Le Mans 66 – Gegen jede Chance

Basierend auf wahren Ereignissen erzählt LE MANS 66 – GEGEN JEDE CHANCE von der untrennbaren Freundschaft zweier Rennfahrer und dem Konkurrenzkampf zweier erfolgreicher Autobauer. Beides hinterlässt bleibende Eindrücke. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

1959 steht Carroll Shelby (Matt Damon) auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, gerade hat er das schwierigste aller Autorennen, die 24 Stunden von Le Mans, gewonnen. Seinem größten Triumph folgt eine niederschmetternde Nachricht: Ein Arzt teilt dem furchtlosen Texaner mit, dass ein schweres Herzleiden ihm die Fortsetzung seiner Rennfahrertätigkeit verbiete. Was den ewig einfallsreichen Shelby dazu bringt, sich als Auto-Designer und -Verkäufer neu zu erfinden. In einem Lagerhaus in Venice Beach startet er seine neue Karriere. Zur Belegschaft gehört der heißblütige Testfahrer Ken Miles (Christian Bale). Das britische Rennfahrerass ist ein Familienmensch, brillant hinter dem Volant, zugleich jedoch ungehobelt, arrogant und zu keinem Kompromiss fähig. Als Shelby mit seinen Fahrzeugen in Le Mans gegen die des altehrwürdigen Enzo Ferrari antritt, nimmt die Ford Motor Company den Visionär unter Vertrag und beauftragt ihn mit dem Bau des ultimativen Rennautos. Entschlossen, ihre Aufgabe zu meistern, nehmen Shelby, Miles und ihre bunt zusammengewürfelte Crew die Herausforderung an…

Kritik

2019 ging das 24-Stunden-Rennen von Le Mans in sein 96. Jahr. Das ist eine lange Tradition, die sich heute vornehmlich als Schaulaufen von Autobauern versteht und weniger als Kräftemessen zwischen einzelnen Sportlern. Das war allerdings nicht immer so. Obwohl im Jahr 1959 ein Wettstreit zwischen Ford und Ferrari um das schnellste Rennauto der Welt entflammte, stand doch vor allem einer der Fahrer im Fokus: Ken Miles, einst das Enfant Terrible der Rennszene, seines Zeichens schwer zu kontrollieren und doch über alle Maßen loyal, begab sich in ebenjenem Jahr hinters Steuer für Ford und lieferte sich in seinem Team einen geschichtsträchtigen Wettkampf gegen die Italiener, das vor allem aufgrund des umstrittenen Ausgangs (mehr dazu wollen wir nicht verraten) für Aufsehen sorgte. Auf diese beiden Erzählebenen konzentriert sich nun auch Regisseur James Mangold („Logan“) in seinem hochspannenden und gleichermaßen tief persönlichen (und noch dazu überraschend witzigen) Rennsportdrama „Le Mans 66 – Gegen jede Chance“. Der im Original „Ford v Ferrari“ betitelte Film behandelt zu gleichen Teilen den sportlichen Wettstreit, sowohl auf der Rennbahn als auch hinter den Kulissen der Ford Motor Company, sowie die Beziehung zwischen Ken Miles und seinem Freund Carroll Shelby. Ein feiner Schachzug, denn so kommt „Le Mans“ bei all seinem doch recht oberflächlichen Machtgehabe rund um fahrbare Untersätze nie die Seele abhanden.

Caitriona Balfe als Kens autovernarrte Ehefrau Mollie Miles.

Neben der Langzeitschäden für die Umwelt und das hohe Verletzungsrisiko für Fahrer und Crew steht der Rennsport seit jeher in der Kritik, eher Wettrüsten von Automobilherstellern als Wettkampf zwischen Fahrern zu sein. Das war im Vorfeld durchaus eine Herausforderung für das Drehbuchautorentrio aus Jez Butterworth („James Bond 007: Spectre“), John-Henry Butterworth („Edge of Tomorrow“) und Jason Keller („Escape Plan“) – schließlich sympathisiert es sich mit Menschen aus Fleisch und Blut und mit Gefühlen deutlich besser als mit profitgeilen Autokonzernen. Doch das Skript zu „Le Mans 66“ konzentriert sich von Anfang an auf den menschlichen Faktor in dieser Geschichte. Da ist zunächst einmal Carroll Shelby, der von heute auf morgen zu Beendigung seiner Rennsportkarriere gezwungen wird und sich dafür entscheidet, hinter die Kulissen des Autozirkus zu treten. Und da ist Ken Miles, der binnen weniger Szenen als schwer zu händelnder Raufbold etabliert wird, mit dem sich eine Zusammenarbeit ohne Zweifel als schwierig herausstellen dürfte. Dennoch fußt die Beziehung zwischen den beiden Männern auf tiefer Sympathie – und sie unterfüttert den Konkurrenzkampf zwischen Ford und Ferrari mit Herz und Seele. Denn am Ende geht es nicht etwa darum, hier einem der beiden Konzerne die Daumen zu drücken, sondern den spannenden Weg in Richtung Le-Mans-Rennen zu verfolgen. Miles‘ emotionale Wutausbrüche drohen nämlich zeitweise seine Teilnahme am Wettbewerb zu verhindern, während Shelby gleichzeitig eisern an „seinem Mann“ festhält und alles unternimmt, um Ford von seiner Eignung als Teammitglied der Ford-Mannschaft zu überzeugen. Die meiste Zeit über geht es in „Le Mans“ also nur in zweiter Reihe um den Konkurrenzkampf auf der Strecke, sondern vielmehr um die Verbindung zwischen den beiden Hauptfiguren.

