Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings

Im 25. Abenteuer aus dem Marvel Cinematic Universe steht erstmals eine asiatische Hauptfigur im Mittelpunkt. SHANG-CHI AND THE LEGEND OF THE TEN RINGS stellt damit ein Novum im Superheldenkino dar und ist noch dazu ein hervorragender Einstieg in ein Filmuniversum, das ja eigentlich schon 24 Filme auf dem Buckel hat. Vor allem aber macht er Lust auf mehr. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Chang-Chi and the Legend of the Ten Rings (USA/AUS 2021)

Der Plot

Eigentlich dachte Katy (Awkwafina), alles über ihren besten Freund Shaun (Simu Liu) zu wissen. Gemeinsam arbeiten sie nicht nur als Hotelpagen eines Nobelschuppens und streiten regelmäßig darum, wer die Luxusautos ihrer Gäste in die Garage fahren darf, vor allem machen sie das Nachtleben unsicher und lassen sich regelmäßig zu rauschenden Karaoke-Partys hinreißen. Doch dann passiert eines Tages etwas, was das Leben der Freunde völlig auf den Kopf stellt. In einem Bus wird Shaun bei voller Fahrt von einigen düster gekleideten Kämpfern angegriffen, die irgendetwas von Shaun wollen – doch was? Er hat keine Wahl und muss Katy über die wahren Hintergründe seiner Identität aufklären. Denn eigentlich heißt Shaun Shang-Chi und ist ein von seinem Vater Wenwu (Tony Leung Chiu Wai) ausgebildeter Profikiller, der allerdings vor zehn Jahren aus der Obhut seines Vaters floh, um sich anderswo ein neues, normales Leben aufzubauen. Doch nun führt die mysteriöse Organisation „Zehn Ringe“ Vater, Sohn und Shang-Chis Schwester Xialing (Meng’er Zhang) wieder zusammen…

Kritik

Die Pläne für einen Marvel-Beitrag mit einem asiatischen Helden im Mittelpunkt existieren bereits seit 2018. Damals befand sich MCU mitten in Phase Drei und hatte mit „Black Panther“, „Avengers: Infinity War“ und „Ant-Man in the Wasp“ bereits jede Menge Stoff für die Fans bereitgestellt. Doch mit „Avengers: Endgame“ respektive „Spider-Man: Far from Home“ war das Ende der Laufbahn für die erste Riege der MCU-Helden bereits abzusehen. Und mittlerweile haben jene, mit denen einst alles anfing, die Comicfilmproduktion – den inhaltlichen Entwicklungen der Reihe entsprechend – verlassen und machen damit den Platz frei für eine neue Riege an Superheldinnen und Superhelden. Dazu zählen neben der in „Black Widow“ eingeführten Yelena Belova, den „Eternals“ (Kinostart: 5. November 2021) und den „Marvels“ (Kinostart: 11. November 2022) auch Shang-Chi und vermutlich auch seine beste Freundin Katy, die sich im Laufe von „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ vom Comic Relief zur waschechten Kämpferin und dadurch auch zur weiteren Begleiterin ihres Kumpels entwickelt. Ob die beiden irgendwann ein Paar werden? Noch offen! Was aber so gar nicht offen ist, ist die inszenatorische und tonale Richtung, die Regisseur Destin Daniel Cretton mit seiner ersten Arbeit für das MCU (und überhaupt seiner ersten Big-Budget-Regiearbeit) einschlägt. Und das verwundert im Anbetracht dessen, was der gebürtige Hawaiianer zuletzt alles gedreht hat. Neben dem Festival-Liebling „Short Term 12“, der zutiefst kitschigen Familienanalyse „Schloss aus Glas“ und dem soliden Gerichtsdrama „Just Mercy“ zeichnete Cretton auch für den hundsmiserablen Bekehrungsfilm „Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott“ verantwortlich. Gott sei Dank könnte „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ nicht weiter hiervon entfernt sein.

