aber nur rudimentär ausformulierten Motivationen bekommt es die Held:innengruppe auf ihrem Weg zur Bekämpfung desselben mit der einen oder anderen Hürde zu tun, die genregemäß in wilden Actionszenen mündet. So wuchtig wie es die Umstände hergeben, fallen die dann allerdings gar nicht aus. Dafür wirkt „Thor – Love and Thunder“, mehr noch als sämtliche seiner drei Vorgänger, viel zu künstlich und das CGI nicht immer so authentisch, wie man es von den besseren MCU-Filminszenierungen gewohnt ist. Je reduzierter das Setting und das, was auf der Leinwand passiert, desto besser sieht „Thor – Love and Thunder“ aus. Und am aller besten dann, wenn Taika Waititi eben sogar auf Farbe weitestgehend verzichtet, sodass man sich fast eine Variante in ausschließlich dieser Ästhetik wünscht, wie sie schon „Mad Max: Fury Road“, „Logan“ oder auch „Parasite“ erhielten.
Bleibt am Ende noch der Blick auf Thor selbst, den Chris Hemsworth in „Love and Thunder“ vielschichtiger anlegen darf als je zuvor. Bildete er schon in „Avengers: Endgame“ die mit Abstand tragischste Figur (obwohl sein Aussehen auf den ersten Blick Comic-Relief-Absichten andeutete), durchzieht seine charakterliche Weiterentwicklung sowie der zurückgewonnene Glaube an sich und seine Kräfte den Film wie ein roter Faden. Das ist mal albern, wenn er mit seinem (nunmehr ehemaligen) Hammer Mjölnir redet wie mit einer Ex-Freundin, auf die seine neue Waffe, die Axt Sturmbrecher, auch noch eifersüchtig zu sein scheint (ein sehr moderat eingesetzter Running Gag, der tadellos funktioniert), dann aber auch wieder sehr berührend. Gerade die Szenen mit Jane sind von einer zarten Melancholie durchzogen, wenn sich sukzessive erweist, dass der Fortgang seiner großen Liebe Essentielles zu Thors Charakterwandel beigetragen hat. Genau das hätten Waititi und sein Team noch viel mehr ausspielen dürfen, anstatt sich primär auf den Humor zu konzentrieren. In „Thor – Love and Thunder“ hat sich einer der besten MCU-Filme der aktuellen Phase versteckt, der aufgrund seiner unsteten Erzähl- und Inszenierungsweise leider nie zu voller Größe finden darf.
Fazit: „Thor – Love and Thunder“ ist noch mehr von dem, was „Thor: Tag der Entscheidung“ war und hat dabei den Anspruch, auch noch ein berührendes Charakterdrama und eine (Fast-)Romanze zu sein. In erster Linie ist der Film allerdings ein intergalaktisches Action-Roadmovie, das einmal mehr stark gespielt aber nicht vollends zufriedenstellend inszeniert ist. Der arg künstliche Look verhindert, dass sich die Action wuchtig anfühlt und der große, tragische Aspekt der Story gerät hinter dem zweifelsohne gelungenen Humor ins Hintertreffen. Alles in allem eine sehr solide Angelegenheit voller verschenktem Potenzial.
„Thor: Love & Thunder“ ist ab dem 6. Juli 2022 in den deutschen Kinos zu sehen.