James Bond 007: Spectre

Daniel Craig meldet sich mit JAMES BOND 007: SPECTRE zurück als weltweit bekanntester Gentleman-Spion. Das insgesamt 24. Abenteuer im Auftrag ihrer Majestät hat Schwächen, die überraschen, eine spektakuläre Eröffnungssequenz und das älteste Bondgirl aller Zeiten. Und genau deshalb weiß man auch nicht so ganz, was man von alldem halten soll, was Sam Mendes gelungen ist. So bleibt ein zwiegespaltenes Fazit und die Hoffnung, dass Daniel Craig auch im nächsten Film – dem 25. Jubiläumsbond – noch mit von der Partie sein wird.
Der Plot
Eine mysteriöse Nachricht aus der Vergangenheit schickt James Bond (Daniel Craig) ohne Befugnis auf eine Mission nach Mexico City und schließlich nach Rom, wo er Lucia Sciarra (Monica Belucci) trifft. Sie ist die schöne und unantastbare Witwe eines berühmt-berüchtigten Kriminellen. Bond unterwandert ein geheimes Treffen und deckt die Existenz der zwielichtigen Organisation auf, die man unter dem Namen SPECTRE kennt. Derweil stellt der neue Chef des Centrefor National Security Max Denbigh (Andrew Scott) in London Bonds Tätigkeit in Frage und ebenso die Relevanz des MI6 unter der Führung von M (Ralph Fiennes). Heimlich bittet Bond Moneypenny (Naomi Harris) und Q (Ben Wishaw), ihm dabei zu helfen, Madeleine Swann (Léa Seydoux) aufzuspüren. Sie ist die Tochter seiner alten Nemesis Mr. White (Jesper Christensen) und wahrscheinlich die einzige Person, die im Besitz eines Hinweises ist, mit dem sich das undurchdringbare Netz um SPECTRE entwirren lässt. Als Tochter eines Killers ist sie außerdem dazu in der Lage, Bond wirklich zu verstehen. Etwas, das die meisten anderen Menschen nicht können. Während Bond immer tiefer in das Herz von SPECTRE vordringt, findet er heraus, dass es eine überraschende Verbindung gibt, zwischen ihm selbst und dem Feind, den er sucht.
Kritik
Sein Name ist Bond – James Bond. Und er ermittelt mittlerweile seit 53 Jahren im Auftrag ihrer Majestät. Er trinkt seinen Martini lieber geschüttelt als gerührt, greift seit der Craig-Ära aber auch ganz gern mal zu Bier anstatt zu teuren Cocktails. Seine Vorliebe gilt schnellen Autos und schönen Frauen, er nutzt lieber witzige Gadgets als eine langweilige Waffe und sein Einsatzgebiet erstreckt sich von London einmal rund um den Globus. In diesem Jahr schickt Sam Mendes („Skyfall“) den Agenten in sein 24. Abenteuer und wenn man Gerüchten Glauben schenkt, handelt es sich bei „Spectre“ nicht bloß um die letzte Craig-Odyssee, sondern auch um Mendes‘ „Bond“-Finale. Kurzum: In dieser Konstellation wird man die Eskapaden des smarten Anzugträgers wohl kaum noch einmal zu sehen bekommen, weshalb es dem fertigen Projekt durchaus zu gönnen gewesen wäre, eine ähnliche Euphorie auszulösen wie es sein Vorgängerfilm 2012 zu tun vermochte. Doch je höher die Erwartungen, desto leichter lässt es sich daran zerschellen. „Skyfall“ stellte vor drei Jahren nicht bloß weltweite Rekorde an der Kinokasse auf, sondern wurde auch von Kritikern gefeiert. Im Falle von „Spectre“ sind die Reaktionen der professionellen Beobachter schon seit der Veröffentlichung des Bondsongs „Writings on the Wall“ verhalten. Dieser kritische Unterton ist seither bestehen geblieben. In einem Jahr, in dem gefühlt jeden Monat ein neuer Agentenfilm den Weg auf die große Leinwand findet, hat es selbst Superspion James Bond mit ungewöhnlich viel Konkurrenz zu tun. Und auch, wenn sich „Spectre“ in Tonfall, Image und Produktionsaufwand gänzlich von seinen Mitbewerbern unterscheidet, so muss man doch einsehen: Die Drehbücher von „Mission: Impossible 5“, „Kingsman“ und Co. sind um einiges gewitzter, interessanter und spektakulärer, als jenes von „Spectre“ – einem Film, der sich vielleicht am ehesten auf die Grundsätze des Spionagethrillers besinnt, sich das Wort „Entertainment“ jedoch so schwach auf die Fahnen geschrieben hat, dass gerade jene Zuschauer enttäuscht sein werden, für die das „James Bond“-Franchise bis dato den Inbegriff der Actionthriller darstellte.
