House of Gucci

Ein aufregender Blick hinter die Kulissen des berühmten italienischen Modehauses Gucci… hätte Ridley Scotts Thrillerdrama HOUSE OF GUCCI werden können. Das Endergebnis gleicht eher einem mafiösen Familienepos. Und das hat sowohl seine Licht- als auch seine Schattenseiten. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Anfang 1970 beginnt es hinter den Kulissen des glamourösen Modehauses Gucci zu brodeln. Die gleichermaßen vielschichtige als auch undurchsichtige Patrizia Reggiani (Lady Gaga) lernt auf einer Party Maurizio Gucci (Adam Driver) kennen und lieben. Wissend, dass dieser einer der Erben der Luxusdynastie ist. In den Folgejahren konkurriert sie mit den Schlüsselfiguren des Familienunternehmens immer wieder um Kontrolle und Macht. Darunter ihr eigener Ehemann, dessen geschäftstüchtiger Onkel Aldo (Al Pacino), sein risikofreudiger Cousin Paolo (Jared Leto) sowie seinem traditionsbewussten Vater Rodolfo (Jeremy Irons)…
Kritik
Für Regisseur Ridley Scott ist „House of Gucci“ die zweite große Filmproduktion im Jahr 2021. Und sie erscheint nur wenige Wochen nach seinem Mittelalter-MeToo-Drama „The Last Duel“, über dessen Scheitern an den Kinokassen dieser sich erst kürzlich mit Verweis auf das pauschale Desinteresse der Millennials zu Wort meldete. Fraglich ist, ob die Ignoranz „The Last Duel“ gegenüber tatsächlich etwas mit einer gesamten Generation zu tun hat. Oder ob das Adam-Driver-/Matt-Damon-Vehikel nicht vielleicht einfach einer grottigen Werbekampagne zum Opfer gefallen ist. Selbst in so einer mit vielen Lichtspielhäusern ausgestatteten Metropole wie Hamburg lief das letzte Duell in lediglich einem einzigen Kino. Von daher wird es sehr spannend sein, zu beobachten, ob der Film seinen bislang ausgebliebenen Siegeszug vielleicht über das Streaming antreten können wird. Denn „The Last Duel“ ist bereits ab dem 1. Dezember bei Disney+ streambar. Inwiefern „House of Gucci“ dasselbe Schicksal ereilt, lässt sich kaum vermuten. Fakt ist aber, dass der Studioverband aus Universal Pictures und MGM schon mal deutlich höhere Werbemittel auffährt, um auf den Start des Familienepos aufmerksam zu machen, als Disney beziehungsweise 20th Century Studios für „The Last Duel“. Doch genügt das, um aus „House of Gucci“ einen Erfolg zu machen?

Paolo (Jared Leto), Jenny (Florence Andrews), Maurizio (Adam Driver), Patrizia Reggiani (Lady Gaga) und Aldo Gucci (Al Pacino).
Der „fesselnde Thriller über Familiengeheimnisse, Verrat und einen schockierenden Mord“, den das deutsche Presseheft zum Film vollmundig ankündigt, ist „House of Gucci“ nur bedingt geworden. Familiengeheimnisse, Verrat und einen schockierenden Mord gibt es tatsächlich. Und auch „fesselnd“ lässt sich dem Film als Prädikat durchaus zusprechen. Doch in Kombination mit dem Terminus „Thriller“ dürfte „House of Gucci“ letztlich doch falsche Erwartungen wecken. Anstatt die Familienintrigen innerhalb der italienischen Modedynastie als düsteren, dem Mafiafilm ähnlichen Genrefilm zu inszenieren (und die Verwicklungen, die im Laufe der üppigen zweieinhalb Stunden offenbart werden, würden Letzteres definitiv hergeben!), entschieden sich die Drehbuchautor:innen Becky Johnston („Sieben Jahre in Tibet“) und Roberto Bentivegna dafür, das Geschehen innerhalb des Gucci-Clans als weitestgehend oberflächliche Seifenoper aufzuziehen. Das ist deutlich weniger negativ zu verstehen als es auf den ersten Blick vermuten lässt. Der mit schrillen Figuren nur so vollgestopfte Film eignet sich perfekt für eine Over-the-Top-Inszenierung am Rande von Parodie und Satire, in dem die sich auf einfachste Konflikte herunterbrechen lassende, zwischenmenschlichen Komplikationen und Differenzen immer eine Spur dramatischer ausgetragen werden als man es von klassischen Familiendramen, vor allem aber Biopics gewohnt ist. Das lässt sich am Beispiel der Knallchargen-Performance des bis zur Unkenntlichkeit hinter seiner Maske verschwindenen Jares Leto („Blade Runner 2049“) am besten veranschaulichen. Der von ihm verkörperte Gucci-Emporkömmling Paolo Gucci war bereits zu Lebzeiten eine extrem exzentrische, karikaturesk angehauchte, trotz allem aber nicht minder tragische Figur. Dass Leto, wie alle anderen Cast-Mitglieder, für die Verkörperung Paolos noch eine dramatische Schippe drauflegt, wirkt da auf den ersten Blick befremdlich, passt zur Auslegung des Films im Gesamten dann aber doch ausgezeichnet.
