The Mortuary – Jeder Tod hat eine Geschichte

Anhand vier morbider Kurzgeschichten schickt THE MORTUARY – JEDER TOD HAT EINE GESCHICHTE sein Publikum auf einen schaurigen Horrortrip, der obendrein auch noch jede Menge Spaß macht. Mehr zu dem außergewöhnlichen Genreprojekt verraten wir in unserer Kritik.

OT: The Mortuary Collection (USA 2019)

Der Plot

Wer in Raven’s End stirbt, landet auf dem Tisch von Leichenbestatter Montgomery Dark (Clancy Brown). Niemand kennt die Toten und ihre Geheimnisse besser als er. Von der Grabrede über die letzte Salbung bis hin zur Verbrennung im hauseigenen Krematorium: Die Verstorbenen sind bei ihm in besten Händen. Als sich die furchtlose Sam (Caitlin Fisher) bei ihm um eine Stelle bewirbt, ist er beeindruckt von ihrer Faszination für das Morbide. Doch je tiefer er die junge Frau in die dunklen Katakomben seines Anwesens führt, desto klarer wird ihr, dass man die Toten besser ruhen lässt.

Kritik

Regisseur und Drehbuchautor Ryan Spindell arbeitet seit 2007 als Regisseur für Horror-Kurzfilme. Zu seinen bekanntesten zählt gewiss der 22-Minüter „The Babysitter Murders“, der nun auch in Spindells erstem Langspielfilm „The Mortuary – Jeder Tod hat eine Geschichte“ eine zentrale Rolle spielt. Welche genau, das wollen wir aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht verraten. Wichtig zu wissen ist lediglich, dass sich der Filmemacher trotz neu entdeckter Spielfilmstruktur treu bleibt. „The Mortuary“ trägt im Original den Titel „The Mortuary Collection“ und gibt damit die Richtung vor: Ryan Spindell legt eine astreine Anthologie vor. Umrahmt werden seine insgesamt vier Kurzgeschichten – eine von ihnen trägt den Titel „The Babysitter Murders“ – von einem Gespräch zwischen Leichenbestatter Montgomery Dark und seiner Besucherin Sam, die sich erst von ihm einige schaurige Gruselgeschichten erzählen lässt, bevor sie ihm selbst eine erzählt. Die Interaktion zwischen den beiden ungleichen Gestalten ist das Herzstück des auch sonst äußerst kurzweilig geratenen Films. Wenngleich das bei „The Mortuary“ so ist wie bei so ziemlich allen anderen Filmen ähnlicher Struktur: Die Qualität schwankt von Episode zu Episode massiv. So richtig schlecht ist allerdings keine von ihnen.

Das Raven’s End – hier geht der Tod ein und aus.

Müsste man „The Mortuary – Jeder Tod hat eine Geschichte“ mit einem Genrevertreter jüngerer Vergangenheit vergleichen, so käme einem da als erstes Andy Nymans und Jeremy Dysons „Ghost Stories“ in den Sinn. Die beiden Filme ähneln sich nicht bloß in ihrer episodenhaften Struktur. Die Macher verstehen es obendrein ganz vortrefflich, beinharten Grusel mit bissigem Humor zu kombinieren, ohne dabei in den Bereich abgegriffener Parodien vorzudringen. Auch in „The Mortuary“ ist der Grundton eher düster, wenngleich im nostalgischen Sinne schaurig-schön und in seinen komischen Momenten immer noch morbide genug, damit die Grundspannung durchgehend aufrechterhalten bleibt. Dies geschieht nicht zuletzt auch dank der vortrefflichen Ausstattung. Das Raven’s End Krematorium erinnert im besten Sinne an eine dieser populären Haunted Mansions. Insbesondere in den USA gelten derartige Spukhäuser, dessen wohl bekannteste Vertreter in den Disney-Themenparks zu finden sind, als weit verbreitete Touristenattraktion und beschwören mit ihrem urigen, viktorianischen Interieur, antiker Dekoration, unheilvollen Artefakten und diversen anderen Kuriositäten waschechte Gruselhausatmosphäre herauf. Auch das Raven’s End Krematorium ginge ohne Weiteres als eine solche Spukhausattraktion durch – der grimmig dreinblickende Hausherr Montgomery Dark verhilft dem Etablissement zusätzlich zu seinem morbiden Charme.