Katy (Awkwafina) und Shaun alias Shang-Chi (Simu Liu) sind beste Freunde. Doch er hat ein Geheimnis, von dem sie Nichts ahnt…

Nach dem runden Abschluss der dritten MCU-Phase die Begeisterung für die nächsten Marvel-Filme zu schüren, ist „Black Widow“, dem ersten Titel von Phase Vier, Anfang des Jahres schon mal nicht gelungen. Vielleicht auch, weil es sich hierbei um einen Film handelt, der uns nicht zeigt, was nach den Ereignissen von „Endgame“ passierte, sondern davor. „Shang-Chi“ ist, abgesehen von den aktuellen Marvel-Serien, nun der erste Film nach Phase Drei, der den Blip (also die Phase, in der Thanos hat die halbe Erdbevölkerung verschwinden lassen) erwähnt und damit von Anfang an klarmacht: Es geht weiter! Und das nicht nur auf dem offiziellen Zeitstrang; Generell punktet „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ mit einer spürbaren Aufbruchstimmung. Destin Daniel Cretton legt eine inszenatorische Energie an den Tag, die mitreißt und Begeisterung für die Geschichte von Shaun respektive Shang-Chi, sein Umfeld und seinen Background schürt. Damit hat der Film vielen anderen Marvel-Origin-Storys etwas voraus, in denen es meist eher darum ging, nicht nur den neuen Charakter einzuführen, sondern auch seine Position innerhalb des MCU. Shang-Chis Originstory dagegen lässt sich auch – und er ist immerhin bereits Film 25 des Franchises – vollkommen losgelöst von den restlichen Filmen schauen. Drehbuchautor Dave Callaham („Wonder Woman 1984“) kreiert für seine Protagonist:innen einen völlig eigenen Kosmos und knüpft nur vereinzelt Verbindungen zu bekannten Figuren und Ereignissen. Für die Kennerinnen und Kenner der Materie reicht das aus, um Shang-Chis Wichtigkeit für kommende Filme in etwa einzuordnen und Querverbindungen zu anderen Filmen zu erkennen (insbesondere der überraschende Auftritt einer längst vergessenen Figur wird viele Fans begeistern). Doch wer dies nicht tut, hat hier keinen Nachteil. „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ ist daher ein hervorragender Marvel-Einsteiger-, oder aber eben auch einfach nur ein sehr gelungener, von asiatischen Actionfilmen wie „The Warriors“ oder „Kung Fu Hustle“ (die Plakate der Filme hängen auch in Shauns Schlafzimmer) inspirierter Superheldenfilm.

„Destin Daniel Cretton legt eine inszenatorische Energie an den Tag, die mitreißt und Begeisterung für die Geschichte von Shaun respektive Shang-Chi, sein Umfeld und seinen Background schürt.“

Und als solcher stechen in „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ vor allem die Kampfszenen ins Auge. Denn diese haben – zumindest in den ersten zwei Dritteln – einen Wiedererkennungswert, den man längst nicht allen Marvel-Actionszenen zuschreiben kann. Zwar unterscheidet sich die Art der Inszenierung auch in den bisherigen Filmen: von verspielt in „Ant-Man“ und „Spider-Man“ über grob-martialisch in den „Captain America“-Filmen bis hin zu angereichert mit vielen fantastischen Elementen in „Doctor Strange“ weisen (fast) alle Marvel-Filme leichte Unterschiede in der Art und Weise auf, wie ihre Macherinnen und Macher den Bombast auf die Leinwand bringen; und doch war das MCU noch nie dafür bekannt, in ihrer Action besonders hervorzustechen. „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ rangiert da auf einem eigenen Niveau. Vor allem die Übersicht, die Kameramann Bill Pope („Baby Driver“) mit seiner fast schon schwebenden Fotografie hier hinbekommt, erinnert vereinzelt an solche Kleinode wie etwa „Upgrade“ oder der erst dieses Jahr hierzulande erschienene „Nobody“. Insbesondere ein Kampf auf einem Baugerüst macht optisch richtig was her, sodass sich guten Gewissens sagen lässt: Eine vergleichbare Inszenierung hat man innerhalb des MCU bislang noch nicht gesehen; Geschweige denn eine derart deutlich von asiatischen Kampf- und Actionfilmen geprägte Kampfkunst, der sich der typische Hollywoodbombast zumeist klar unterordnet. Zumindest bis zum letzten Drittel. Denn auch dann bleibt Destin Daniel Cretton seiner eingeschlagenen Linie treu, meint es mit dem Finale allerdings etwas zu gut.

