Greatest Showman

Das Kinojahr 2018 eröffnet mit einem Knall: Das Musicaldrama GREATEST SHOWMAN präsentiert einen Haufen A-Klasse-Hollywoodstars in absoluter Bestform, spektakuläre Showperformances und eine zu Herzen gehende Geschichte. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

P.T. Barnum (Hugh Jackman) stammt aus einfachen Verhältnissen. Aber er hat einen Traum: Er will die Menschen begeistern! Gemeinsam mit seiner Frau Charity (Michelle Williams) und seinen beiden Töchtern Caroline und Helen (Austyn Johnson, Cameron Seely) kauft er ein altes Kuriositätenkabinett und ringt verzweifelt um Besucher, bis er beschließt, eine Zirkusshow auf die Beine zu stellen, wie sie die Welt noch nie gesehen hat. Er rekrutiert Artisten und Freaks, Gaukler und Künstler und inszeniert ein spektakuläres Event, das fortan jeden Abend ausverkauft ist. Doch nicht nur innerhalb der Gruppe kommt es bald zu Spannungen, auch Teile der Gesellschaft protestieren gegen Barnums Truppe. Er beschließt, Kontakt mit dem Theaterregisseur Philip Carlyle (Zac Efron) aufzunehmen, der bei den Oberen Zehntausend ein- und ausgeht. Und auch die Bekanntschaft mit der umwerfenden Sängerin Jenny Lind (Rebecca Ferguson) lenkt das Leben der Barnum-Familie in ganz neue Bahnen…

Kritik

Ist es nicht ein wenig ironisch – ja, fast schon zynisch –, wenn ein Theaterkritiker keinen Spaß am Theater hat? Diese Frage stellt Hugh Jackman („Logan“) in seiner Rolle des P.T. Barnum einem Journalisten, nachdem dieser zuvor mit gelangweilter Miene die von ihm zu rezensierende Veranstaltung besucht hat. P.T. Barnum ist so etwas wie der Erfinder dessen, was man heutzutage als „Show“ bezeichnet; der Urvater modernen Entertainments, und musste sich schon früh mit dem Gedanken abfinden, dass nicht nur eine gewisse Elite lieber in redselige Theatervorstellungen geht, als seine knallbunten Zirkusevents zu besuchen, sondern dass genau dazu auch Kritiker gehören können, die dann eben für eineinhalb Stunden buchstäblich im falschen Film sitzen und anschließend ihre Meinung als allgemeingültig verkaufen können. Der Diskurs zwischen Präsentator und Reviewer macht in Michael Graceys knallbuntem Popmusical „Greatest Showman“ einen wichtigen Teilaspekt der Handlung aus. Der Hollywood-Newcomer, der zuvor lediglich als Produzent und Effektespezialist in weitestgehend unbekannten Independentprojekten am Werke war, geht also thematisch direkt in die Vollen, wenn es darum geht, der Kritik möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten (das hat nicht unbedingt funktioniert, die Meinungen in den USA gehen extrem stark auseinander); er beendet seinen Film nicht bloß mit einem entwaffnenden Zitat über den Wert der freudschaffenden Entertainmentbranche, sondern erlaubt sich auch zwischendrin immer mal wieder die subtile Fragestellung, weshalb man dem Gezeigten zwingend mehr Substanz als nötig andichten muss, um ihm einen unterhaltenden Mehrwert zuzusprechen. Das ist ganz schön clever, denn im Anbetracht des hier vorgelegten Gesamtkunstwerks kann sich Gracey derartige Spitzen gern erlauben.

Nachdem P.T. (Hugh Jackman) gekündigt wurde, kommt ihm im Beisein von Frau Charity (Michelle Williams) und seinen Töchtern eine Idee.

