Interstellar

Er gehört zu den letzten Visionären Hollywoods: Christopher Nolan. Nach dem Abschluss der bahnbrechenden Batman-Neuerzählung widmet sich der Filmemacher mit INTERSTELLAR nun einem Projekt, dem eine jahrelange Planung und ein namhafter Regie-Wechsel vorausgeht. Gemeinsam mit seinem Bruder Jonathan hebt Nolan in seinem ersten Science-Fiction-Projekt das Genre des Weltraumfilms auf ein neues Level und verbindet futuristische Elemente mit einer tiefschürfenden Drama-Erzählung. Mehr dazu in meiner Kritik zum Film.

Interstellar

Der Plot

Unsere Zeit auf der Erde neigt sich dem Ende zu. Eine allgegenwärtige Staubschicht mindert nicht nur die Lebensqualität der Menschen, sondern sorgt obendrein für Nahrungsmittelknappheit. Jeder, dem es nur irgendwie möglich ist, hat sich von seinem ursprünglichen Beruf losgesagt und arbeitet mittlerweile als Maisfarmer. Denn Mais ist nahezu der einzige Rohstoff, den man auf der Erde noch anbauen kann. Doch auch dieser ist nicht unendlich verfügbar. Die heranwachsende Generation ist die letzte, die auf dem einst blauen Planeten überleben wird. Dazu gehören auch die aufgeweckte Murph (Mackenzie Foy) und ihr Bruder Tom (Timothée Chalamet). Gemeinsam mit ihrem alleinerziehenden Vater Cooper (Matthew McConaughey) und Großvater Donald (John Lithgow) leben die beiden auf einer Farm irgendwo auf dem Land. Als Murph eines Nachts wieder einmal von einem Geist in ihrem Zimmer berichtet und Staubspuren auf dem Boden auf Koordinaten hindeuten, begibt sie sich mit ihrem Vater, einem einstigen NASA-Piloten, auf den Weg dorthin, wo das Schicksal sie vermeintlich hinführt. Dort angekommen stoßen sie auf ein Forscherteam, dem es offenbar gelungen ist, durch Wurmlöcher in fremde Galaxien zu reisen, um nach Planeten zu suchen, auf denen die Ansiedelung der Erdbewohner möglich ist. Von Gewissensbissen geplagt begibt sich Cooper an der Seite von Weltraumforscherin Amelia (Anne Hathaway) auf eine einzigartige Reise – vielleicht die letzte der Menschheit…

Kritik

Christopher Nolan gehört zu den letzten, großen Visionären Hollywoods. Neben ihm vermögen es lediglich eine Handvoll Regisseure weltweit, das Publikum mit nahezu jedem Werk auf ganz unterschiedlichen Ebenen in ihren Bann zu ziehen. Der Kultklassiker „Memento“, die ebenso versteckte wie unterschätzte Mindfuck-Perle „Prestige – Die Meister der Magie“, der epochale Ausflug in die Weiten des menschlichen Unterbewusstseins in „Inception“ und die Verschmelzung von massenkompatiblem Hollywood-Blockbuster und anspruchsvollem Dramakino in der „The Dark Knight“-Superheldentrilogie haben bewiesen, dass Nolans Bandbreite wesentlich ausladender ist, als es Skeptiker des Filmemachers den Anhängern immer wieder weismachen wollen. Wenngleich der Regisseur seine inszenatorischen Vorlieben nicht leugnet; Christopher Nolan liebt die Show. Seine Werke eint der Drang zur visuellen Ausdrucksstärke. Schon in seinem melancholischen Thriller „Insommnia – Schlaflos“, einem der ersten Filme des Regisseurs, bettete Nolan seine Story in eine durch ihre Kargheit so berauschende Kulisse. Und auch wenn Schlichtheit wohl nicht zu ebenjenen charakteristischen Merkmalen Nolans zählen mag, so ist die Einfachheit seines Erfolgskonzeptes eben das: simpel. Der Filmemacher weiß darum, dass es schlussendlich nur einen Schlüssel zum Erfolg respektive Publikumsliebling gibt. Ohne Atmosphäre geht gar nichts. Und da Nolan diesen Grundsatz beherrscht, wird jeder seiner Filme zu einem für sich allein stehenden Meisterwerk, weit jenseits gängiger Hollywood-Mechanismen.

