A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando

Neun Jahre nach ihrem letzten Abenteuer begeben sich die Pixar-Spielzeuge in A TOY STORY: ALLES HÖRT AUF KEIN KOMMANDO auf die spektakuläre Suche nach einem verlorenen Göffel. Ein Beweis der Macher, dass man noch lange nicht aufhören sollte, wenn’s am schönsten ist. Mehr zum Film verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Woody (deutscher Sprecher: Michael „Bully“ Herbig) wusste immer um seinen Platz im (Spielzeug-)Universum, seine Priorität war es, sich um „sein“ Kind zu kümmern, sei es sein alter Kindheits-Freund Andy oder die süße Bonnie. Aber als Bonnie ein äußerst widerspenstiges neues Spielzeug in ihre Sammlung aufnimmt, hat Woodys ruhiger gewordenes Kinderzimmerleben ein Ende. Denn Forky hat eine schwere Identitätskrise und ist davon überzeugt, kein Spielzeug zu sein. Doch was ist er dann? Müll? Forky ist sich jedenfalls sicher für etwas anderes bestimmt zu sein. Und das versucht er auf abenteuerliche Art zu beweisen. Zusammen mit alten und neuen Freunden erleben Forky und Woody den Roadtrip ihres Lebens und lernen dabei, dass die Welt für ein Spielzeug viel größer ist als jemals gedacht.

Kritik

Hollywoods Fortsetzungswahn hat sich in den vergangenen Jahren zwar jede Menge Millionen in die Kassen gespült, aber auch Missmut von Seiten der Kinofans erarbeitet. Heutzutage wird nur noch weitererzählt, an neuen Stoffen mangelt es gerade den Major-Studios; das stimmt in Teilen, denn schaut man einmal fernab der großen Blockbuster, so gibt es immer noch genug frische Geschichten, die mit keinem bereits bestehenden Franchise verwoben sind. Pixar war lange Zeit ein Paradebeispiel dafür, den Mainstream mit Innovation zu versorgen, doch schon seit einiger Zeit setzt auch die Animationsfilmfirma bevorzugt darauf, bereits bekannte Geschichten weiterzuerzählen. Selbst wenn zwischen dem letzten und dem nächsten Teil ganze neun Jahre liegen wie etwa im Fall von „Toy Story“, dessen vermeintlicher Abschluss bereits im Jahr 2010 über die Leinwände flackerte. Das ist an Pixar-Verhältnissen gemessen übrigens noch längst nicht der weiteste Abstand zwischen zwei Filmteilen: Zwischen „Findet Nemo“ und „Findet Dorie“ lagen 13, zwischen „Die Unglaublichen“ und „Die Unglaublichen 2“ sogar ganze 14 Jahre. Schon damals schienen die Schicksale rund um den verloren gegangenen Clownfisch respektive die Superheldenfamilie Incredible auserzählt, nur damit uns die verantwortlichen Regisseure und Drehbuchschreiber des Besseren belehren konnten, dass man im Hause Pixar nur dann Fortsetzungen in Angriff nimmt, wenn man auch etwas zu erzählen hat (diesen Grundsatz hinterfragen wir aufgrund von „Cars 2“ trotzdem nach wie vor). Und auch im Falle von „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ haben wir nicht geahnt, wie dringend wir das Sequel zu „Toy Story 3“ gebraucht haben.

In „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ sind wieder sämtliche Spielzeugfreunde mit von der Partie.

