Wonder Woman 1984

Der Start von WONDER WOMAN 1984 ist längst nicht nur aus filmischer Sicht interessant, sondern dürfte sich als wegweisend für die Kinobranche erweisen. Warum das so ist und wie es um die Qualität des neuesten DC-Abenteuers bestellt ist, das verraten wir in unserer Kritik.

OT: Wonder Woman 1984 (USA/UK/ESP 2020)

Der Plot

Es sind die pulsierenden mondänen 1980erJahre – eine Ära des Exzesses, in der nichts wichtiger scheint als Besitz. Diana Prince alias Wonder Woman (Gal Gadot) lebt friedlich unter den Sterblichen. Obwohl Diana sie ihre volle Kraft erlangt hat, führt sie ein unauffälliges, zurückgezogenes Leben, hütet alte Artefakte und tritt nur inkognito als Superheldin in Erscheinung. Doch schon bald muss Diana direkt ins Rampenlicht treten und all ihre Weisheit, Kraft und ihren Mut aufbringen, um die Menschheit vor einer Bedrohung zu bewahren, die sie selbst geschaffen hat.

Kritik

Als der Comic(fim)gigant DC vor drei Jahren die erste reine „Wonder Woman“-Verfilmung für das DC Extended Universe in Auftrag gab, konnte kaum einer ahnen, dass die Filmreihe einst so die Schlagzeilen beherrschen würde – und das nicht etwa wegen der Qualität der Filme, die alsbald zweitrangig wurde, sondern aufgrund der damit einhergehenden Umstände. Der von uns damals hart kritisierte Auftakt genoss das Rampenlicht vornehmlich aufgrund seiner stolz vor sich hergetragenen Botschaft vom Female Empowerment und machte Hauptdarstellerin Gal Gadot zu einer Ikone für Frauen rund um den Erdball. Die mitunter miserablen Effekte, die banale Story und die strauchelnde Charakterentwicklung spielte für viele scheinbar kaum einer Rolle – und das ist auch völlig okay, denn mit ihrem Stellenwert als heroisches Vorbild haben Gal Gadot respektive Wonder Woman viel für die Wahrnehmung der Frau im Blockbusterkino getan – ganz gleich, ob wir uns dem anschließen mögen oder nicht, so zählt hier doch vor allem die Wahrnehmung der breiten Masse.

Diana Prince (Gal Gadot) lernt ihre neue Kollegin Barbara (Kristen Wiig) kennen.

Nun schreiben wir das ohnehin reichlich chaotische Jahr 2020 und Wonder Woman ist erneut das Zentrum des filmischen (Online-)Diskurses. Und wieder ist es nicht seine Qualität als solches, die „Wonder Woman 1984“ zum Gesprächsthema macht, sondern es sind die Veröffentlichungsumstände. Patty Jenkins‘ Superheldinnennachfolger ist hierzulande bislang nicht erschienen. Stattdessen kam er in seinem Produktionsland USA zeitgleich in die geöffneten Kinos sowie als für einen Monat kostenloser Streamingtitel zum VOD-Dienst HBOMax. Dafür wurde der dazugehörige Verleih Warner Bros. aus vielerlei Gründen scharf kritisiert: für die sämtliche anderen Filmfannationen ausschließende „America First!“-Mentalität, für die Ignoranz den aufgrund der Corona-Pandemie ohnehin strauchelnden Lichtspielhäuser gegenüber und für sämtliche damit einhergehenden Probleme. Denn wann „Wonder Woman 1984“ in Deutschland (und vielen anderen Teilen der Welt außerhalb der USA) in die Kinos kommt, steht aktuell noch in den Sternen. Schon jetzt boomt die Veröffentlichung des Films auf illegalen Tauschbörsen, potenzielle Zuschauer:innen werden aufgrund von Spoilern abgeschreckt und überhaupt verschwindet mit jedem Tag, an dem der Film anderswo bereits legal zu schauen ist, der Reiz, dafür später noch ein Kinoticket zu lösen. Man kann den VOD-Schritt von Warner, mit dem ein für 2021 rundumerneuertes Veröffentlichungsmodell, neue Kinofilme parallel auf HBOMax und ins Kino zu bringen einhergeht, im Anbetracht drastisch eingebrochener Einnahmen ein Stückweit nachvollziehen. Auf jeden Fall aber steht fest: Die Veröffentlichung, die Resonanz und das Feedback zu „Wonder Woman 1984“ dürften für Warner Bros. und die involvierten Filmschaffenden wegweisend sein. Die Zukunft des Kinos war nie so spannend.

