Red Sparrow

Im Agententhriller RED SPARROW zeigt sich Hollywoodstar Jennifer Lawrence von ihrer verführerischen Seite. Doch den Film darauf zu reduzieren, wäre falsch. Warum, das verrate ich in meiner Kritik zum ersten überraschenden Highlight des Blockbusterjahres 2018.

Der Plot

Als eine Verletzung ihrer Karriere ein Ende setzt, sehen Dominika (Jennifer Lawrence) und ihre Mutter einer trostlosen und unsicheren Zukunft entgegen. Daher lässt sie sich schnell dazu überreden, eine der neusten Rekruten der Sparrow School zu werden, einem Geheimdienst, der außergewöhnliche junge Menschen wie sie trainiert, ihren Körper und Verstand als Waffe einzusetzen. Nachdem sie den abartigen und brutalen Trainingsprozess überstanden hat, entwickelt sie sich zum gefährlichsten Sparrow, den das Programm je hervorgebracht hat. Dominika muss ihr Leben auf ihre neue machtvolle Situation abstimmen und das betrifft auch alle ihr nahestehenden Menschen, die sich durch sie in Gefahr befinden –  darunter auch ein amerikanischer CIA Agent (Joel Edgerton), der versucht, sie davon zu überzeugen, dass er die einzige Person ist, der sie trauen kann.

Kritik

Wenn man Schauspielerin Jennifer Lawrence („Die Tribute von Panem“) Glauben schenkt, dürften wir den 27-jährigen Weltstar in Zukunft erstmal nicht mehr so oft auf der großen Leinwand erleben. Ende November des vergangenen Jahres gab die Oscar-Preisträgerin (2013 für „Silver Linings“) auf die Frage, was ihr nächstes Projekt sei, nämlich an, sich vorerst aus dem Filmgeschäft zurückziehen und stattdessen, Zitat, auf einer Farm „Ziegen melken“ zu wollen. Dieser Aussage gingen die Veröffentlichung privater Nacktbilder durch Hacker sowie die Trennung von ihrem Kurzzeit-Lebensgefährten Darren Aronofsky voraus, mit dem sie wenige Monate zuvor den Skandalfilm „mother!“ gedreht hatte. Noch scheint es Lawrence mit ihrer angekündigten Schauspielpause allerdings nicht ganz so ernst zu meinen. Die Dreharbeiten zu dem Spionagethriller „Red Sparrow“ begannen zwar bereits im Frühjahr 2017, doch mit dem neuesten Teil der „X-Men“-Reihe und Adam McKays geplantem Elizabeth-Holmes-Biopic „Bad Blood“ hat sie bereits die nächsten Filme in der Pipeline. Auch wenn wir Lawrences Traum einer Auszeit nur zu gut nachvollziehen können, sind wir im Anbetracht ihrer Performance in „Red Sparrow“ jedoch froh, auf die gebürtig aus Kentucky stammende Aktrice erst einmal nicht verzichten zu müssen. Wie diese sich die Rolle der skrupellosen Verführer-Agentin Dominika Egorova zu eigen macht, ist nämlich verdammt beeindruckend und so stark, dass wir uns ihre Figur mit einer anderen Schauspielerin partout nicht (mehr) vorstellen können.

Am Ausbildungsprogramm der Agentenschule droht Dominika (Jennifer Lawrence) fast zu zerbrechen.

Nachdem das Ausbildungsprogramm nach einigen langen Monaten endlich beendet ist, wirft Lawrences Dominika ihrem Onkel (Matthias Schoenaerts) vor, er hätte sie in eine „Nuttenschule“ geschickt. Das klingt plakativ und vielleicht auch einen Hauch theatralisch – doch nach den Bildern der ersten Dreiviertelstunde, in denen „Red Sparrow“ das Training unter den gestrengen Augen der unangenehm-kaltherzigen Ausbilderin Matron (Charlotte Rampling in ihrer bislang bittersten Performance) präsentiert, ist dieser Terminus nicht mehr wirklich weit hergeholt. Das Programm umfasst solch fragwürdige Punkte wie die vollständige Entblößung vor den anderen Spy-Anwärtern, das Vollziehen eines Blowjobs oder der „richtige Umgang mit einer Vergewaltigung“; auch wenn Letzteres bedeutet, dass er von den Nachwuchsagenten schon mal toleriert werden muss, sofern es denn dem Zweck der Ermittlungen dienlich ist. Das geht so weit, dass Jennifer Lawrence schließlich splitterfasernackt und mit weit gespreizten Beinen (auf die die Kamera natürlich nicht voll draufhält) auf einem Tisch sitzt und ihr Gegenüber auffordert, sich an ihr zu vergehen, um zu demonstrieren, dass es diesem nur darum geht, Macht auszuüben – folgerichtig bekommt er keinen hoch, als sich sein Opfer ihm bereitwillig ergibt. Es ist auch ebenjene Szene, durch die „Red Sparrow“ früh als als „der Film, in dem Jennifer Lawrence blank zieht“ in die Klatschspalten geriet. Doch dem auf dem Roman „Operation: Red Sparrow“ von Jason Matthews basierenden Noir-Thriller wäre damit Unrecht getan, ihn lediglich auf die erotischen Untertöne zu reduzieren. „Red Sparrow“ ist gerade in der ersten Hälfte tatsächlich ziemlich freizügig, doch für einen für den Mainstream konzipierten Hochglanz-Agententhriller ist der Film vor allem eines: extrem brutal.