Mackenzie Foy und Matthew McConaughey

Christopher Nolan erzählt in „Interstellar“ gleich mehrere Geschichten in einem. Kein Wunder also, dass sich die Laufzeit seines Weltraumepos auf ganze drei Stunden ausdehnt. Doch was vielen Kritikern derzeit ein Dorn im Auge ist, ist hier zum einen ein Mittel zum Zweck und notwendig für das Entwerfen ebenso dramaturgischer wie dramatischer Fallhöhen. Zum anderen verschachtelt Nolan seine Story so gekonnt und schlüssig in sich, dass so etwas wie Leerlauf gar nicht entsteht. Die 170 Minuten Spielzeit schauen sich so unkompliziert, als befände man sich in einem Neunzigminüter – und das, obwohl man sich von Anfang an bewusst ist, dass „Interstellar“ nicht zur bloßen Berieselung einlädt. Die atmosphärische Dichte seiner Geschichte, kreiert von Christopher Nolan sowie seinem Bruder Jonathan, die zusammen das Drehbuch entwarfen, erstreckt sich von starken, emotionalen Bindungen innerhalb der Hauptcharaktere, über die Gestaltung einer weltumspannenden Gefahr sowie der Frage nach Lösungen und findet ihre volle Entfaltung zwischen den Zeilen, im Aufwerfen existenzieller, philosophischer Fragen nach dem (Un-)Sinn des Lebens. Viel Stoff für einen Weltraumfilm, der weitaus mehr ist, als das. Im Grunde ist das Weltall-Thema bloß Aufhänger für Grundsatzdiskussionen, die sich auf so ziemlich jeden sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Bereich unserer Zivilisation anwenden lassen. Die epischen Bilder (an dieser Stelle ist der Terminus „episch“ tatsächlich einmal angebracht!) und der bombastische Score kämen schlicht nicht besser zur Geltung, hätten die Macher „Interstellar“ als schlichtes Drama im Angesicht der Apocalypse angesiedelt. Im Grunde also einer der zu Beginn bereits erklärten Zugeständnisse an Nolans persönliche Vorlieben, dessen Kameramann Hoyte Van Hoytema („Her“) sprachlos machende Aufnahmen von astronomischen Phänomenen einfängt, die man in ihrer Vollkommenheit so noch nie im Science-Fiction-Kino zu sehen bekam. Großproduktionen wie zuletzt „Gravity“ begeisterten zwar ebenfalls auf Basis der peniblen Ausarbeitung unserer Galaxie; doch gerade in der Gestaltung fremder Welten beweist der Nachfolger von Nolans Stammkameramann Wally Pfister ein großartiges Auge für reelle Zukunftsfantasien.

Trotz der Sci-Fi-Thematik, die „Interstellar“ zwangsläufig zu einem Film macht, der mit verschiedenen Realitäten und fachlichen Logiken hantiert, erweckt die inszenatorische Verschmelzung aus Popcorn- und Independentkino nie den Eindruck, sich mit halbgaren Weisheiten zufriedenzugeben. Kein Wunder: Jonathan Nolan studierte gar ein ganzes Semester die Faszination der Relativitätstheorie, um das Thema in „Interstellar“ in angemessener Form verarbeiten zu können. Darüber hinaus standen den Machern allerhand astronomische Berater zur Verfügung, die dafür sorgen, dass sich Nolans Streifen ebenso nah an etwaig realistischen Thesen bewegt, wie es zuletzt auch Alfonso Cuaròn in „Gravity“ tat, der zu seiner Zeit den Ruf innehatte, das Thema Weltraum am unverfälschtesten zu beleuchten. So minimalistisch Cuaròn seine stillen Helden dato durch Zeit und Raum schickte, so viel Brimborium macht Nolan nun um seine Protagonisten. Angeführt von den Oscar-Preisträgern Matthew McConaughey („Dallas Buyers Club“) und Anne Hathaway („Les Misérables“) auf der einen Seite, nämlich in den Weiten des Weltraumes, und Jessica Chastain („Das Verschwinden der Eleanor Rigby“) sowie Casey Affleck („Gone Baby Gone“) auf der anderen Seite, nämlich auf der Erde, deren Handeln sich parallel zu den dramatischen Ereignissen in fremden Galaxien abspielt.

