Ad Astra – Zu den Sternen

In seinem Weltraum-Drama AD ASTRA – ZU DEN STERNEN schickt Regisseur James Gray Hauptdarsteller Brad Pitt durch die unendlichen Weiten des Alls. Die hier ausgetragene Vater-Sohn-Geschichter ist dagegen deutlich intimer als das schwerelose Setting. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Astronaut Roy McBride (Brad Pitt) ist ein Einzelgänger und hat sich seit dem Weggang seines ebenfalls als Raumfahrer tätigen Vaters Clifford (Tommy Lee Jones) von seiner Umwelt abgekapselt. Selbst seine ihn liebende Ehefrau Eve (Liv Tyler) kommt nicht mehr an ihn heran. Doch vielleicht kann eine neue Mission den verbitterten Außenseiter wieder zu neuem Lebensmut verhelfen. Im Auftrag der Raumfahrtbehörde reist er an den äußersten Rand des Sonnensystems, um dort seinen vermissten Vater zu finden und mysteriöse Vorgänge aufzudecken, die das Überleben auf der Erde bedrohen. Auf seiner Reise enthüllt er Geheimnisse, die die menschliche Existenz und unseren Platz im Universum in Frage stellen. Und das Verhältnis zu seinem Vater in einem ganz neuen Licht dastehen lassen…

Kritik

Der Genrebegriff „Science-Fiction“ hat sich in den vergangenen Filmjahrzehnten als Beschreibung für Geschichten etabliert, in denen von futuristisch-fiktionalen Zukunftsvisionen erzählt wird. Die Funktionen der in diesen Welten angewendeten Technik sind ausgedacht. Oft spielen sich die Szenarien im Weltall ab. Auch das Vorkommen menschen- und tierfremder Spezies ist nicht selten Teil von Science-Fiction-Filmen. Der Schwerpunkt auf Weltraum- und Weltraumtechnik, Aliens und Raumschiffe hat dazu geführt, dass auch Produktionen wie „Gravity“, „Interstellar“ und „Der Marsianer“ dem Sci-Fi-Kino zugeordnet werden. Dabei ist die große Frage, ob das so überhaupt korrekt ist. Schließlich geben die Schöpfer dieser Stoffe vor, durchaus schon heute anwendbare Entwicklungen für ihre Konzepte zu nutzen und sie lediglich weiterzuspinnen beziehungsweise den Schritt zu wagen, bislang nur in der Theorie funktionierende Techniken endlich in die Praxis umzusetzen. So gesehen haben auch diese Filme den Genre-Begriff Science-Fiction dann doch irgendwie verdient; schließlich geht es um wissenschaftsbedingte Fiktion. Andererseits könnte schon allein diese Klassifizierung Zuschauer in die Irre führen, die sich nun auch von James Grays „Ad Astra – Zu den Sternen“ ein reißerisches Weltraumabenteuer erhoffen, als das – so fair muss man sein – das Vater-Sohn-Drama nun mal auch beworben wird, sodass man sich am Ende nicht wundern darf, sollte die neueste Regiearbeit des „Die versunkene Stadt Z“-Machers in Woche zwei radikal einstürzen, weil das Publikum dem Irrglaube aufgesessen ist, es hier mit einem Space-Thriller zu tun zu bekommen.

Colonel Pruitt (Donald Sutherland), Roy McBride (Brad Pitt) und Willy Levant (Sean Blakemore) auf dem Weg ins All…

In Wirklichkeit handelt „Ad Astra“ nämlich Themen ab, für die es das Weltall als Austragungsort nur bedingt gebraucht hätte. Aber so ist das bei den ganz großen Geschichten rund um Existenz und Sein ja eigentlich immer. Auch „Der Marsianer“ war schließlich nur eine Art Extrem-„Robinson Crusoe“, genauso wie Matthew McConaughey in „Interstellar“ ja nicht direkt in die hintersten Ecken des Sonnensystems hätte reisen müssen, um den erzählerischen Kern rund um die Zerstörungskraft des Menschen zu erfassen. James Gray, der gemeinsam mit Spielfilm-Debütant Ethan Gross („Fringe – Grenzfälle des FBI“) auch das Drehbuch zu „Ad Astra“ schrieb, erzählt hier von dem endgültigen Bruch innerhalb einer dysfunktionalen Vater-Sohn-Beziehung und davon, wie der eine von beiden diesen niemals verwunden hat, der andere dem aber scheinbar gleichgültig gegenüber steht. Um endlich Frieden mit der Situation zu machen, muss Pitts Major Roy McBride also erstmal Abertausende Kilometer weit reisen, um auf einem fremden Planeten jene emotionalen Wogen zu glätten, die sein Vater auf der Erde für ihn hinterlassen hat. Wie gesagt, schon der von uns hochgelobte „Der Marsianer“ war ja eigentlich nur der wiederholte Neuaufguss einer zigfach dargebotenen Geschichte, weshalb man „Ad Astra“ dasselbe Prinzip von altbekannter Prämisse im (halbwegs) neuen Setting nur bedingt vorwerfen kann. Doch im Gegensatz zu Ridley Scott, der den Mangel an Innovation mit sehr viel Charme, Humor und entsprechend unterhaltsam umzusetzen wusste, setzt James Gray auf größtmögliche emotionale Reduktion – und garniert die Geschichte rund um seinen wortkarg-unnahbaren Helden zudem mit einem Off-Kommentar, der aussagekräftig beginnt, aufgrund zunehmender Redundanz die hier angerissenen, großen Themen rund um technischen Fortschritt und menschliche Existenz aber kaum zur Geltung kommen lässt. Dadurch wirkt das alles hier nach einer Weile dann doch arg prätentiös.

