Matrix: Resurrections

Für MATRIX: RESURRECTIONS begeben sich Keanu Reeves und Carrie-Anne Moss ein viertes Mal auf die Suche nach der Frage, was Realität ist und was nicht. Der neue Film der legendären Sci-Fi-Reihe beginnt mit einer famosen ersten Stunde, doch leider dauert der Film 148 Minuten… Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: The Matrix Resurrections (USA 2021)

Der Plot

Um herauszufinden, ob seine Realität ein physisches oder ein mentales Konstrukt ist und um sich selbst wirklich zu finden, muss Mr. Anderson (Keanu Reeves) entscheiden, ob er dem weißen Kaninchen noch einmal folgt. Und wenn Thomas alias Neo etwas gelernt hat, dann ist es, dass diese Wahl noch immer der einzige Weg ist, der aus der Matrix herausführt – oder in sie hinein. Das gilt auch dann, wenn alles nur eine Illusion ist. Natürlich weiß Neo bereits, was er zu tun hat. Was er noch nicht weiß, ist, dass die Matrix stärker, gesicherter und gefährlicher ist als jemals zuvor. Déjà-vu!

Kritik

Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten, mit popkultureller Nostalgie umzugehen. Die erste ist die Huldigung, mit der zumeist auch ein Stückweit Verklärung einhergeht. Da gibt es Fanservice noch und nöcher, Hommagen an kleine und größere, inhaltliche wie visuelle oder akustische Details und das Wiederaufgreifen von bekannten Figuren. Zuletzt gesehen etwa in Jason Reitmans „Ghostbusters“-Fortsetzung „Ghostbusters: Legacy“ als Positivbeispiel (heißt: Der Film funktionierte dank eines sympathischen Skripts und einer zeitgemäßen Inszenierung auch ohne das Vorwissen um die Ausgangsfilme), aber auch in einigen „Star Wars“-Fortsetzungen jüngerer Vergangenheit als Negativbeispiel, bei denen der Aufbruch zu neuen Ufern („Die letzten Jedi“) von Fans abgestraft und das Wiederaufgreifen allzu bekannter Erzählmechanismen („Der Aufstieg Skywalkers“) ebenso gescholten wurde. Selbst ein Film wie „Dune“, der zum Teil der Ursprung vieler großer Science-Fiction-Genreinszenierungen und -Geschichten ist, zeigt: Im Grunde will das Publikum eigentlich nur das, was es ohnehin seit Jahrzehnten bekommt; Im besten Fall sieht’s im Jahr 2021 halt nur (viel) besser aus als damals. Die zweite Variante, mit denen sich Filme „von Damals“ heute fortsetzen oder neu auflegen lassen, ist das Unterwandern alter Strukturen; das Demaskieren, das Abrechnen. Die „Scream“-Reihe war an dieser Front immer ganz vorn mit dabei (wie es mit dem Anfang 2022 in die Kinos kommenden fünften Teil aussieht, wissen wir an dieser Stelle noch nicht). Aber auch die Daniel-Craig-Ära der „Bond“-Filme machte bewusst: Das, was ihr damals geil fandet, bedarf in der Gegenwart einer Neuausrichtung, um zeitgemäß zu bleiben. Nun kommt „Matrix: Resurrections“ in die Kinos. Und der ist im Hinblick auf die oben genannten Möglichkeiten, einen vierten „Matrix“-Film zu präsentieren und damit eine der in, damals noch als „Nerd-Kreisen“ bezeichneten, Bewegungen meistgehypten Sci-Fi-Reihen, weder Fisch noch Fleisch, sondern das Ergebnis dessen, was passiert, wenn man beides will aber nichts richtig durchzieht.