„Der mit schrillen Figuren vollgestopfte Film eignet sich perfekt für eine Over-the-Top-Inszenierung am Rande von Parodie und Satire, in dem die zwischenmenschlichen Komplikationen und Differenzen einfach eine Spur dramatischer ausgetragen werden als man es von klassischen Familiendramen gewohnt ist.“
Der nach „The Last Duel“ zum zweiten Mal hintereinander für Ridley Scott vor der Kamera stehende Adam Driver („The Report“) spielt dagegen deutlich zurückhaltender auf. Setzt wie alle anderen allerdings auf nicht auf ein minder großes Spiel. Die von ihm an den Tag gelegte Schüchternheit entspricht einer klischeehaften Mauerblümchendarstellung; Was Jared Leto bewusst „zu viel“ macht, macht Driver bewusst „zu wenig“. Kein Versäumnis, sondern eine sich genauso in den Dienst des Films stellende Performance, wie sie auch der Rest des mit unter anderem Al Pacino („Once upon a Time in Hollywood“), Jeremy Irons („Red Sparrow“) und Salma Hayek („Killer’s Bodyguard“) bestückten Ensembles an den Tag legt. Allen voran Lady Gaga („A Star Is Born“) verliert sich in der überlebensgroßen Darstellung der unnahbaren Patrizia Reggiani, die sich die (beabsichtigten oder unbeabsichtigten) erzählerischen Leerstellen in „House of Gucci“ zu eigen macht. Ihr Charakter ist wie alle anderen von einer geheimnisvollen Aura umgeben. Niemand hier gibt je sein tiefstes Innerstes preis. Und einige von den Figuren getroffene Entscheidungen kommen derart plötzlich, dass man sich als Zuschauer:in gar fragt, ob man ein bestimmtes Detail verpasst hat. Doch all das hat Methode: Am Ende liegt es am Publikum, die Beweggründe für manch ein Handeln zu interpretieren. Und so wird Person X für manch eine/n sprunghaft, unberechenbar und für andere wiederum kühl-kalkulierend sein…
Was „House of Gucci“ neben einem Thriller übrigens auch nicht geworden ist, ist ein Modefilm respektive ein Film über Gucci als Luxusmarke. Und das, obwohl das Skript zwischendurch immer mal wieder Randnotizen einstreut, die auf den über allem schwebenden Schatten des Konzerns verweisen. Zu einer zufriedenstellenden Ausformulierung derselben kommt es indes nie. Die Ende der Achtzigerjahre begonnene Stagnation der Verkaufszahlen sowie die damit einhergehende Suche nach neuen, jungen Designerinnen und Designern, die dem Franchise zu frischem Wind verhelfen sollten, sind dem Drehbuch lediglich einen Nebensatz wert; Und die für das Unternehmen so große Bedeutung der Persona Tom Ford (als Designer unter anderem bekannt für seine auffälligen Brillengestelle, als Regisseur dagegen vor allem für das Colin-Firth-Drama „A Single Man“), der hier ein kurzes Stelldichein haben darf, dürfte beim nicht eingeweihten Publikum eher Fragezeichen als neue Erkenntnisse hinterlassen. Während die wirtschaftlichen Belange des Konzerns so immerhin noch für ein filmisches Grundrauschen sorgen, spielt die künstlerische Bedeutung der Gucci-Designs für die Modewelt dagegen gar keine Rolle. Dabei wäre der Subplot rund um Paolo Gucci ein optimaler Anlass, auch diesen wichtigen Bestandteil eines Gucci-Clan-Biopics in den Film miteinzubeziehen. Schließlich ist es ein offenes Geheimnis, dass Paolos ausgefallene, zum damaligen Zeitpunkt nicht zum Gucci-Stil passenden Designs die spätere Ausrichtung der Marke massiv geprägt haben. Doch die Bedeutung der Mode selbst spielt in „House of Gucci“ letztlich überhaupt keine Rolle.
„Was ‚House of Gucci‘ neben einem Thriller übrigens auch nicht geworden ist, ist ein Modefilm respektive ein Film über Gucci als Luxusmarke.“
Mehr noch: „House of Gucci“ entzaubert die Marke bisweilen sogar. Etwa wenn es der angeheirateten Patricia als Einzige ernsthaft erzürnt, dass für 29,99 Dollar am Straßenrand qualitativ mangelhafte Gucci-Fakes verkauft werden. Anstatt auf Zustimmung stößt sie auf Gleichgültigkeit; Wer den Gucci-Lifestyle leben möchte, dies allerdings nicht kann, soll sich seinen Traum eben mit einer Fälschung erfüllen. Für Luxuslabels eine nicht zu unterschätzende Werbemaßnahme, die jedoch für all jene ein Schlag ins Gesicht ist, die Mode als eine Art Kunst begreifen, die Menschen nicht (nur) einkleiden, sondern auch eine Geschichte erzählen will. Ebendiese hüllt Ridley Scott derweil in famose, an seine Arbeit an „Alles Geld der Welt“ erinnernde Bilder (Kamera: Dariusz Wolski), deren kühle Perfektion einen alsbald in ihren Bann ziehen. „House of Gucci“ ist zweifellos groß gedachtes Kino. Und irgendwie ist die Umsetzung trotz der vielen Schwachpunkte auch gelungen, solange man sich darauf einlässt, dass der Film vieles nicht ist und das, was er ist, so ganz anders ist, als man es erwartet hätte.
Fazit: „House of Gucci“ ist eine exaltiert vorgetragene Hochglanzsoap, die mitreißt, obwohl sie weder als ernstzunehmender Familienepos noch als Kriminalfilm oder gar Modehausporträt funktioniert. Es ist vielmehr die elegant-pompöse Inszenierung, einhergehend mit einem selbstbewusst zur Schau gestellten Trash-Charme, die die zweieinhalb Stunden wie im Flug vergehen lassen.
„House of Gucci“ ist ab dem 2. Dezember 2021 bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
War Lady Gaga überzeugend als Schauspielerin in House Of Gucci? Fand sie in ihren anderen Projekten sehr gut.