Wir haben – vor allem in eher schmalbudgetierten Gewaltfilmen – ja schon Einiges an Folterwerkzeugen gesehen. In Eli Roths Torture-Horrorfilm „Hostel“ wurde gar mit einem Bunsenbrenner das Auge einer jungen Frau malträtiert, bis es ihr schließlich an einem Fetzen aus der Augenhöhle heraushing. „Red Sparrow“ hat mit einer ähnlich fiesen Idee nun die Gelegenheit, sich in die Riege der gemeinsten Gewaltinstrumente einzureihen – nämlich mit einer Art elektrischem Sparschäler, der in der Medizin eigentlich am narkotisierten Patienten zum Einsatz kommt, um verbrannte Hautschichten abzutragen. Regisseur Francis Lawrence (arbeitete mit seiner Hauptdarstellerin auch schon in den letzten „Panem“-Filmen zusammen) übernimmt für seinen Film nun die Idee aus dem Roman, ein solches Gerät am wachen Menschen anzuwenden – und gleichermaßen nicht an verbrannter Haut, sondern gesunder Haut. Die Schmerzensschreie des gepeinigten Mannes (wer das ist, sei aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht verraten) gehen dem Publikum dabei in Mark und Bein über. Dasselbe gilt für die vielen Momente in „Red Sparrow“, in denen blutig Kehlen durchgeschnitten, Menschen von Lastern überfahren oder weitere, ultrabrutale Foltermethoden – egal ob psychischer oder physischer Natur – am Menschen angewandt werden. In den falschen Händen wird hier selbst ein normaler Hammer zum ultimativen Schmerzbereiter. Weniger auf ihre Kosten kommen dagegen Fans von Spy-Thriller-Usus wie adrenalingeladenen Verfolgungsjagden oder wilden Schießereien. Lawrence inszeniert bewusst im Stile klassischer Noir-Filme, setzt auf viel Dialog und Atmosphäre, setzt zwischendrin aber immer wieder schmerzhafte Akzente. Ganz so, als wolle er sein Publikum davor bewahren, sich in diesem unsicheren Setting nie sicher zu fühlen.

Dominika und Nathaniel (Joel Edgerton) kommen sich näher.

Die Frage, wer hier eigentlich wen ausspioniert und warum – also die eigentliche Geschichte -, rückt in diesem abgefuckten Umfeld fast schon in den Hintergrund. Trotzdem merkt man „Red Sparrow“ an, dass die Story von Jemandem stammt, der die Strukturen der Regierungsapparate genau kennt. Romanautor Jason Matthews war selbst über 30 Jahre als Geheimagent bei der CIA tätig und dringt tief in die Materie ein, um die russische Spionageeinheit sowie die US-amerikanische Geheimdienstbehörde als das zu zeichnen, was sie sind: hochkomplexe Organisationen, deren Zusammenhänge sich innerhalb sowie miteinander beim ersten Sehen nicht immer sofort erschließen. Dasselbe gilt für die Gesinnung sämtlicher Figuren, die sich im Laufe der zweieinviertel Stunden mindestens einmal um 180 Grad drehen. Ohne die optimale Besetzung wäre ein solch undurchsichtiges Unterfangen, das mehr als einmal in eine handfeste Überraschung mündet, kaum möglich. Jennifer Lawrence als gleichermaßen manipulative wie bedauernswerte Antiheldin ist zwar das Herzstück des Films, das ihre Umgebung auf der einen Seite mit einem einzigen, verführerischen Augenaufschlag zum Erstarren bringen kann und sich auf der anderen Seite nicht zu schade ist, ordentlich auszuteilen, doch auch der Cast um sie herum macht einen hervorragenden Job. Joel Edgerton („The Gift“) stattet seine auf den ersten Blick undurchsichtige Figur mit der richtigen Portion Charisma aus, um es absolut glaubhaft wirken zu lassen, dass Dominika auch privat Interesse an seinem Nathaniel aufbaut, ohne diese Liaison ins Klischeehafte kippen zu lassen. Matthias Schoenaerts („The Drop – Bargeld“), Mary-Louise Parker („Weeds“) und Jeremy Irons („Justice League“) runden das hochengagierte Ensemble ab.

Fazit: Francis Lawrences eleganter Noir-Thriller „Red Sparrow“ ist ein kühl-unberechenbarer, dialoglastiger Trip mit einer herausragenden Jennifer Lawrence, für den der Zuschauer allerdings weder Probleme mit Nacktheit, noch mit brachialer Gewalt haben sollte.

„Red Sparrow“ ist ab dem 1. März bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

Ein Kommentar

Und was sagst Du dazu?