The Counselor

Bei den Kritikern zum Großteil durchgefallen zählt das neuste Werk des Star-Regisseurs und Visionärs Ridley Scott nicht unbedingt zu seinen Highlights. Die Erwartungen an einen neuen Star-Blockbuster erfüllt THE COUNSELOR tatsächlich nicht. Stattdessen brilliert der Drogentriller auf ganz andere Art. Weshalb der Film für sich genommen tatsächlich ein kleines, wenn auch schwer zugängliches Meisterwerk abseits des Mainstream ist, verrate ich in meiner neuesten Kritk.

Der Plot

Eigentlich hat der Counselor (Michael Fassbender) alles: Einen tollen Job, eine schöne Freundin und vor allem jede Menge Macht. Doch Gier ist geil! Er lässt sich auf illegale Geschäfte mit der Drogenmafia ein. Der superreiche Reiner (Javier Bardem) klärt den Counselor über die Gepflogenheiten innerhalb der Branche auf und gewährt ihm Einblicke in die Welt der Superreichen. So macht der Counselor Bekanntschaft mit dessen Freundin Malkina (Cameron Diaz) und dem kühlen Westray (Brad Pitt), der ihn mehr als einmal davor warnt, in die Drogenszene einzusteigen. Doch der Wille nach Geld und noch größerer Macht ist stärker und schon bald befindet sich der Counselor in einer Spirale aus Gewalt, Verrat und Mord. Denn schlussendlich ist ein Leben in diesem Business weniger wert als der Stoff, den die Jungs Tag für Tag über die Grenzen schmuggeln…

Kritik

Der Thriller: Laut Online-Enzyklopädie Wikipedia ein Filmgenre, das vom „Erzeugen eines Thrills“, „einer Spannung, die nicht nur in kurzen Passagen, sondern während des gesamten Handlungsverlaufs präsent ist“ und „einem beständigen Spiel zwischen Anspannung und Erleichterung“ lebt. Der Roman von Cormac McCarthy („No Country for Old Men“), der dem gleichnamigen Film „The Counselor” von “Prometheus”-Macher Ridley Scott als Basis dient, bietet vom Stoff her ideale Voraussetzungen für einen interessanten Film dieser Sparte. Genau ein solcher ist dieser auch geworden, macht sich die einzelnen Thriller-Merkmale jedoch auf andere Weise zunutze, als es übliche amerikanische Genrekost tut. Im Stile minimalistischer Romanverfilmungen wie David Cronenbergs „Cosmopolis“ bringt Scott eine tiefschwarze Weltanschauungs-Fantasie auf die Leinwand, kleidet sie in nihilistische Bilder vor exotischer Kulisse und lässt eine Handvoll Mimen aus Hollywoods A-Liga sich gegenseitig zerfleischen – wenn auch fast ausschließlich in Form hochstilisierter Dialoge, teilweise 1:1 aus dem Roman übernommen.

Wird zum Spielball gefährlicher Leute: Michael Fassbender

Dass Kritiker und Zuschauer bei Namen wie Brad Pitt („World War Z“), Cameron Diaz („Gambit – Der Masterplan“), Penélope Cruz („Fliegende Liebende“), Javier Bardem („Skyfall“) und nicht zuletzt Michael Fassbender („12 Years a Slave“) automatisch einen potentiellen Hollywood-Blockbuster vor Augen haben, ist nicht verwerflich. Zumal mit Regisseur Ridley Scott ein Spezialist auf diesem Gebiet hinter den Kulissen die Strippen in der Hand hält. Entsprechend groß schien rasch die Ernüchterung, als ersichtlich wurde, dass sich „The Counselor“ nicht auf den klassischen Adrenalinkick verlässt, sondern vor allem auf den philosophischen Ansatz der Geschichte baut. Kein Wunder also, dass ein Großteil der übersichtlichen zwei Stunden aus anspruchsvollen Dialogen besteht, denen eine Bedeutung für die Handlung jedoch nicht abgeht. Dass es bisweilen anstrengend ist, die Geschichte im Gesamten zu verfolgen, ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Dennoch erweist sich das große Ganze ziemlich schnell als symbolträchtige Milieustudie, die kaum auf brachiale Gewalt setzt. Vielmehr macht sich Scott die extravaganten Figuren zunutze und platziert in der glutheißen Wüste New Mexicos – einem Bild von Kulisse – einen zweiten Handlungsstrang in Form einer Satire auf das Leben der oberen Zehntausend. So entfaltet sich nach und nach der Zynismus beider Welten, die so lange nebeneinander her existieren, bis es eines Tages zum großen Knall kommt.

