Streetdance: New York

Zwei Männer schwingen ihre Geigenbögen wie Dolche, eine Gruppe Hip-Hopper nutzt ein Tanzbattle für einen Raubzug und zum ersten Mal steht in STREETDANCE: NEW YORK nicht etwa die große Liebe im Mittelpunkt, sondern ein Visum. Klingt skurril, ist es irgendwie auch. Doch gerade deshalb macht dieser etwas andere Tanzfilm auch großen Spaß. Mehr dazu in meiner Kritik.
Der Plot
Ruby (Keenan Kampa) ist eine klassische Balletttänzerin, die an der renommiertesten Musikschule New Yorks studiert. Tanzen ist ihre große Leidenschaft. Sie ist talentiert und voller Hingabe, lediglich der moderne Tanz liegt ihr nicht sehr. Als sie den britischen Violinisten Johnnie (Nicholas Galitzine) zufällig kennenlernt, ahnt sie noch nicht, wie er ihr Leben verändern wird. Johnnie, der mit seinen StreetDancer-Freunden zusammenwohnt und mit improvisierten Konzerten seinen Lebensunterhalt verdient, eröffnet Ruby eine völlig neue, faszinierende und spannende Seite der Musik. Doch als Johnnie eines Tages von den New Yorker Behörden aufgegriffen wird und keine Green Card vorweisen kann, droht sein Traum von einem Leben im angesagten Manhattan zu zerplatzen. Es gibt nur einen Ausweg: Der Gewinner eines Tanzwettbewerbes an Rubys Schule erhält ein Studentenvisum für die USA sowie ein Stipendium. Gemeinsam erarbeiten Ruby, Johnnie und seine StreetDancer-Freunde eine Choreografie für den Wettbewerb, in der die Coolness des StreetDance mit der Anmut des Balletts und der klassischen Musik auf der Bühne verschmelzen. Werden sie es schaffen, die Jury zu überzeugen?
Kritik
Ähnlich der klassischen Romantic Comedy läuft auch ein herkömmlicher Tanzfilm zumeist nach demselben Schema ab. Dies gilt erst recht für sämtliche Vertreter bekannter Franchises; „Honey“, „Step Up“ oder eben „Street Dance“, die alle zusammen auf sage und schreibe 12 Filme kommen. Da sich das Zielpublikum von der meist recht simplen Dramaturgie sowie den überschaubaren Schauspielleistungen nicht abschrecken lässt und die Tanzchoreographien oft ein echter Augenschmaus sind, haben sich all diese Reihen trotzdem eine große Fanbase aufbauen können. Ein weiterer Film aus diesen Franchises gilt daher als sichere Bank, was gewisse Einspielergebnisse angeht. Insofern wundert es auch nicht, dass die im Original „High Strung“ betitelte Tanzromanze hierzulande mal eben der „Street Dance“-Dachmarke angedichtet wird; irgendwie lassen sich die rhythmischen Eskapaden von Ballerina Ruby und Geigenvirtuose Johnnie sicher im „Street Dance“-Kosmos unterbringen. Hierzulande kommt der Film nun also als „Streetdance: New York“ in die Kinos. Ob er sich damit unter Wert verkauft, ist Ansichtssache: Durch den Bezug zu einem bereits bekannten Tanzfilmfranchise macht man sich quasi eine bekannte Marke zunutze, um an den Kinokassen mehr Aufmerksamkeit zu generieren; „Street Dance“ spricht eben für sich. Gleichzeitig hat „High Strung“ absolut gar nichts mit den bisher doch recht austauschbaren Vorgängern zu tun. Wer sich also von dem „Streetdance“-Zusatz im Titel abschrecken lässt, tut dem wohl pfiffigsten Vertreter des Tanzfilmgenres der vergangenen Jahre wirklich Unrecht. „Streetdance: New York“ ist trotz einer unübersehbaren Guilty-Pleasure-Attitüde ein äußerst amüsantes Kinoerlebnis.
Es ist müßig, zu erwähnen, dass sich zumindest im Handlungsverlauf nichts Eklatantes von anderen Filmen dieses Genres unterscheidet. Zwei Menschen verlieben sich, finden über die Leidenschaft für die Musik zueinander, sehen sich mit einem schier ausweglosen Konflikt konfrontiert, der beide auseinander treibt und am Ende finden beide dann doch wieder zueinander. So weit folgt auch „Streetdance: New York“ den simpelsten Genrekonventionen. Doch wo der Fokus gerade in den aktuelleren Tanzfilmen immer mehr darauf gelegt wurde, einfach nur die Tanzchoreographien spektakulärer zu gestalten, um dadurch so etwas wie einen Wiedererkennungswert zu generieren, bemüht sich Regisseur Michael Damian („Marley und Ich 2 – Der frechste Welpe der Welt“) sichtlich, bei der Variation des Handlungsverlaufs nicht bloß auf das simple Credo „Höher, schneller, weiter!“ zu setzen, sondern tatsächlich völlig eigene, vor allem neue Akzente zu setzen. So gibt es in „Streetdance: New York“ zwar auch das obligatorische Herzschlagfinale in Form einer bombastisch inszenierten Tanzeinlage zu sehen. Vorab wird der Zuschauer allerdings auch Zeuge solch amüsant-kreativer Ideen wie einem Geigen-Duell (wobei das Wort „Duell“ hier wortwörtlich zu verstehen ist), einem als Hip-Hop-Battle getarnten Raubzug in der New Yorker U-Bahn sowie eleganten Einschüben von Rubys Training an der Musikakademie, in denen auch der Balletttanz ausgiebige Beachtung erhält. Indem Damian derartige Einschübe mit einem Augenzwinkern verpackt, seine Figuren jedoch nicht der Lächerlichkeit preisgibt, indem er Lebensziele und –wünsche realistisch konstruiert, bekommt „Streetdance: New York“ einen amüsanten Grundton, ohne dabei albern zu werden. Ein erfrischender Ansatz für ein Genre, das sich vor allem dann der Lächerlichkeit preisgibt, wenn die Macher sich und ihre Arbeit zu ernst nehmen.