„Greatest Showman“ nimmt sich zwar den Werdegang des tatsächlich von 1810 bis 1891 gelebten Showmasters P.T. Barnem als Grundlage für ein knallbuntes Popmusical, doch die erzählerische Dichte eines Biopics nehmen Regisseur Michael Gracey sowie das Drehbuchautorenduo aus Bill Condon („Die Schöne und das Biest“) und Jenny Bicks („Rio 2 – Dschungelfieber“) nicht ins Visier. Bereits mit der aller ersten Szene, wenn man es genau nimmt sogar bereits mit der Einblendung des Studiologos, das auf die typische Fanfare der 20th Century Fox verzichtet, kündigt sich an, was in „Greatest Showman“ einzig und allein im Mittelpunkt stehen soll, nämlich das, von dessen Anbeginn der Film erzählt: Entertainment. Sobald sich der Vorhang öffnet, ertönen die ersten Choräle aus dem den Film umklammernden Song „The Greatest Show“ und Michael Gracey entspinnt auf der Leinwand ein farbenprächtiges Spektakel in bester Zirkusmanier. Im Takt traben Pferde durch die Manege, fliegen Trapezkünstler durch die Luft und Hugh Jackman, ausgebildeter Musicalsänger, schmettert mit Inbrunst die eingängige Melodie dieser vielleicht stärksten Nummer aus dem ganzen Film. Michael Gracey setzt von Anfang an alles auf eine Karte: Wer nicht bereits in den ersten fünf Minuten vollends in Setting, Atmosphäre und Soundgewalt versunken ist, wird es in den kommenden eineinhalb Stunden kaum noch werden, denn offensiver kann man dem Zuschauer nicht aufzeigen, welchen Deal man ihm anbietet.

„Greatest Showman“ setzt ganz auf gewaltig-eingängige Popnummern, visuelle Opulenz und das Starappeal seines Casts; die Geschichte zwischen den Musicaleinlagen ist lediglich Bindeglied, um all das zusammenzuhalten, auch wenn die beiden Autoren genau wissen, wie sie den Zuschauer auch emotional ins Geschehen involvieren. Das beginnt bei den Hauptfiguren – der aus armen Verhältnissen stammende P.T. Barnum verliebt sich in die deutlich wohler situierte Charity. Diese Lovestory über verschiedene Gesellschaftsschichten hinweg dient in ihrem bewährten Motiv nicht bloß dem sofortigen Sympathisieren mit den beiden Protagonisten; die Macher handeln die damit verbundenen Probleme gleichermaßen im Schnellverfahren ab und halten sich auch sonst nie unnötig an erzählerischen Wendepunkten auf, die in ihrem Fortlauf eindeutig sind. „Greatest Showman“ ist inhaltlich alles andere als ein glattgebügeltes Feel-Good-Movie ohne Ecken und Kanten; breiter getreten als dramaturgisch nötig, werden letztere im Rahmen der auf den Punkt inszenierten 98 Minuten jedoch nicht. Bereits in seinem Regiedebüt begeistert Michael Gracey mit seiner Fähigkeit, allem Relevanten genau so viel Zeit einzuräumen, dass Konflikte auserzählt und trotzdem nie zur Tragödie hochstilisiert werden. So rückt das Leitthema von „Greatest Showman“ – der Glaube an sich selbst, auch wenn man nicht dem gängigen (Schönheits-)Ideal der Gesellschaft entspricht – immer weiter in den Fokus, bis sich die Geschichte schließlich zu einem wahrhaftigen Appell an Einzigartigkeit, Toleranz und den Mut, Neues zu wagen, verdichtet.

Zwischen Philip (Zac Efron) und Anne (Zendaya) entwickelt sich eine Romanze, die unter keinem guten Stern steht.