„In „The Mortuary“ ist der Grundton eher düster, wenngleich im nostalgischen Sinne schaurig-schön und in seinen komischen Momenten immer noch morbide genug, damit die Grundspannung durchgehend aufrechterhalten bleibt.“

Die von ihm vorgetragenen Geschichten haben zwar allesamt Anfang und Ende, lassen sich also auch losgelöst vom Rest des Films betrachten. Doch Ryan Spindell lässt es sich nicht nehmen, einzelne inhaltliche Details aus den Kurzgeschichten in die Rahmenhandlung miteinfließen zu lassen. Was genau damit gemeint ist, gehört zwar ebenfalls zu den Dingen, die man vor dem Filmgenuss besser nicht weiß, doch so viel: „The Mortuary“ gefällt nicht nur aufgrund seiner tonalen Nähe zu „Ghost Stories“, sondern erinnert in vielerlei Hinsicht auch an den spanischen Genre-Geheimtipp „Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden“ – nur in nicht ganz so abgefuckt und surreal. Dafür steigern sich die einzelnen Geschichten in Sachen Schockvalue, Bodyhorror und Gore-Gehalt von Episode zu Episode. Den Anfang macht die nur wenige Minuten dauernde Erzählung über eine junge Frau im beengten Setting einer Toilette. Kurz nachdem die hinter dem Spiegel über dem Waschbecken eine grauenerregende Entdeckung macht, ist der ganze Spuk – im wahrsten Sinne des Wortes – aber auch schon wieder vorbei. So ganz ohne emotionalen Punch oder doppelten Erzählboden eröffnet „The Mortuary“ auf eher schwachem, wenngleich – wie auch sämtliche anderen Episoden – stark bebildertem Niveau. Und ebnet den Weg für drei weitere, wesentlich intensivere Stories.

Sam (Caitlin Fisher) schaut sich im Raven’s End um.

Spielt die erste Episode in den Fünfzigerjahren, hangelt sich Ryan Spindell für die drei weiteren Geschichten durch verschiedene Jahrzehnte. Und das nicht nur im wortwörtlichen Sinne, sondern auch stilistisch und thematisch. „The Mortuary“ ist ein Streifzug durch bekannte Horrorfilm-Thematiken, die allesamt bereits ihre Hochphase hatten. Für seinen Abstecher in die Sechzigerjahre macht er etwa an einem College Halt und erteilt seinem Publikum eine zwar latent plakative, wenngleich nicht minder schockierende Lektion in Sachen „Safer Sex“. Und kurz bevor man „The Mortuary“ für seine arg moralinsaure Botschaft rügen möchte, führt Spindell den Zuschauer süffisant an der Nase herum – zumal die junge Sam stellvertretend für das Publikum die Regeln von Montgomery Darks Spukgeschichten längst durchschaut hat und so mit den Moralvorstellungen sowie dem damit einhergehenden Aufbau der einzelnen Erzählungen gezielt kokettieren kann. Etwa indem sie die Vorhersehbarkeit und Zahmheit der Geschichten kritisiert, bevor sie sich zu guter Letzt selbst als Geschichtenerzählerin versucht. Nach einer dramatischen (fast möchte man sagen melancholischen), in den Siebzigern spielenden Liebesgeschichte, die mit dem Begriff „toxisch“ nicht treffender beschrieben werden könnte, begibt sich Spindell für sein Finale ins altgediente Splatter-Subgenre und eröffnet die Jagd auf eine junge Babysitterin. Dass diese Episode in den Achtzigerjahren spielen muss, erklärt sich von selbst.

„Kurz bevor man „The Mortuary“ für seine arg moralinsaure Botschaft rügen möchte, führt Spindell den Zuschauer süffisant an der Nase herum – zumal die junge Sam stellvertretend für das Publikum die Regeln von Montgomery Darks Spukgeschichten längst durchschaut hat.“

Neben Caitlin Fisher („Extraction“), die bereits für den Kurzfilm „The Babysitter Murders“ vor der Kamera stand, zieht vor allem Netflix-Hottie Jacob Elordi („The Kissing Booth“) die volle Aufmerksamkeit auf sich. Als schmieriger Frauenverführer Jake versteht es der Newcomer hervorragend, mit den Sympathien des Publikums zu spielen. Neben ihm glänzt Clancy Brown („Thor: Tag der Entscheidung“) als furchteinflößender Krematoriumsbesitzer, der genau die richtige Physiognomie mitbringt, um als unheilvoller Geschichtenerzähler für Angst und Schrecken zu sorgen. Insbesondere im Zusammenspiel mit Caitlin Fisher macht seine Performance mächtig Laune.

Fazit: „The Mortuary – Jeder Tod hat eine Geschichte“ ist eine charmant-altmodische Gruselgeschichtensammlung. Inhaltlich kann nicht jede Episode ausnahmslos überzeugen. Doch das  Konzept und die opulente Ausstattung entschädigen für kleine inhaltliche Schwächen.

„The Mortuary – Jeder Tod hat eine Geschichte“ ist ab dem 22. Oktober in den deutschen Kinos zu sehen.

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