Nachdem der deutsche Titel zum neuen „Toy Story“-Film veröffentlicht wurde, herrschte in den sozialen Netzwerken erst einmal Verwirrung – und schließlich kollektive Ablehnung. Doch wenngleich man über die Sinnhaftigkeit des (zu?) langen Untertitels „Alles hört auf kein Kommando“ streiten kann, so erweist sich der zweite Kritikpunkt – das Weglassen der „4“ – als obsolet, sobald man den vierten „Toy Story“-Film gesehen hat. Natürlich liegen sämtliche anderen Länder nicht falsch, wenn sie die Produktion ganz simpel mit „Toy Story 4“ titulieren. Gleichzeitig trifft die Wahl „A Toy Story“ den Charakter des Films doch deutlich besser. Zwar gibt es zu Beginn in einem rückblendenden Zeitraffer noch einmal zu sehen, wie es Woody und seine Freunde von Andys Kinderzimmer in Bonnies Haushalt geschafft haben und wie sich über die Jahre nicht nur ihr Verhältnis zueinander, sondern auch die Einstellung zum Leben und ihrer Bestimmung als Kinderspielzeug geändert hat. Trotzdem ist der Handlungsstrang rund um Woody und Co. als Andys Spielzeug auserzählt. Damit behält „Toy Story 3“ seinen Charakter als großes Finale bei – „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ dagegen fühlt sich an wie ein Bonus-Roadmovie, das sowohl als alleinstehender Film funktioniert, als auch als ein Aufbruch zu neuen erzählerischen Ufern, was sich insbesondere durch das rührende Finale, das in Intensität und Aussagekraft sehr an den Schluss aus „Chaos im Netz“ erinnert, bestätigt. Wir haben es hier somit sowohl mit einem vierten „Toy Story“-Film zu tun als auch mit einer weiteren, beliebigen Geschichte rund um die beliebten Pixar-Spielzeuge – soviel zu der Titeldiskussion.

Davon abgesehen, sind wieder sämtliche bekannte Figuren dabei, die wir in den letzten Jahren „Toy Story“-Geschichte kennen und lieben gelernt haben. Und dabei hat es das Schicksal längst nicht mit allen so gut gemeint, wie mit Woody und seiner Crew. Im spektakulären Auftakt werden wir Zeuge einer halsbrecherischen Rettungsaktion, der am Ende aber nicht das gerettete Auto zum Opfer fällt, sondern jemand ganz Anderes, der im weiteren Verlauf des Films noch eine große Bedeutung für das Abenteuer haben wird. Neben besagter Rückkehrerin ist Forky der niedlichste Neuzugang. Doch der aus einem Göffel, ein paar Kulleraugen und Holzfüßen zusammengebastelte Geselle ist nicht (nur) dazu da, um den Absatz für Forky-Spielzeuge in die Höhe zu treiben. In „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ geht es mehr denn je um die Frage nach der eigenen Existenz und darum, wie sehr sich Individualität leben lässt, wenn man doch eigentlich eine ganz bestimmte Aufgabe besitzt. Während Forky lieber Abfall wäre als Bonnies Spielzeug, lässt sich diese Fragestellung über Woody weiterführen. Dieser trauert seinem geliebten Andy nämlich immer noch nach und je häufiger er von Bonnie im Schrank zurückgelassen wird, weil diese lieber mit ihren vielen anderen Spielzeugen spielen möchte, desto mehr stellt sich Woody die Frage, inwiefern seine Zeit in einem Kinderzimmer vorbei ist. Mit dieser sehr reifen Thematik zielen die Regisseure Josh Cooley (inszenierte zuvor den Pixar-Kurzfilm „Rileys erstes Date“) und die Drehbuchautoren Andrew Stanton („Findet Dorie“) und Stephany Folsom („Star Wars: Resistance“) vermutlich eher die „Toy Story“-Liebhaber erster Stunde ab, anstatt die ganz jungen Zuschauer. Denn auch wenn das Team mit grobem Slapstick und aufregenden Einschüben wie etwa Verfolgungsjagden nicht geizt, so wird sich „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ eher einem älteren Publikum erschließen.

Bonnie findet in Forky einen neuen Freund.

Dies unterstreicht nicht zuletzt die Komplexität des augenscheinlichen Schurken: Als Woody und Forky auf ihrem Roadtrip in einem Antiquitätenladen landen, werden sie dort von der Puppe Gabby Gabby und ihren düster dreinblickenden Puppen-Handlangern (die vom Äußeren her an die Slappy-Puppe aus „Gänsehaut“ erinnert) gefangen genommen. