Black Widow

Wie wurde aus Natasha Romanoff die sagenumwobene BLACK WIDOW, die sich im Zuge der Ereignisse rund um „Avengers: Endgame“ opferte, um die Welt zu retten? Diese Frage beantwortet das ihren Namen tragende Prequel, das zwar eine erzählenswerte Geschichte vorweist, jedoch nicht die größte emotionale Fallhöhe entwickelt. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.
Der Plot
Seit den Ereignissen von „Avengers: Endgame“ ist das Schicksal von Natasha Romanoff alias Black Widow (Scarlett Johansson) besiegelt. Doch was passierte eigentlich, bevor aus der toughen Kämpferin ein Avenger wurde? Welche Ereignisse in ihrer Vergangenheit haben sie maßgeblich geprägt? Was wurde aus ihrer Familie? Insbesondere aus ihrer Schwester Yelena Belowa (Florence Pugh)? All diese Fragen beantworten die Geschehnisse rund um eine gefährliche Verschwörung, mit der sich die junge Natasha Romanoff in der Vergangenheit konfrontiert sieht. Verfolgt von einem mächtigen Gegner, der vor nichts zurückschreckt und rund um den Erdball seine kruden Machenschaften auslebt, um sie zu vernichten, muss sich Natasha ihrer Vergangenheit als Spionin stellen – wie auch den zerbrochenen Beziehungen, die sie hinter sich ließ, lange bevor sie sich den Avengers anschloss.
Kritik
Ein Prequel im Marvel-Universum – das gab es bislang noch nicht. Zwar haben sich seit dem ersten offiziellen MCU-Film im Jahr 2008 einige Ereignisse als zeitlich nicht ganz chronologisch erzählt herauskristallisiert. Doch Indie-Regisseurin Cate Shortland („Berlin Syndrom“) legt mit ihrer ersten großen Big-Budget-Arbeit nun die aller erste, richtige Vorgeschichte innerhalb des Comicuniversums vor. Ob das so eine kluge Idee ist fragt man sich da als Erstes, denn „Black Widow“ rückt nicht nur eine Figur ins Zentrum, die wir seit ihrem aller ersten Auftritt als Natasha Romanoff in „Iron Man 2“ in- und auswendig kennen. Wir wissen auch, wie ihre Reise in „Avengers: Endgame“ zu Ende ging. Rückblickend wirkt ein Prequel für ihre Figur fast wie Almosen: Jetzt, da man weiß, dass auch Superheldinnen ohne männliche Schützenhilfe an der Kinokasse ziehen, gönnt man ihr nachträglich ihren Solofilm, anstatt es zu einem dramaturgisch deutlich passenderen einfach mal zu versuchen – wir hätten eine Veröffentlichung zwischen „Infinity War“ und „Endgame“ vorgeschlagen; vielleicht sogar als Ersatz für „Captain Marvel“. Doch nun ist es eben, wie es ist und es ist ja nicht so, als sei Natashas Vorgeschichte nicht erzählenswert – im Gegenteil. Der Werdegang der Heroin ist nicht nur beeindruckend, sondern offenbart auch einige der düstersten Ecken im bisherigen Marvel Cinematic Universe. Doch die große emotionale Fallhöhe stellt sich partout nicht ein – einfach, weil „Black Widow“ zu sehr wie eine Notwendigkeit anmutet. Wenngleich eine ordentlich erzählte und mit Ausnahme des Finals auch eine verdammt stark inszenierte.

Yelena (Florence Pugh), Alexei (David Harbour) und Natasha Romanoff (Scarlett Johansson) müssen sich erst wieder aneinander gewöhnen…
Cate Shortland setzt zu Beginn von „Black Widow“ gleich zwei beeindruckende Ausrufezeichen. Beim regelrecht zermürbenden Vorspann zu einem düster melancholischen „Smells Like Teen Spirit“ in einer Version von Malia J und Think Up Anger, der im Zeitraffer die knallharten, an „Red Sparrow“ erinnernden Rekrutierungs-, Ausbildung- und – man kann es nicht anders sagen – Seelenbrechermethoden zeigt, die Natasha Romanoff, ihre Schwester und zahlreiche andere Frauen im Rahmen des KGB-Black-Widow-Programms über sich ergehen lassen mussten, schnürt es einem die Kehle zu. Da fühlt sich das knallbunte Studiologo zuvor regelrecht fehl am Platz an – und man sich selbst irgendwie auch. So ernst hat man eine Marvel-Produktion lange nicht erlebt. Den Auftakt von „Endgame“ miteingeschlossen! Doch schon in den Minuten davor bringt Shortland den Mut auf, das Publikum aus seiner von den bisherigen Marvelfilmen beeinflussten Komfortzone zu bewegen. Von den zahlreichen MCU-Prologen ist man es ja mittlerweile gewohnt, dass sich nicht immer sofort offenbart, wann und wo die gezeigten Szenen spielen, geschweige denn, wo genau sie sich in der Marvel-Chronologie einordnen. Das Dasein von „Black Widow“ als Prequel aus einer Zeit, in der bislang nur abseitige Details des MCUs zu verorten waren, ermöglicht es Shortland umso mehr, aus den Vollen zu schöpfen. Man weiß nicht nur nicht, welche Figuren da auf der Leinwand eigentlich gerade zu sehen sind. Auch die Gründe des gezeigten Fluchtszenarios sind dato unbekannt. Erst mit der Zeit offenbart sich, wer in „Black Widow“ überhaupt der Feind ist – und auch, dass der Prolog nur am Rande mit ebendiesem zu tun hat. Was auch sonst für den Widersacher gilt, denn im Mittelpunkt des Films steht hier klar die Dynamik in Natasha Romanoffs (Pflege-)Familie.
„Selbst das knallbunte Studiologo fühlt sich fehl am Platz an. So ernst hat man eine Marvel-Produktion lange nicht erlebt. Den Auftakt von ‚Endgame‘ miteingeschlossen!“
Es ist auf der einen Seite löblich, dass aus „Black Widow“ ein derart persönlicher, figurengetriebener Film geworden ist. Was nützt es schließlich, in einem Film, dessen Ausgang (auch wenn dieser erst viele Jahre später stattfinden wird respektive in der Veröffentlichungschronologie bereits vor zwei Filmen stattgefunden hat) längst bekannt ist, noch einen klassischen Gut-gegen-Böse-Kampf heraufzubeschwören, von dem man ja letztlich weiß, dass für die Heldinnen nichts zu befürchten steht? Gewiss war Marvel noch nie dafür bekannt, allzu leicht beliebte Figuren über die Klinge springen zu lassen und hat sich derartige erzählerische Paukenschläge lieber bis ganz zum Schluss aufgehoben. Gleichwohl steht hier noch weniger als sonst die Möglichkeit im Raum, dass Irgendeine:r von „den Guten“ nicht überlebt. Ein, um im Superhelden-Duktus zu bleiben, „Superman-Problem“. Ein unverwundbarer Held, eine unverwundbare Heldin – allzu reizvoll ist das nicht. Und das ist wiederum schade, denn der hier als Widersacher auftretende Leiter des qualvollen Black-Widow-Programms ist endlich mal wieder so richtig schön fies und tritt in bester „Winter Soldier“-Manier als ein Schurke auf, der auch außerhalb einer Comicverfilmung hervorragend funktioniert hätte. Dass sich die bravourös-ätzende Dynamik in den Szenen zwischen ihm und Black Widow nicht richtig entfalten kann, liegt in erster Linie daran, dass sie Mangelware sind und das Finale weniger den Kampf gegen ihn als Person thematisiert, sondern gegen das Ausbildungsprogramm an sich. Und so stürzt im verwaschen gefilmten (Kamera: Gabriel Beristain, „Blade II“), mittelmäßig getricksten Finale einfach nur einmal mehr ein riesiges, CGI-animiertes Gebäude über den Köpfen der Held:innen zusammen, obwohl im Vorfeld diverse Nahkämpfe eine angenehme Physis à la „The First Avenger: Civil War“ aufzuweisen wussten. Von einem erhofften Psychokrieg, für den Drehbuchautor Eric Person („Thor: Tag der Entscheidung“) vorab gezielte Brotkrumen streut, ist da leider nichts zu sehen.