Der Therapeut (Neil Patrick Harris) versucht seinem Patienten Thomas Anderson (Keanu Reeves) bei seinen Psychosen zu helfen…

Die erste Stunde von „Matrix: Resurrections“ dürfte Liebhaberinnen und Liebhaber der Ursprungstrilogie (oder zumindest des ersten Teils) vor den Kopf stoßen und begeistern zugleich. Unter der sofort wiederzuerkennenden Regie von Lana Wachowski spielt sich Keanu Reeves („John Wick 1-3“) durch eine durchgestylte „Matrix“-Variation der Gegenwart. Der Stil ist atemberaubend und greift die „Matrix“-Stilistik auch dann auf, wenn noch nicht alles ins altbekannte Grün-Schwarz getaucht wird. Dafür haben sich die mit Wachowski kooperierenden Drehbuchautoren David Mitchell („Cloud Atlas“) und Aleksandar Hemon („Sense8“) wahrlich eine großartige Idee ausgedacht; Und es würde nicht wundern, wäre zuerst die Antwort auf die Frage da gewesen, wie man den kultigen „Matrix“-Look in eine (Raum-)Ausstattung der gegenwärtigen Realität übertragen kann, nur um hieraus schließlich die Story zu entwickeln. Thomas Anderson alias Neo in seiner Welt zu einem Game-Designer einer „Matrix“-Videospieltrilogie zu machen, woraufhin das gesamte Entwicklerbüro an den Neunzigerjahre-Filmlook angelehnt ist, ist die perfekte Symbiose aus neuen (zumindest visuellen) Ideen und altbewährten Motiven. Und die Meta-Komponente geht noch weiter, wenn die Warner-Brothers-Company im Film den Entwurf eines vierten Teils („Matrix IV“) verlangt und das Entwickler:innenteam rund um Anderson erst einmal aufzählt, was an den ersten drei Filmen, pardon: Spielen, denn so gut funktioniert hat und was nicht.

„Thomas Anderson alias Neo in seiner Welt zu einem Game-Designer einer ‚Matrix‘-Videospieltrilogie zu machen, woraufhin das gesamte Entwicklerbüro an den Neunzigerjahre-Filmlook angelehnt ist, ist die perfekte Symbiose aus neuen (zumindest visuellen) Ideen und altbewährten Motiven.“

Dass dies nicht mit erhobenem Zeigefinger geschieht, sondern durchaus auch als lieb gemeinte Hommage zu verstehen ist, ist ein weiterer Pluspunkt der ersten „Matrix 4“-Stunde; Nicht immer ist Zynismus der Schlüssel zum Ziel respektive zur „Entnostalgisierung“. Und so steckt zwischen den zahlreichen, auszählbaren Attributen der ersten drei Filme, die der Firmenboss während eines Brainstormings vom Stapel lässt, genug ernsthafte Anerkennung dafür, dass „Matrix“ das Genre zu Recht revolutioniert hat und sich entsprechend eine riesige Fangemeinschaft erarbeiten konnte. Doch es steckt eben auch viel Selbstreflexion, insbesondere im Hinblick auf die weitaus weniger gelungenen Sequels, in diesen Worten. Was es umso bedauerlicher macht, dass Wachowski nach dem ersten Drittel eben doch wieder in allzu bekannte Gefilde rutscht, die nicht einmal mehr von visuellen technischen Revolutionen profitieren können; Einfach, weil man alles, was in „Matrix“ noch so bahnbrechend war, nun längst gesehen hat. Doch bis es so weit ist, genauer genommen: es für Neo wieder in die Matrix geht, funktioniert „Matrix: Resurrections“ gleichermaßen als Abrechnung sowie Verbeugung. Insbesondere die Figur des Therapeuten (Neil Patrick Harris), der Thomas Anderson bei seinem, unter anderem durch blaue Pillen (!) unterstützten Kampf gegen die Spätfolgen seines Matrix-Aufenthalts (= gegen die Wahnvorstellungen) zu helfen, trägt einen Großteil dazu bei, dass das Skript seine Möglichkeiten der Enthypisierung voll ausspielt. Getreu dem Motto: „Ja, damals war’s geil. Aber bedenkt aus heutiger Sicht bitte auch die und die Schwachpunkte. Denn heute wissen wir es besser.“

Wieder vereint: Trinity (Carrie-Anne Moss) und Neo.

