Gunpowder Milkshake

In vielen Ländern nur auf Netflix veröffentlicht, in Deutschland für einen Kinostart reserviert: Der Actionfilm GUNPOWDER MILKSHAKE setzt auf einen namhaften Cast und Frauenpower. Wie sehr er überzeugt, verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Zwar hat Sam (Karen Gillan) nicht gerade die beste Meinung von ihrer Mutter (Lena Headey), dennoch ist sie in ihre Fußstapfen getreten und arbeitet seit Jahren für ein skrupelloses Syndikat als Auftragskillerin. Ihr jüngster Auftrag zwingt Sam jedoch dazu, sich gegen ihre Auftraggeber zu stellen und das achtjährige Mädchen Emily (Chloe Coleman) zu beschützen. Während Sams Mentor (Paul Giamatti) auf sie Jagd machen lässt, holt sich die findige Kämpferin Hilfe bei den knallharten Waffenexpertinnen Madeleine (Carla Gugino), Florence (Michelle Yeoh) und Anna May (Angela Bassett) – sowie bei ihrer Mutter …
Kritik
2021 war vieles, darunter auch das Jahr der weiblich angeführten Actionvehikel. „Casino Royale“-Regisseur Martin Campbell bescherte uns die Direct-to-Heimkino-Premiere „The Protégé – Made for Revenge“ mit Maggie Q als tödlicher Schützling eines von Samuel L. Jackson gespielten Killers, die Michael Keaton ins Visier nimmt. Tanya Wexler erzählt in der Amazon-Premiere „Jolt“ von Kate Beckinsale als sets unter Strom stehende Aggressionstherapiepatientin, die das Verschwinden ihres von Jai Courtney verkörperten Dates aufklären möchte. Und Cedric Nicolas-Troyan zeigt im Netflix-Film „Kate“ Mary Elizabeth Winstead als von Woody Harrelson trainierte Killerin, die vergiftet wird und in ihren letzten Lebensstunden ihren eigenen Tod rächen will. Bereits im Sommer startete in vielen Ländern zudem „Gunpowder Milkshake“ – was aber international zumeist als Netflix-Exklusivtitel veröffentlicht wurde, bekommt in Deutschland aufgrund der Beteiligung von Studio Babelsberg und StudioCanal einen Kinostart verpasst. Da darüber hinaus große Teile des Films in Berlin gedreht wurden, hat „Gunpowder Milkshake“ die gesteigerte Aufmerksamkeit so mancher lokaler Medien sicher. Aber was hat der neue Film von „Big Bad Wolves“-Regisseur Navot Papushado noch zu bieten?