Die teilweise kuriosen Figuren, die auf den ersten Blick wie bloße Abziehbilder belangloser Stereotypen wirken, sind bis in die Haarspitzen Karikaturen von Personen, die einem ungewöhnlichen Lebensstil frönen. Weit abseits der brutalen Geschäftswelt, in der sich der namenlos bleibende Counselor bewegt, genießen diese ihr exquisites Leben in vollen Zügen. So ergibt sich das Bild einer schwarz-weiß-gezeichneten Gesellschaft, in welcher die einen ums nackte Überleben kämpfen und die anderen gegen Bilder von Autos vögelnden Frauen in ihrem Kopf. So skurril besagte Szene auch wirkt, in welcher Cameron Diaz mit gespreizten Beinen auf der Windschutzscheibe eines Luxusautos hin- und herrutscht, so konsequent ist doch ihre Platzierung innerhalb der Handlung: Wenn Javier Bardem aufgewühlt von dem für ihn einschneidenden Erlebnis spricht, als schildere er gerade die Beobachtung eines Verbrechens, wird im Kontext zu vorausgegangenen Gesprächen deutlich: Hier haben sich die Prioritäten ins Abnormale verschoben. Denn als Bardem kurz vorher die Funktionalitäten und Vorzüge einer motorbetriebenen Eisenschlinge als Mordwerkzeug schildert, verzieht dieser keine Miene.

In „The Counselor“ funktioniert vor allem das Spiel mit Gegensätzen. Immer wieder scheinen sich die zwei Welten gegenseitig darin überbieten zu wollen, in welcher zu leben es verwerflicher ist. Dem Zuschauer bleibt eine Stellungnahme dazu kaum erspart – hat er mit dem charismatischen und von Michael Fassbender exzellent verkörperten Counselor doch eine Hauptfigur, die sich dieser Frage ebenfalls stellen muss. Ab und an, so scheint es, findet sich für ihn eine ethisch vertretbare Lösung, nur damit sich diese wenig später als weitere Sackgasse entpuppt. Wie etwa das selbstlose Freikaufen eines Mandanten, das weniger selbstlos denn vielmehr kopflos ist – und so schließlich auch für den Mandanten endet. So wird vor allem die temporeichere zweite Hälfte des Films zu einem Spießroutenlauf durch allerhand Konsequenzen: Sofern der Counselor an die falsche Stelle tritt, bekommt er sie unweigerlich zu spüren. Eine immerwährende Spannung ist somit garantiert, die Charakteristik des Thrillers erfüllt, wenngleich die Erleichterung nach der Anspannung nahezu ausbleibt und dadurch besonders bedrückend wirkt. Zwei Gewaltspitzen, die auf konsequente Zuspitzung und nicht auf Effekthascherei setzen, verleihen dem Streifen eine zusätzliche Durchschlagskraft.

Die namhaften Darsteller passen dabei wie die Faust aufs Auge in ihre jeweiligen Rollen. Angefangen von Michael Fassbender, der zunächst mit seiner Kühnheit und anschließend mit einem Hauch von kühlem Charme um die Empathien des Publikums buhlt über Cameron „Femme Fatale 2013“ Diaz bis hin zu Javier Bardem, der sich in der Rolle des abgehobenen Dandys sichtlich genießt, sind auch die kleineren Rollen exzellent besetzt. Vor allem der leider recht kurz geratene Auftritt seitens Brad Pitt, der gen Ende für die eindringlichste und blutigste Szene des ganzen Films sorgt, weiß besonders zu gefallen – abgebrühter hat man den bald in „World War Z 2“ zu sehenden Hollywoodstar noch nie erlebt. Sogar die anfangs scheinbar blass bleibende Penélope Cruz als Fassbenders Bettgespielin findet innerhalb der zwei Stunden ihr Profil, ist ihre Rolle doch sichtlich als nahezu unsichtbar angelegt. Ein eindringlicherer Auftritt hätte der konsequenten Figurenzeichnung einen Knacks versetzt. Technisch spielt „The Counselor“ durchaus in der Blockbuster-Liga. Die berauschende Bildästhetik, die mit schmucken Details in Form eleganter Raubkatzen oder edlen Kulissen wie einem Polo-Turnier aufwarten kann, sorgt immer wieder für eine fiebrige Atmosphäre, wie es sie bereits in Filmen wie „Rum Diary“ und stellenweise innerhalb der „Fluch der Karibik“-Reihe zu sehen gab. Kein Wunder: Verantwortlich hierfür zeichnete Dariusz Wolski, wie schon in besagten Filmen zuvor. Auf musikalischer Ebene hätte „The Counselor“ ein auffälligerer Score gut getan. Auch wenn sich die rhythmischen Latin-Klänge von Daniel Pemberton („The Awakening“) ordentlich in die Szenerie einfügen, fehlt es dem Soundtrack unüberhörbar an Wiedererkennungswert.

Fazit: „The Counselor“ besticht als hochintellektuelle und durch und durch zynische Drogenmilieustudie vor traumhafter Kulisse, die sich darauf verlässt, dass ihr Publikum keinen High-Speed-Thriller erwartet. Vielmehr lässt Regisseur Ridley Scott zwei Extreme aufeinanderprallen und konstruiert hieraus ein extravagantes Weltbild, dessen Schockwirkung sich für den Zuschauer erst nach und nach erschließt. Die Perfidität und Wahrheit, die in dem schwerverdaulichen Stoff stecken, führen schließlich dazu, dass „The Counselor“ vor Zynismus nur so trieft und die zwischendurch eingeschobenen Oberflächlichkeiten noch mehr ins Mark gehen. Ein faszinierender Drahtseilakt, den Ridley Scott herausragend zu meistern weiß.

„The Counselor“ ist jetzt in den deutschen Kinos zu sehen.