Auch der amouröse Aufhänger von „Streetdance: New York“ wird diesmal in Teilen variiert. Hauptfigur Ruby lernt den Straßenmusiker Johnnie durch Zufall kennen, der in der Weltmetropole um ein Visum bangt und den dieser Stress als nicht gerade angenehmsten Zeitgenossen darstellt. Das Zusammenfinden des potenziellen Traumpaares erfolgt dann auch tatsächlich einzig und allein über den Versuch, Johnnie mithilfe eines Stipendiums an Rubys Akademie ein Bleiberecht zu ermöglichen. Was folgt, ist das gemeinsame Training für einen anstehenden Showwettkampf, bei dem der Gewinner jenes Stipendium und Geld erhält. Dass das nicht unbedingt auf logischen Grundsätzen beruht (einige der teilnehmenden Mannschaften bestehen ausschließlich aus Schülern der Akademie, die alle bereits Visum und Stipendium besitzen, woraus sich ein Reiz an der Teilnahme eigentlich gar nicht ergeben kann), ist hier zweitrangig. Interessant und für die Dramaturgie relevant ist ohnehin nur die Frage, ob Johnnie aus dem Turnier als Sieger hervorgehen wird. Verpackt in wenig innovative, aber visuell ansprechend inszenierte Bildmontagen sehen wir das Training von Rubys Team, das sich aufgrund der Figurenkonstellation besonders spannend gestaltet. So fördert nicht bloß der Kontrast zwischen den herben Geigenklängen Johnnies und der Grazie von Rubys Tanz energetische, wenn auch vorhersehbare Gegensätze zutage, auch eine in Johnnies Wohnhaus beherbergte Tanzcrew aus einer Handvoll Hip-Hop-Tänzern trägt ihren Teil dazu bei, dass die finale Choreographie nicht bloß aus standardisierten Rhythmen besteht. Sogar für einen Hauch augenzwinkernder Selbstkritik ist Platz, als die Jury nach dem zugegebenermaßen sehr konstruierten Finaltanz bemerkt, dass „die es nun endgültig übertrieben“ haben.
Vollkommen frei von Makeln ist „Streetdance: New York“ dann allerdings nicht; im Gegenteil. Im Grunde begeht Regisseur Damian sogar Fehler, die Regiekollegen seines Genres schon lange nicht mehr zu begehen wagen. So ist es zwar den Umständen geschuldet, dass in Tanzfilmen vorzugsweise nach Tanzkünsten gecastet wird, damit bei den Dreharbeiten möglichst wenig Doubles eingesetzt werden müssen. In „Streetdance: New York“ scheint es allerdings so, als hätte überhaupt kein Check ob vorhandener Schauspielkünste stattgefunden. Während sich dieser Umstand aufgrund der seichten Dialoge hier und da vereiteln lässt, präsentieren sich einige Darsteller und Darstellerinnen so miserabel, dass man nur auf die deutsche Synchronisation hoffen kann, die auf dieser Ebene vielleicht den einen oder anderen Faux Pas auszubügeln vermag. Insbesondere Sonoyo Mizuno („Ex_Machina“) als Rubys Mitbewohnerin Jazzy scheint ihre Texte teilweise einfach nur aufzusagen und agiert vollkommen frei von authentischer Gefühlsregung. Darüber hinaus bekleckert sich Michael Damian als Drehbuchautor nicht unbedingt mit Ruhm. Zum Teil hanebüchene Texte wie „We are Dancers. Dancers dance!“ entbehren nicht selten unfreiwilliger Komik. Wie gut, dass das Hauptaugenmerk dann doch auf den visuellen und akustischen Qualitäten liegt. Und hier macht Kameramann Viroel Sergovici („Pioneer’s Palace“), der „Streetdance: New York“ in ein erwachsen-düsteres Gewand hüllt, sowie Komponist Nathan Lanier („Jem and the Holograms“) keiner etwas vor. Schade, dass man gerade bei energetischeren Szenen immer mal wieder den Eindruck hat, der Cutter würde das Geschehen einen Tick zu früh beenden.
Fazit: „Streetdance: New York“ wird nicht dazu beitragen, dass sich sämtliche Klischees über Tanzfilm-Romanzen in Luft auflösen. Doch der Film ist nicht nur technisch astrein inszeniert, auch die selbstironische Ader und – natürlich – einmal mehr atemberaubende Tanzsequenzen sorgen für amüsante, kurzweilige Unterhaltung, die einen meistens darüber hinweg sehen lässt, dass die Darsteller selbst mit den einfachsten Texten so ihre Probleme haben.
„Streetdance: New York“ ist ab dem 14. Juli bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
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