Doch wie schon erwähnt, ist „Black Widow“ – und das ist auch gut so! – eben voll und ganz ein Film über eine geistig sehr wohl verwundbare Natasha Romanoff und die Frage, wie aus dieser im Laufe der Jahre ein Avenger wurde. Wer nun aber erwartet hat, dass der Film präzise ihren Werdegang nachzeichnet, im besten Fall sogar sowas zu sehen ist, wie ein Black Widow in seinem Team willkommen heißender Tony Starck, der könnte enttäuscht sein. Der Marvel-Fanservice fällt hier angenehm milde aus (ein Verweis darauf, dass Natashas Appartement in Budapest Abdrücke von Pfeilen aufweist, muss als augenzwinkernder Querverweis in Richtung Hawkeye genügen) – und zwar auch deshalb, weil die bekanntesten Stationen in Black Widows Avenger-Karriere ja ohnehin bekannt sind. Cate Shortland zeigt stattdessen das Dahinter, das die Hauptfigur auch ein Stückweit entmystifiziert. Zumindest waren die vorab beibehaltenen Leerstellen in Natashas Lebenslauf immer groß genug, damit sich das Publikum anhand ihrer persönlichen Erzählungen (insbesondere gegenüber Bruce Banner) selbst ausmalen konnte, was ihr widerfahren sein mag. Das Grauen ihrer Ausbildung, aber auch die familiäre Freude in Natashas Leben bekommen in „Black Widow“ ein Gesicht. Und es lacht, denn insbesondere die Interaktion in der Romanoff-Familie ist allen tragischen Vorzeichen zum Trotz das Herzstück des Films, auch wenn es die ein oder andere leere Pointe beinhaltet. Vor allem der Gag vom alternden Superheld, der nicht mehr in seinen Latex-Anzug passt, hat mittlerweile einen mindestens genauso langen Bart wie „Stranger Things“-Star David Harbour als Red Guardian. Gleichwohl harmoniert er sowohl mit seinen Töchtern als auch seiner Filmehefrau Melina Vostokoff („The Favourite“), die ihrem alternden Gatten ordentlich Contra gibt.
„Das Grauen ihrer Ausbildung, aber auch die familiäre Freude in Natashas Leben bekommen in ‚Black Widow‘ ein Gesicht. Und es lacht, denn insbesondere die Interaktion in der Romanoff-Familie ist allen tragischen Vorzeichen zum Trotz das Herzstück des Films, auch wenn es die ein oder andere leere Pointe beinhaltet.“
Für den meisten Gesprächsstoff dürfte im Anschluss an „Black Widow“ derweil Schauspielerin Florence Pugh sorgen. Die nach ihren phänomenalen Performances in „Midsommar“ und „Little Women“ längst nicht mehr unbekannte Darstellerin hat sich in Filmliebhaberkreisen bereits einen Namen gemacht und wird durch ihre Rolle der toughen Yelena – ein Stückweit der Gegenentwurf zu Black Widow – nun einem größeren Publikum bekannt. Sie beeindruckt nicht nur in ihren harten Nahkampfszenen, sondern auch darin, wie selbstverständlich sie sich die typische Marvel-Attitüde aneignet. Trockener Humor und offensives (wenngleich ein Stückweit widerwilliges) Heldinnentum gehen hier Hand in Hand. Und da sich im Laufe des Films ankündigt, dass wir in Zukunft noch viel von ihr hören werden, erweist sich dieser Neuzugang als wahrlich gelungen.
Fazit: Mit ihrer intimen Erzählung rund um das Schicksal von Avengers-Mitglied Black Widow setzt Arthouse-Regisseurin Cate Shortland ihre eigenen Duftmarken. Die in „Black Widow“ erzählte Geschichte ist definitiv einen Film wert. Doch durch die Platzierung als Prequel ist die dramatische Fallhöhe recht niedrig. Auch die Computereffekte gehören diesmal nicht zur High Class im Marvel-Universum.
„Black Widow“ ist ab dem 8. Juli 2021 in den deutschen Kinos zu sehen und als kostenpflichtiger Premium-Stream bei Disney+ erhältlich.
Ich war schon IMMER ein Marvel und DC Hasser, daran wird sich auch nix ändern!! Ich hoffe, Stephen Dorff bleibt bei seiner Aussage, dass er lieber weitere Indipendet Filme mit Nachwuchs Regisseuren macht, als einen Marvel oder DC Film!!
Man, waren das noch Zeiten, wo bis zum Beginn der 2000er Jahre es noch kaum bis gar keine Marvel Filme gegeben hat.
Zudem scheint der Thriller im Kino fast ausgestorben zu sein!