Das Verhältnis zwischen Mutter Scarlet (Lena Headey) und ihrer Tochter (Karen Gillan) ist angespannt…
Zunächst: Im Vergleich zu den anderen beiden zuvor genannten VOD-Actionfilmen hat diese 30-Millionen-Dollar-Produktion den kinoreifsten Look. Zwar erreichen Papushado und sein Kameramann Michael Seresin („Planet der Affen: Survival“) längst nicht durchweg das Niveau der in Blau, Pink und Violett erstrahlenden, höchst schmucken Bowlingbahn-Actionsequenz, die auch schon im Marketing ordentlich ausgeschlachtet wurde. Dennoch zeugt „Gunpowder Milkshake“ wiederholt von einem versierten Auge und der Ambition, durch unaufdringliche, aber beständige Stilisierung das Material aufzuwerten. Neben der Lichtsetzung und Kameraführung verleiht auch das Produktiondesign „Gunpowder Milkshake“ einen gewissen Mehrwert: Papushado und sein Team siedeln den Film in einer etwas überhöhten Welt an – irgendwo in einem kuriosen Mischmasch aus „John Wick“ und den ersten beiden „Kingsman“-Teilen. Hier die schattig ausgeleuchtete, doch farbkräftig-kontrastreiche Unterwelt mit ihren ganz eigenen Regeln, da das „Kingsman“-Gimmick einer Parallelwelt voller Retroästhetik – von 50’s Diner bis hin zu fantasievoll ausgeschmückten Bibliotheken. Was „Gunpowder Milkshake“ jedoch allein schon auf dieser Ebene zurückhält, ist die Unbeständigkeit der Designeigenheiten. Während die „John Wick“-Saga und die „Kingsman“-Filme ihre eigenen, soghaften respektive abgedrehten Welten kreieren, die in sich stimmig und faszinierend sind, hangelt sich „Gunpowder Milkshake“ von Idee zu Idee – und greift zwischendurch auch mal ins Leere und fällt auf generischere Ansätze zurück.
„Navot Papushado und sein Team siedeln den Film in einer etwas überhöhten Welt an – irgendwo in einem kuriosen Mischmasch aus ‚John Wick‘ und den ersten beiden ‚Kingsman‘-Teilen.“
Während die schmissige Kampf-Choreografie, inklusive gezieltem Einsatz von sporadisch eingestreuten, aber stets heftig-deftigen Eindruck hinterlassenden Gewaltspitzen (die FSK-Freigabe ab 18 ist durchaus nachvollziehbar, und nicht etwa maßlos übertrieben!) und humorvolleren Action-Slapstick-Augenblicken, konstanter überzeugt, zieht das Storytelling wiederholt die Handbremse: „Gunpowder Milkshake“ schreit mit seinem Stil, seiner geradlinigen Handlung und den simpel, griffig skizzierten Figuren und den temporeichen, launigen Kämpfen inklusive frivoleren und derberen Ausbrüchen geradezu danach, ein knackiges, stringentes Actionvergnügen zu sein. Worldbuilding der Marke „Kingsman“, selbstbewusster Exzess wie in den „John Wick“-Sequels oder tiefschürfendere Charakterzeichnungen bleiben aus – weshalb selbst die gebotenen 114 Minuten inklusive Abspann überdehnt wirken. Eine zügigere Laufzeit wie die 92 Minuten vom Bob-Odenkirk-Vehikel „Nobody“ hätte „Gunpowder Milkshake“ gut getan.

Florence (Michelle Yeoh), Anna May (Angela Bassett), Madeleine (Carla Gugino) und Sam (Karen Gillan).
Stattdessen schleppt sich das Skript von Papushado und Ehud Lavski zwischen den Kämpfen, Handlungs-Wendepunkten und schnippischeren Dialogen durch allerlei Szenen mit viel Leerlauf sowie übermäßigen Erklärungen. Es fehlt einfach der letzte Feinschliff, der jedoch darüber entscheidet, ob die reduzierten Charakterisierungen und generischen Plotelemente mehr „flott-funktional“ oder eher „plattgetreten und ausgelutscht“ rüberkommen. Denn, sind wir mal ehrlich: „Nobody“ platzt auch nicht gerade vor lauter neuen Ideen aus den Nähten – weiß das aber als Stärke einzusetzen. „Gunpowder Milkshake“ trottet hingegen wiederholt, obwohl ein Spurt angebrachter wäre. Dessen ungeachtet: Der Cast füllt den Film mit Ausstrahlung und Verve aus. Karen Gillan ist eine überzeugende Action-Frontfrau, die komplizierte Emotion zwischen Sam und ihrer Mutter kommt ihr und Lena Headey glaubwürdig vom Gesicht und Carla Gugino Michelle Yeoh sowie Angela Bassett spielen mit einer Überzeichnung, als wären sie Nebenfiguren in einem „Kingsman“-Film.
„Es fehlt einfach der letzte Feinschliff, der jedoch darüber entscheidet, ob die reduzierten Charakterisierungen und generischen Plotelemente mehr „flott-funktional“ oder eher „plattgetreten und ausgelutscht“ rüberkommen.“
Fazit: Etwas zu lang, aber stylisch und mit gelungener Action versehen: „Gunpowder Milkshake“ ist kein großer Wurf, aber unterhaltsames, ansehnlich präsentiertes Actionvergnügen, das einfach nur noch etwas knackiger sein dürfte.
„Gunpowder Milkshake“ ist ab dem 2. Dezember 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.