Der größte Pluspunkt an den „James Bond“-Filmen war und ist seit jeher eine genrebedingte Ausgeglichenheit. Knallharte Action, spannende Ermittlungsarbeit, ein Funken Erotik und ein Hauch von Humor gehen bei der britischen Agentenreihe normalerweise Hand in Hand, weshalb es auch stets schwer war, den Filmen formal betrachtet etwas vorzuwerfen. Schlussendlich stimmte ganz einfach die Floskel, dass hier für jeden Geschmack etwas dabei ist. Da das Segment des Spy-Thrillers in den vergangenen Jahren jedoch auch überversorgt wurde (allein in diesem Jahr erschienen nicht bloß „MI 5“ und „Kingsman“, sondern auch „Spy – Susan Cooper Undercover“, „American Ultra“ sowie „Codename: U.N.C.L.E.“), wird der geneigte Zuschauer schon mal ungeduldig. Was für neue Ansätze soll „Spectre“ liefern, die nicht von den anderen Filmen bereits bedient wurde? Hinzu gesellt sich eine ganz neue, auch unter Gelegenheitskinogängern kritische Filmguckkultur. Wer heutzutage das Geld aufbringt, einen Film im Kino anzusehen, der erwartet dafür nicht bloß Mittelmaß, sondern den ganz großen Coup. Daher wird gemeckert, wo es nur geht. Während die einen kritisieren, das Hollywoodkino wäre seit dem neuen Jahrtausend ausschließlich von Krawall, Stunts und Explosionen geprägt, wünschen sich die anderen Anspruch. Und die, die das Prinzip eines gelungenen Films verstanden haben, die erkennen, dass es ganz auf das Projekt selbst ankommt. Es gibt kein grundlegendes Erfolgsrezept, mithilfe dessen sich das Einspiel einer jeden Produktion erklären lässt. Das einzig wichtige ist die Stimmigkeit des Gesamtpakets. Weshalb dieser Exkurs? Genau dieses Gesamtpaket ist gerade im Falle der „Bond“-Filme der Schlüssel, weshalb wir es hier mit dem erfolgreichsten Filmfranchise aller Zeiten zu tun haben. Ihm haftet ein brillantes Image an, an dem es sich nur schwer rütteln lässt. Die Verfasserin dieser Zeilen ist weit davon entfernt, „Spectre“ vorwerfen zu wollen, dieses Image auch nur im Ansatz zu zerstören. Doch im Vergleich zu sämtlichen vorherigen „Bond“-Filmen tut sich Sam Mendes‘ neuestes Werk schwer wie lange nicht.
Die Eröffnungssequenz von „Spectre“ war nicht nur sichtlich ein echtes Mammutprojekt, sondern stellt zeitgleich auch den Höhepunkt der mit insgesamt rund 150 Minuten viel zu ausladenden Spielzeit dar. Kameramann Hoyte Van Hoytema („Interstellar“) katapultiert den Zuschauer mitten hinein in einen Umzug anlässlich des mexikanischen Dia de los Muertos (zu Deutsch: Tag der Toten), der mit einem Aufwand konzipiert wurde, dass man als Zuschauer gar nicht weiß, wohin man zuerst schauen soll. Gefühlte Tausende von Statisten bewegen sich zu mitreißender Musik, aufwändige Kostüme sorgen für spektakuläre Bildgewalten, es gibt phänomenale Hubschrauberstunts, augenzwinkernden Humor, eine Kamera, die sich wie ein Verfolger an die Fersen Craigs heftet und einen ersten Eindruck davon, weshalb vorab spekuliert wurde, „Spectre“ könne sämtliche Hollywoodproduktionen von Seiten des Budgets toppen. Doch schon mit dem Einsetzen des Bondsongs offenbaren sich schließlich die ersten Probleme, denn im Vergleich zum „Skyfall“-Intro erweist sich die „Spectre“-Sequenz als lieblose CGI-Montage. Natürlich bewegt man sich in dieser Kritik auf sehr hohem Niveau – die Farbauswahl einhergehend mit dem künstlerischen Aufwand können sich auch hier sehen lassen. Doch der sagenumwobene Funken vermag es nicht, überzuspringen. Mit der Organisation SPECTRE als Antagonist ließe sich eine hervorragend beklemmende Szenerie kreieren. Doch ausgerechnet bei einer Thematik, die jeden von uns tangieren sollte (Stichwort: Datenkrake) fehlte es den Autoren an dem Vermögen, die Ausgangslage so mitreißend zu gestalten, dass der Zuschauer dem Ausgang des Films entgegenfiebert.