SPOILERWARNUNG: Wir setzen an dieser Stelle das Wissen um die Ereignisse des ersten „Wonder Woman“-Films voraus und gehen im Folgenden auch auf Entwicklungen dieses Films ein.

Der aktuell das Internet dominierende, alles andere als positive Tenor zu „Wonder Woman 1984“ (auf Filmbewertungsportalen wie IMDb, Metascore und Rotten Tomatoes sackten die Zuschauerwertungen nur wenige Tage nach der Veröffentlichung beachtlich ab), ist aufgrund des allgemeinen Trubels rund um die Releasepolitik mit Vorsicht zu genießen. Immer wenn eine Filmveröffentlichung mit bestimmten Kontroversen einhergeht, sind die Meinungen der Zuschauer:innen davon eingefärbt. Doch wie ist sie denn nun, diese Fortsetzung, deren mit Achtzigerjahrekitsch versehene Trailer und Plakate einst das Internet in Begeisterung versetzten? Im Hinblick auf den weitestgehend seelenlosen, sich viel zu ernst nehmenden Vorgänger ist man mit dem Prädikat „anders“ wohl am besten bedient. Denn obwohl sich die Personalien vor und hinter der Kamera – mitunter zum Leidwesen des Films (Stichwort: Chris Pine) – kaum geändert haben, käme man kaum auf die Idee, hierfür habe ein auf den wichtigsten Positionen identisches Team verantwortlich gezeichnet. Die einzige Gemeinsamkeit: Wie schon der erste Teil ist auch „Wonder Woman 2“ tonal unausgewogen – nur komischerweise macht das hier einen großen Teil seines Reizes aus.

Steve Trevor (Chris Pine) ist wieder da.

„Wonder Woman 1984“ lässt sich ohne große Anstrengung in drei Erzählabschnitte (oder eher: Episoden) aufteilen. Jeder von ihnen bekleidet ein/e andere/r Darsteller/in, deren/dessen Figur jeweils im Mittelpunkt ihres eigenen Abenteuers steht. Das hat gleichermaßen Vor- und Nachteile. Während etwa ein Pedro Pascal aufspielt, als befände er sich gerade in einem weiteren Teil der „Kingsman“-Reihe und sich in einer Knallchargen-Performance eines karikaturesken Comicschurken so sehr genießt, dass es zwangsläufig mitreißt (und den Film auch im Gesamten bisweilen so sehr dominiert, dass einen seine Auftritte nur selten rausreißen), gerät ausgerechnet Diana Prince alias Wonder Woman ins Hintertreffen ihres eigenen Films. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Fish-out-of-Water-Thematik des ersten Teils – damals war es noch Diana selbst, die mit einer ihr völlig fremden Welt konfrontiert wurde – hier eins zu eins wiederholt. Nur diesmal ist es eben der überraschend wiederkehrende Steve Trevor, der sich in den für ihn völlig fremden Achtzigern zurechtfinden muss. Spannend ist das nicht – und auch die Lacher im Anbetracht menschlicher Gewohnheiten in den Achtzigerjahren halten sich in Grenzen.

„Während ein Pedro Pascal aufspielt, als befände er sich gerade in einem weiteren Teil der „Kingsman“-Reihe und sich in einer Knallchargen-Performance eines karikaturesken Comicschurken so sehr genießt, dass es zwangsläufig mitreißt, gerät ausgerechnet Wonder Woman ins Hintertreffen ihres eigenen Films.“

Die Rückkehr des in Teil eins verstorbenen Steve Trevor für „Wonder Woman 1984“ ist zwar längst nicht so konstruiert geraten wie befürchtet, trotzdem steht sie symptomatisch für eine ganze Reihe fauler Plotentscheidungen, die die Filmhandlung antreiben. Egal ob es nun solche elementaren Dinge wie die Einführung einer bestimmten Figur oder Banalitäten wie das Heraufbeschwören ikonischer Flugzeugflugbilder sind: In „Wonder Woman 1984“ findet vieles einfach so oder, wenn überhaupt, nach einem Minimum an inhaltlicher Etablierung statt, sodass viele kreative Entscheidungen willkürlich wirken. Immer wieder gewinnt man den Eindruck, Szenen seien nur dafür entstanden, um entweder Details aus den Comicvorlagen ins Rennen zu werfen – Namedropping sozusagen – oder um im Vorfeld einige besonders spektakuläre Aufnahmen in den Trailer packen zu können. Nur selten wirkt das Skript (Patty Jenkins, Geoff Jones und Dave Callaham) inhaltlich kohärent.

Pedro Pascal alias Maxwell Lord – optisch irgendwo zwischen Jeremy Renner und Woody Harrelson.

Womit wir wieder bei der Aufteilung von „Wonder Woman 1984“ in drei verschiedene Erzählstränge wären. Neben Pedro Pascal als overactender Bilderbuchschurke und Wonder Woman als blass bleibende Nebenfigur ihres eigenen Films gehört Kristen Wiig („Ghostbusters“) in der Rolle der zurückhaltenden Forscherin Barbara Minerva das letzte Drittel. Wie auch Pascal legt sie sich ihre Figur des Mauerblümchens, das eines Tages mit plötzlicher Popularität und einem attraktiven Äußeren konfrontiert wird, genau so zurecht, wie es zu ihrem Naturell passt. Das hat nicht nur zur Folge, dass auch ihr Part lange Zeit gut funktioniert, sondern auch, dass der Film im Gesamten mehrere Tonalitäten aufweist. In „Wonder Woman 1984“ kollidieren ein schillerndes Bösewichtspektakel, eine melancholische Abhandlung über das Sich ausgestoßen fühlen und ein klassisches Superheldenabenteuer, angereichert mit einigen komischen sowie romantischen Einflüssen. Unter so vielen verschiedenen Einflüssen leidet zwar nicht gerade die Kurzweil – obwohl der Film eine Laufzeit von zweieinhalb Stunden aufweist und er, neben dem Finale, nur eine (!) etwas üppiger ausfallende Actionszene hat, fühlt er sich deutlich kürzer an. Wohl aber das Gefühl, hier einer inhaltlichen Einheit beizuwohnen. „Wonder Woman 1984“ ist stattdessen drei Filme auf einmal – und mit Ausnahme von Pedro Pascals Schurkenshow könnte keine für sich allein stehen.

„Unter so vielen verschiedenen Einflüssen leidet zwar nicht gerade die Kurzweil – obwohl der Film eine Laufzeit von zweieinhalb Stunden aufweist, fühlt er sich deutlich kürzer an. Wohl aber das Gefühl, hier einer inhaltlichen Einheit beizuwohnen.“

Während der Grundkonflikt rund um ein Wünsche erfüllendes Artefakt mit seiner simplen „Gib Acht, was du dir wünscht!“-Message gefällt und es eine ganze Zeitlang Spaß macht, den sukzessive aus dem Ruder laufenden, von Größenwahn und Machtmissbrauch geprägten Ereignissen zuzuschauen, geht der Film im finalen Drittel (fast) an dieser unaufhaltsamen Eskalation zugrunde. Insbesondere Kristen Wiigs Barbara wird dies zum Verhängnis. Die Entwicklung ihrer Figur gerät bar jedweder Plausibilität völlig aus dem Ruder. Dazu passt auch das aus ästhetischer Sicht einmal mehr ziemlich mies aussehende Finale, das dem Vorgänger in Sachen künstliches Effektgewitter in Nichts nachsteht. Und wer im ersten Film noch die Hände über dem Kopf zusammenschlug, als Diana plötzlich ganz pathetisch von der Liebe faselte, der wird „Wonder Woman 1984“ möglicherweise sogar vor dem Einsetzen des Abspannes abschalten.

Fazit: In „Wonder Woman 1984“ kollidieren drei verschiedene Filme. Einer davon funktioniert sehr gut, einer immerhin zur Hälfte und der dritte – ausgerechnet der wichtigste rund um die Titelheldin – kaum. Dieses Aufeinanderprallen drei grundverschiedener Tonfälle hat seinen Reiz, ist aber auch anstrengend. Hinzu kommt, dass Actionfans mit dem Film kaum auf ihre Kosten kommen werden. Alles in allem sind die Veröffentlichungsumstände und ihre Folgen für die Filmbranche spannender als der insgesamt noch solide Film, der damit immer noch deutlich besser ist als Teil eins.

„Wonder Woman 1984“ ist in Deutschland exklusiv bei Sky und in den USA bei HBO Max* abrufbar.

 

*Wir haben den Film für einen monatlichen Abopreis von 14,99$ bei HBOMax geschaut und sprechen uns hiermit in aller Deutlichkeit gegen den Gebrauch illegaler Downloads und den Besuch illegaler Streamingplattformen aus! 

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