Wenn wir Roy McBride das erste Mal so richtig zu sehen bekommen, ertönt aus dem Off gleichsam der von Brad Pitt („Once Upon a Time in Hollywood“) selbst eingesprochene Voice-Over, der uns die Gedanken des Astronauten näherbringen soll. Wir erfahren, dass der Raumfahrer eigentlich die ganze Zeit nur eine Rolle spielt und den Kontakt zu Menschen nur bedingt zu schätzen weiß. Roy McBride ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Herr-Rühr-mich-nicht-an“ („Don’t Touch Me!“), was Pitt in den nun folgenden zwei Filmstunden bis an die Grenze der Nachvollziehbarkeit ausreizt. Das Publikum begreift schnell, dass dieser Protagonist kein neuer Mark Watney ist. Selbst Matthew McConaugheys Cooper zeigte in „Interstellar“ noch deutlich mehr Gefühlsregungen und am Ende von „Ad Astra“ meint man gar mehr über George Clooneys Rolle in „Gravity“ zu wissen, als über diesen Eigenbrötler McBride, obwohl wir mit ihm deutlich mehr Zeit verbracht haben, als mit dem sehr schnell aus „Gravity“ verschwundenen Matt Kowalski. Nun hat diese extreme Distanziertheit Pitts auch System: Roy McBride muss schon aus Berufsgründen ein absolut abgeklärter Hund sein. Sein Puls steigt niemals über 85 Schläge pro Minute; das gilt auch für Extremsituationen. Durch den mutwillig von ebenjenem selbst herbeigeführten Verlust seines Vaters hat sich Roy ganz allmählich von sämtlichen wichtigen Menschen (einschließlich Ehefrau) distanziert, um im Zweifelsfall eine weitere Enttäuschung zu vermeiden. Die gefühlskühle Zeichnung des Protagonisten in „Ad Astra“ ist also durchaus nachvollziehbar, wenngleich er es dem Publikum damit nahezu unmöglich macht, mit dem Charakter zu sympathisieren.

Roy weiß noch nicht, was ihn da oben erwarten wird…

Dass James Gray sein durchaus groß gedachtes Projekt mit einer regelrecht gleichgültigen Hauptfigur bestückt, zeigt früh die erzählerischen Dimensionen auf, in die er mit „Ad Astra“ vorzudringen vermag: Das hier ist kein handelsübliches Raumfahrerabenteuer, sondern eine erzählerisch wesentlich tiefgründiger angelegte Geschichte – oder zumindest soll sie das sein. Denn nicht nur das betonte Nicht-Tempo (gerade in der ersten Hälfte kann man sich zwar an den ob ihrer Schlichtheit berauschenden Bildgewalten nicht satt sehen, gleichzeitig hat man aber auch das Gefühl, dass die Geschichte selbst eigentlich kaum vorangeht) von „Ad Astra“ fordert das Sitzfleisch des Zuschauers. Ausgerechnet der Voice-Over McBrides entwickelt sich rasch zum größten Schwachpunkt des Films, da man hier den Eindruck gewinnt, die Macher würden ihrer eigenen Vision vom reduziert inszenierten Weltall-Selbstfindungstrip nicht trauen. In fein säuberlich ausformulierten Monologen, die zumeist nur das wiederkäuen, was man auf der Leinwand ohnehin zu sehen bekommt, schildert McBride hier bisweilen einschläfernd den Sinn und Zweck seiner Reise. Damit den Inhalt auch wirklich jeder versteht, greift er dafür auf derart simple Küchenpsychologie zurück, dass die bedeutungsschwangeren Worte insbesondere in der zweiten Hälfte von „Ad Astra“ immer wieder ins Lächerliche abdriften. Für die buchstäbliche Abnabelung von seinem Vater findet Gray schließlich sogar eine visuelle Entsprechung, wenn McBride in der Schwerelosigkeit eine sinnbildliche Nabelschnur durchtrennen darf, die ihn fortan nicht mehr mit seinem Vater verbindet. Das erinnert dann schon arg an die Holzhammersymbolik am Ende von „Gravity“, als sich Sandra Bullock plötzlich in Embryonalstellung in der Raumstation wiederfand.