Anne Hathaway

McConaughey gelingt der Spagat zwischen dem sensiblen Familienvater und dem zu Höherem bestimmten Pionier, der die Raumfahrt nur deshalb aufgab, weil es für Leute wie ihn keinen Aufgabenbereich mehr gab, sehr gut. Gleichwohl lässt sich an dieser Stelle wohl der einzige, wenn auch winzige Faktor ausmachen, wo bei Nolans Storytelling noch Luft nach oben besteht. Zwar haben sämtliche Charaktere in „Interstellar“ ein wesentlich stärker ausgeprägtes Profil als zuletzt in „Inception“; an markante Figuren, wie sie der Filmemacher einst in „Memento“ oder „Prestige“ etablierte, reichen seine Charaktere hier jedoch nicht heran. Dafür agiert McConaughey stellenweise zu statisch und der innere Zwiespalt kehrt sich nicht immer zur Genüge hervor. Dafür begeistert Jessica Chastain. Sie verkörpert die ältere Version der als Teenie eingeführten Tochter Murph und hadert seither mit ihrem Schicksal und damit, dass sie als junges Mädchen einst mit ihrem Vater gebrochen hat. Ferner sind es ohnehin weniger die durch und durch starken Darstellerleistungen von Anne Hathaway, Michael Caine („The Dark Knight Rises“), dessen Figur als emotionaler Halt unablässig ist oder auch Casey Affleck, dem leider (zu) wenig Zeit vor der Kamera vergönnt ist – die Stars sind neben dem Skript selbstredend sämtliche technischen Aspekte.

Hans Zimmer, der bereits diverse anderen Nolan-Projekte mit seinen Orchesterorgien bestückte, fährt für seinen schon jetzt Award-nominierten Score zu „Interstellar“ die Eingängigkeit seiner Blockbustermelodien auf ein Minimum herunter. Der Musiker konzentriert sich ganz auf satte Orgeltöne mit Anleihen an Stanley Kubricks Klangwelten aus „2001: Odyssee im Weltraum“. Das wirkt auf den ersten Blick fast erschlagend und ist auch nicht auf Anhieb eingängig, gleichzeitig ergänzt sich diese monotone Opulenz vortrefflich mit der Kargheit der Kulisse. Gedreht wurde an abgelegenen Orten in Skandinavien. In der Abgeschiedenheit Islands findet der kühle Brite die besten Voraussetzungen, um seinem 165 Millionen US-Dollar teuren Projekt die richtigen Ausmaße zu verleihen. Schon die Bilder auf der Erde sind in ihrer post-apokalyptischen Melancholie niederschmetternd und beklemmend zugleich. Im Weltall verbinden sich exzellent der Realität nachempfundene Aufnahmen von Planeten und Weltraumstationen sowie unaufdringliches CGI von Phänomenen wie Wurmlöchern zu einem sinnigen Ebenbild unserer Galaxie und allem, was darüber hinaus geht. In Skandinavien schließlich findet Nolan Bilder, die realistisch ebenjene Voraussetzungen wiederspiegeln, welche die Menschheit auf unbewohnbaren Planeten wiederfinden. Die Vielfalt der Szenerien sind facettenreich, berauschend und doch im Einklang einer Sinfonie, wie sie nur Filmkünstler wie Christopher Nolan zu komponieren vermögen.

Matthew McConaughey begibt sich auf die größte Reise der Menschheit!

Matthew McConaughey begibt sich auf die größte Reise der Menschheit!

Fazit: Mit „Interstellar“ liefert Christopher Nolan nicht nur seine visuell und akustisch bislang ausdrucksstärkste Arbeit ab, sondern punktet auch erstmals verstärkt auf der Ebene des emotionalen Geschichtenerzählens. Wirkten insbesondere seine letzten Blockbusterepen zumeist unterkühlt und in ihrer Charakterformung wenig zugänglich, lässt er in „Interstellar“ alle wichtigen Filmbausteine ineinander greifen und kreiert ein Kinoerlebnis, das alle Sinne berührt.

 „Interstellar“ ist ab dem 06. November in den deutschen Kinos zu sehen!

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