All das funktioniert so hervorragend, weil nicht nur die von den „La La Land“-Textern geschriebenen Songs so leidenschaftlich vom gesanglich hervorragend ausgebildeten Ensemble vorgetragen werden (lediglich Rebecca Fergusons Powerballade „Never Enough“ wurde nicht von dem „Mission Impossible“-Star selbst, sondern von der ehemaligen „The Voice“-Teilnehmerin Loren Allred gesungen), sondern auch, weil sich unter der Schirmherrschaft des für derartige Filmproduktionen brennenden Hugh Jackman ein Schleier der Begeisterung über „Greatest Showman“ legt. Kameramann Seamus McGarvey („Nocturnal Animals“) kommt für seine Bilder zudem nicht bloß die herausragende Präsenz des gebürtigen Australiers zugute, sondern auch das virtuose Setdesign, an dessen Greifbarkeit nur die zugegebenermaßen ab und an deutlich als solche zu erkennenden CGI-Effekte rütteln können. Doch in diesen detailgetreu konzipierten und mit viel Fingerspitzengefühl designten Kulissen offenbart sich spätestens mit der dritten Nummer „Come Alive“, wie – im wahrsten Sinne des Wortes – alles zum Leben erwacht und die fabelhaft aufgelegten Darsteller vor dem Hintergrund ihrer mitunter tragischen Herkunftsgeschichten aufblühen. So viel pure Lebensfreude springt nicht bloß auf die Zirkusbesucher auf der Kinoleinwand über, sondern auch direkt aufs Kinopublikum.

Gegen die Omnipräsenz eines Hugh Jackman mögen die restlichen Stars des Ensembles zunächst nur schwer ankommen, doch schon mit dem ersten Auftreten der einmal mehr umwerfend-natürlich aufspielenden Michelle Williams („Manchester by the Sea“), der eine Rolle fernab der kaputten Dramafigur sehr gut zu Gesicht steht, zeigt sich, wie viel in „Greatest Showman“ davon abhängt, dass sich hier eben doch keiner der Darsteller in den Vordergrund drängt. Newcomerin Keala Settle („Ricki – Wie Familie so ist“) weiß nicht bloß aufgrund ihres Äußeren als bärtige Frau aufzufallen, sondern beeindruckt in erster Linie mit Charisma und einer gigantischen Stimme (der für einen Golden Globe nominierte Song „This Is Me“ ist gleichermaßen ihre Hymne an alle von der Norm abweichende Zeitgenossen dieser Welt). Nachdem seine Schauspielwurzeln bereits auf drei Musicalfilme zurückgehen, legt auch Zac Efron („We Are Your Friends“) als ebenso eleganter wie sympathischer Draufgänger Philip Carlyle eine sich voll und ganz in den Dienst des Films stellende Leistung hin. Rebecca Ferguson begeistert trotz des Wissens um eine Playback-Darbietung mit extrem viel Herzblut ihrer (Gesangs-)Performance. Sie alle komplettieren einen Cast, der den Zusammenhalt in den Vordergrund rückt und aufgeht in dem, was er tut. Das müssen sich am Ende auch all jene eingestehen, die in „Greatest Showman“ die Innovation vermissen, schließlich erzählt auch diese Geschichte letztlich „nur“ davon, wie sich Jemand seinen ganz großen Traum erfüllt. Doch so generisch diese Grundidee auch sein mag, aufbereitet wird sie letztlich mit dem Optimum an Herzblut und Passion, das den Zuschauer in seiner Formvollendung glücklich macht. Und die edelste Kunst ist nun mal die, Menschen glücklich zu machen – das wusste auch schon P.T. Barnum.

P.T. und seine Charity brauchen nicht mehr, als einander…

Fazit: Das berauschende Musical „Greatest Showman“ ist das Kinospektakel des Winters und ein Pflichttermin für jeden, dessen Augen mal wieder so strahlen sollen, wie beim aller ersten Besuch im Zirkus. Zu sehen gibt’s unter anderem einen Hugh Jackman in Höchstform und zu hören neun eingängig-mitreißende Popsongs, die man anschließend nicht so schnell aus dem Kopf bekommt.

„Greatest Showman“ ist ab dem 4. Januar bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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