Mit seiner Stilistik hebt sich „Shang-Chi“ stark von vielen anderen MCU-Filmen ab.

Wenn im Schlusskampf schließlich Unmengen an Fantasiewesen wie etwa Drachen oder gesichtslose Hybriden aus hasenähnlichen Geschöpfen und Vögeln auftauchen, ist die Leinwand (oder, sofern man den Film später bei Disney+ schauen möchte, auf dem Fernsehschirm) voll von CGI-Gewimmel. Dass es bis heute unmöglich scheint, eine „Menschen fliegen auf Fantasiewesen durch die Lüfte“-Sequenz so zu inszenieren, dass sie besser aussieht als im Neunzigerjahreklassiker „Die unendliche Geschichte“ steht auf dem einen Blatt; da ist „Shang-Chi“ schlicht keine Ausnahme, sondern die Regel. Doch davon abgesehen sind vielen Cretton-Vorgängern innerhalb des MCU schon deutlich übersichtlichere, besser koordinierte und schlichtweg hübschere Finalschlachten gelungen. Vor einem einheitlichen Grau-in-Grau duellieren sich viel zu lange alle möglichen Kämpfer:innen und Fantasiewesen. Und auch der finale Zweikampf zwischen Shang-Chi und seinem Widersacher, dessen Namen wir an dieser Stelle nicht verraten wollen, da es eine große Stärke des Films ist, dass sich sein Verlauf die meiste Zeit über eben nicht vorhersagen lässt, wird von Computereffekten dominiert, die den Fokus von den eigentlichen Pluspunkten des Films reißen. Das sorgt nicht nur dafür, dass sich „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ insgesamt viel zu lang anfühlt, sondern auch, dass die Qualitätskurve gen Ende fällt. Und das entlässt einen in der Regel deutlich frustrierter aus dem Kinosaal als andersherum.

„Vielen Cretton-Vorgängern sind innerhalb des MCU schon deutlich übersichtlichere, besser koordinierte und schlichtweg hübschere Finalschlachten gelungen.“

Gleichwohl muss man sagen: Die großen Schwächen konzentrieren sich klar auf den Schlussakkord. Bis dahin macht „Shang-Chi“ insbesondere dank der hervorragenden Chemie zwischen Simu Liu („Kim’s Convenience“) und Awkwafina („Jumanji: The Next Level“) extrem viel Spaß; Und das auch ohne die typische One-Liner-Schlagzahl, wie man sie sonst vom MCU gewohnt ist. Der Film besitzt insgesamt einen sehr positiven Grundton, der sich zu keinem Zeitpunkt mit der Inszenierung der Martial-Arts-Szenen beißt, da auch diese vorwiegend schwungvoll-leichtfüßig und nicht etwa bierernst-grobmotorisch daherkommen. Darüber hinaus ist diese „neue Welt“, die sich den Zuschauer:innen und Fans hier ähnlich einst in „Black Panther“ ganz neu erschließt, einfach viel zu interessant, als dass man sich von den Schwachpunkten des Films allzu sehr herunterziehen lassen sollte. Von Shang-Chi und Katy wollen wir unbedingt mehr sehen!

Fazit: „Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ kann die Qualität seines sehr guten Auftakts und seines gleichermaßen spannenden sowie ästhetisch beeindruckenden Mittelteils leider nicht bis zum Schluss halten, ist davon abgesehen aber eine der unterhaltsamsten Origin-Stories innerhalb des MCU.

„Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings“ ist ab dem 2. September 2021 in den deutschen Kinos zu sehen sowie ab dem 17. Oktober 2021 bei Disney+ als streambar.

Ein Kommentar

  • Was mich am meisten an diesem Film gestört hat, dass er so aussah als wäre er komplett im Studio ohne eine einzige Außenaufnahme gedreht worden. Und selbst die stärkste Szene, die Busszene, muss sich am fast 20 Jahre älteren Transporter messen und stinkt dagegen völlig ab. Aber er hat unterhalten – ich hatte ihm nach Sichtung 8 Sterne bei Trakt gegeben, würde ich heute nicht mehr tun eher 7.

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