Gelang es „Skyfall“ noch formidabel, all jene Elemente zu verbinden, mit denen sich die „James Bond“-Reihe so viele Jahre über als Thriller-Reihe Nummer eins beweisen konnte, fahren die Filmemacher im Falle von „Spectre“ einen äußerst zurückgenommenen Kurs. Während sich der Ausgang der Geschichte bereits nach etwa einer Filmstunde offenbart und sich das Sprichwort „Der Weg ist das Ziel“ als offenbare Regie-Intention erweist, enttäuscht „Spectre“ leider auch auf Ebenen, bei denen man vorab gar nicht so genau glaubte, dass ein „Bond“-Film hier überhaupt enttäuschen kann. Da wäre zum einen die Action: Hoyte Van Hoytema ist ein begnadeter Kameramann. Seine Bildgewalten in „Interstellar“ suchen bis heute ihres gleichen, sodass sich kaum erschließt, weshalb er gerade bei den Actionszenen eine solche Lustlosigkeit an den Tag legt. Das beste Beispiel hierfür ist eine Auto-Verfolgungsjagd in Rom, der jedwede Dynamik fehlt und der schließlich auf Kosten eines hektischen Schnittgewitters in Gänze die Faszination geraubt wird. Dies ist vor allem deshalb so schade, weil die Eröffnungsszene in ihrer fast vollständig vom Schnitt befreiten Machart betört und sich dieser tolle Eindruck nicht auf den kompletten Film übertragen kann.
Ein weiterer Faktor, der im Falle von „Spectre“ gnadenlos schief gegangen ist, ist das Casting und die damit einhergehende Pressearbeit. Ohne vorab verraten zu wollen, in welche Richtung sich der Plot entwickelt, so lässt sich sagen, dass Figuren, die in anderen Stammrollen bereits die Rolle eines Antagonisten ausfüllen, vielleicht nicht unbedingt für einen „aus-Gut-wird-Böse“-Twist gebraucht werden sollten. Auch die Besetzung von Monica Belucci („Shoot ‘Em Up“) als ältestes Bondgirl aller Zeiten wurde fortan groß ins Marketing mit eingebunden. Doch ihre Screentime gleicht der eines größeren Cameos. Eigentliches Bondgirl ist Léa Seydoux („Blau ist eine warme Farbe“), die sich als Femme Fatale gut verkauft. So gelingt es ihr bisweilen sogar, Daniel Craig die Show zu stehlen, denn dieser legt zwar seinen typisch coolen Gestus und Duktus an den Tag, doch die Dynamik seiner vorherigen Performances kann er nicht ausspielen. Ähnliches gilt für Christoph Waltz („Big Eyes“), der sich zuletzt immer mit der Kritik auseinandersetzen musste, er würde lediglich seine Leistung aus sämtlichen Tarantino-Werken wiederholen. In „Spectre“ nimmt er sich angemessen zurück – Waltz ist wie gemacht für die Rolle des Bond-Bösewichts, doch die Manie eines Javier Bardem geht ihm sichtlich ab.
„Skyfall“ befasste sich ausführlich mit der Hintergrundgeschichte der Hauptfigur und warf Fragen auf, mit deren Hilfe sich das „Bond“-Universum als wesentlich komplexer erschließen ließ als zuvor. Auch „Spectre“ kündigt an, sich und die Filme zuvor miteinander verknüpfen zu wollen. Das ist in Zeiten der Marvel-Cinematic-Universe-Erfolgsgeschichte mutig und verhilft dem „Bond“-Franchise augenscheinlich zu noch mehr inhaltlicher Komplexität. Doch schlussendlich bleibt es lediglich eine leere Behauptung. „Spectre“ überrascht nicht und stützt sich auf sein Dasein als Spionage-Schnitzeljagd. Das ist ein Ansatz, wie ihn schon die frühen „Bond“-Filme verfolgten, doch anders als ebenjene Vorbilder ist „Spectre“ weder mutig, noch innovativ oder gar spannend. Sam Mendes hat definitiv einen guten Cast, er hat das Potenzial einer interessanten Geschichte und gerade im Hinblick auf die Figur des Q offenbart das Skript überraschend viel Humor. Doch Logiklöcher und eine Story, die sich beim Zuschauer lediglich in der Theorie abspielt, rauben dem Film den Unterhaltungswert. Natürlich braucht es keine Zerstörungsorgien oder wilde CGI-Spielereien, um den Zuschauer heutzutage zu entertainen. Aber egal auf welche inszenatorische Idee man sich stützt: Die Geschichte muss fesseln. Und dass dies ausgerechnet im Falle von „Spectre“ nicht gelingt, ist fast schon wieder ironisch.
Fazit: Da hilft auch die spektakuläre Eröffnungssequenz nicht: „James Bond 007: Spectre“ ist unausgegoren, zu lang und angesichts seiner vielen inhaltlichen Defizite keines Daniel-Craig-Abschiedes würdig. Es bleibt zu hoffen, dass es sich der charismatische Brite noch einmal anders überlegt und uns in spätestens drei Jahren wieder einen „Bond“-Film um die Ohren haut, der sich gewaschen hat.
„James Bond 007: Spectre“ ist ab dem 5. November bundesweit in den Kinos zu sehen.
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