Dieses ausformulierte Vor-Philosophieren ist nicht nur wesentlich weniger spannend als das eigenständige Entdecken von aufgegriffenen Themen und Symboliken. Im Falle von „Ad Astra“ überdeckt es in seiner Penetranz auch die großen Stärken des Films, die nicht bloß in der spektakulären (audio)visuellen Aufmachung durch Kameramann Hoyte van Hoytema (inklusive Referenzen an „Mad Max: Fury Road“ bis hin zu „Blade Runner 2049“) zu finden sind, sondern in immer wieder am Rande eingefangenen Beobachtungen, die viel über den Verbleib der Menschheit in Zukunft wie Gegenwart aussagen. Wenn McBride erst auf dem Mond und später auf dem Mars ankommt, unterscheiden sich die vom Menschen besiedelten Orte auf den jeweiligen Planeten und Trabanten lediglich durch die Beschaffenheit der Oberfläche. Ansonsten finden sich hier dieselben Franchises (DHL, Subway…) wie auf der Erde. Und selbst auf einem noch so einsamen Fleckchen Mars liegt Müll auf dem Boden herum. Subtiler und doch einprägsamer könnte ein Kommentar auf die Unverbesserlichkeit der Menschheit nicht sein. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, weshalb in Brad Pitts Gesicht über zwei Stunden lang ein sich kaum verändernder Ausdruck der Hoffnungslosigkeit geschrieben steht. Manch einer wird dieses minimalistische Spiel als bravourös subtil feiern. Wir haben den Hollywoodstar dagegen noch nie so ausdruckslos erlebt, wie in „Ad Astra – Zu den Sternen“.

Roy McBride ist fast am Ziel angekommen…

Fazit: „Ad Astra – Zu den Sternen“ fühlt sich an wie „Gravity“ auf Valium, nur dass hier noch weitaus mehr ausformuliert und symbolisch unterfüttert wird als in Alfonso Cuaróns Weltraummeisterwerk. Die eigentlich anvisierten großen Themen können sich darunter kaum entfalten. Es ist, als würde man ein Gemälde betrachten, auf dessen Oberfläche die Interpretation des Werks bereits mit dickem Filzstift geschrieben steht.

„Ad Astra – Zu den Sternen“ ist ab dem 19. September bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

2 Kommentare

  • für mich definitv der schlechteste Film, den ich mir heuer angschaut habe.
    Dieser durch Pseudophilosophie ins Endlose gedehnte und lähmende Vater Sohn Konflikt projiziert in den endlosen Weiten des Weltraum läßt nie eine Beziehung zur Handlung aufbauen. Roy jammert maniriert wehleidig die ganze Zeit seinen „Ich will zu meinem Papi!“ Verlust vor sich dahin. Mehr nicht.
    Findet er ihn endlich, lassen einen auch die Gründe, warum Clifford, sein Vater, da so irr wirr am Neptun seine Antimaterie Experimente macht, seltsam unberührt.
    Auch werd ich das Gefühl nicht los, dass das, was da an Action (z.B: die Piraten am Mond, der Kampf im -echt kein Witz- norwegische Tierexperimentschiff, der sinnlose Streit mit Roys mit dem Team der Rakete, die zu seinem Vater fliegen will) mal so reingebuttert wird, nur dazu dient, die Zeit zu dehnen, weil schlichtweg der Film nur halb so lang würde ohne nur irgendetwas an seiner Message zu verlieren
    Man fragt sich, was soll das alles?

    Also ich kämpfte echt gegen das Einschlafen!
    wegen der guten visuellen Effekte:
    4/10 Meteoritenschauer

  • Ich mag die Fokussierung auf den Vater-Sohn-Konflikt auch nicht.
    Ihre Charakterstudie, b.z.w. die Einschätzung, man könne nicht mit der Person des Roy McBride sympathisieren, kann ich jedoch nicht nachvollziehen. Im Gegenteil habe ich eher die, erwartbare, Abkehr seiner für mich nachvollziehbaren Art abgelehnt. Das ist nicht natürlich, auch wenn sie das gerne so hätten. Sie mögen Charaktere meiner Art nicht, zumindest das lässt sich aus ihrer Kritik herauslesen. Oder ist das ihr Ansatz mich umzuerziehen ? Dann ist dieser gescheitert.

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