Vor allem Ken gesteht das Skript ein umfangreiches soziales Umfeld zu. Insbesondere seine autovernarrte Ehefrau Mollie (Caitriona Balfe) nimmt eine entscheidende Position ein, die die bisweilen recht turbulent verlaufenen Ereignisse wahlweise kritisch oder sehr amüsiert beäugt. Sie und ihr Sohn Peter (Noah Jupe) machen aus Ken Miles nicht bloß einen hochengagierten Rennfahrer, sondern eben auch einen Familienmensch, der das Wohl seiner Liebsten stets seiner Leidenschaft überordnet. Und genau das ist es, wovon „Le Mans 66“ lebt: Interesse und Sympathien für seine Figuren.  Vor allem in einer Szene, in der James Mangold zuvor noch eindrucksvoll das Können des neuesten Ford-Wagens präsentiert und beim Zuschauer ordentlich Adrenalin freigesetzt hat und die kurze Zeit später in einen schlimmen Unfall mündet, zeigt mit beachtlicher Deutlichkeit, wie sich hier binnen weniger Sekunden die Prioritäten verschieben: Hat man sich soeben noch an den spektakulär gefilmten Rennsequenzen erfreut und gemeinsam mit Ford davon geträumt, Ferrari im Rennen um das schnellste Auto zu schlagen, ist all das nur kurze Zeit später absolut nichtig – schließlich sitzen hier am Ende immer noch Menschen hinterm Steuer, deren Leben keinen noch so aufsehenerregenden Rekord wert ist. Trotzdem lässt sich eines nicht leugnen: Sitzt Ken Miles erst einmal hinter ebendiesem Steuer, wird die Leinwand zur Rennstrecke. Denn so amüsant die freundschaftlichen Querelen zwischen Miles und Shelby auch sein mögen und so spannend und bisweilen selbstentlarvend der (technische) Wettstreit zwischen Ford und Ferrari, so energetisch und mitreißend geraten die Szenen auf der Rennbahn.

Höhepunkt des Films ist die famose Nachinszenierung des 24-Stunden-Rennens von Le Mans.

… und „Le Mans 66“ geht mit einer knapp halbstündigen Nachstellung des 24-Stunden-Rennens von Le Mans in ein sagenhaftes Finish. Mit einer wahnsinnigen Detailverliebtheit gelingt es James Mangold, Autorennen als körperlich anstrengenden Sport einzufangen, indem Kameramann Phedon Papamichael („The Huntsman & The Ice Queen“) zu gleichen Anteilen furiose, Übersicht über das Renngeschehen schaffende Panoramasequenzen von der Rennstrecke einfängt, gleichermaßen Christan Bales‘ angestrengtes Gesicht in Nahaufnahme einfängt und immer wieder zwischen Aufnahmen von Lenkrad, Gas- und Bremspedal sowie Steuerknüppel hin- und herspringt, um das Verhalten des Autos auf der Rennstrecke direkt mit den Taten des Fahrers in Verbindung zu bringen. Das dreiköpfige Editorentrio aus Andrew Buckland („Girl on the Train“), Michael McCusker („Greatest Showman“) und Dirk Westervelt („Zombieland: Doppelt hält besser“) vermengt das Ganze schließlich zu einem Paradebeispiel für einen gleichermaßen energetischen und Tempo forcierenden, aber nie unübersichtlichen Schnitt, der die hitzige Atmosphäre in der Situation optimal unterstreicht. Das können die drei Cutter aber auch zurückfahren; gerade in den zwischenmenschlichen Momenten erlaubt sich der Kameramann keine unnötigen Experimente, sondern hebt mit Ruhe und Übersicht die Charakterdramaeigenschaften des Films hervor. So auch Matt Damon („Der Marsianer“) und Christian Bale („Feinde – Hostiles“), die sich zwar beide ganz in den Dienst ihrer Rollen stellen, sich aber nie an den Spleens ihrer Figuren aufhängen und sie somit zu absolut authentischen Zeitgenossen machen, mit denen man gut und gern noch viele weitere Stunden im Kinosaal verbringen würde.

Fazit: „Le Mans 66 – Gegen jede Chance“ ist ein leidenschaftliches Porträt an die Zeit, in der Autorennen noch Sport waren und der Wettkampf zwischen Großkonzernen nicht halb so wichtig wie Zusammenhalt und Freundschaft zwischen alten Freunden. Große Bilder, überraschend viel Witz und zwei tolle Hauptdarsteller machen aus James Mangolds Rennsportdrama einen der besten Filme des Jahres.

„Le Mans 66 – Gegen jede Chance“ ist ab dem 14. November bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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