Es ist fast schon auf ärgerliche Art und Weise konsequent, dass „Matrix 4“ ab jenem Moment in die Tiefe rauscht, in denen sich Anderson dazu entschließt, doch wieder zur roten Pille zu greifen und seine eigene Realität zu verlassen. Schließlich lässt es sich die Geschichte in der ersten Stunde offen, den Film über jene Mechanismen weiterzuerzählen, die zu Beginn des Franchises begeistert haben. Nur leider entwertet dies zwangsläufig den selbstkritischen Part, der alsbald überhaupt keine Rolle mehr spielt und man sich die Frage stellt, weshalb die Möglichkeit, die Filme rückwirkend zu entlarven, überhaupt gegeben wurde. So also erliegen die Macher:innen der Versuchung des Nostalgierausches – und bieten ab sofort das, von dem sie ausgehen, dass die Kids der Neunziger einen „Matrix 4“ genau so sehen wollen. Das zweite und letzte Drittel spielen folgerichtig erneut in der Matrix; Es gibt zahlreiche Wiedersehen mit alten Bekannten. Und man kommt nicht umher, festzustellen, dass alles, was hier fortan passiert, eben schon vielfach – und vor allem besser – da war. Während sich der Hauptkonflikt alsbald im Kreis dreht und Lana Wachowski sowie ihre Kameraleute Daniele Massaccesi („Kommissar Rex“) und John Toll („Jupiter Ascending“) optisch keine neuen Akzente setzen können, sondern lediglich Effekthascherei mit Zeitlupen und Lenseflares betreiben, gehen die starken Performances von Keanu Reves und Carrie-Anne Moss („The Bye Bye Man“) unter. Das Zusammenspiel zwischen den beiden funktioniert nach wie vor; Vor allem durch die ruhigen Szenen in Neos „Realität“ ist die gleichermaßen prickelnde als auch respektvolle Chemie des Paares sofort wieder greifbar. Doch unter Kugelhagel und Verfolgungsjagden gegen zig zum Teil arg blass bleibende Widersacher kann sich dieser Pluspunkt nie entfalten.

„Während sich der Hauptkonflikt alsbald im Kreis dreht und Lana Wachowski sowie ihre Kameraleute Daniele Massaccesi und John Toll optisch keine neuen Akzente setzen können, sondern lediglich Effekthascherei mit Zeitlupen und Lenseflares betreiben, gehen die starken Performances von Keanu Reves und Carrie-Anne Moss unter.“

„More of the Same“ lautet für die letzten neunzig Minuten der überaus üppig bemessenen 148 Minuten das Zauberwort. Und das, wo doch ein finales Wiederaufgreifen von Neos Realität locker die starken Ansätze der ersten Stunde fortführen könnte; Als „Veranschaulichung, wie der vierte Teil einer Film- oder Gamingreihe eben nicht aussehen sollte“ oder dergleichen. So aber ist „Matrix: Resurrections“ am ehesten vergleichbar mit den „Deadpool“-Filmen, die vorgeben, die Comicfilmformel auf links zu drehen, am Ende aber doch auch nur den ungeschriebenen Gesetzen des Genres folgen. Ob man damit auch nur irgendeinen Teil der Fanbase zufriedenstellt, ist fraglich. Und ob die Schreiber:innen sich der Stärken ihres Filmauftakts bewusst waren ebenfalls.

Fazit: „Matrix: Resurrections“ beginnt als famoser Hybrid aus Verbeugung und Enthypisierung. Doch nach der ersten starken Stunde versuchen die Kreativen, allen voran die Gelüste der Neunzigerjahre-Fans zu bedienen. Und das „gelingt“ eher auf dem Niveau der Filme zwei und drei und erreicht längst nicht die Qualitäten eines Originals, auf dessen Stärken Teil vier, völlig ohne Verklärung, sogar hinweist.

„Matrix: Resurrections“ ist ab dem 23. Dezember 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.

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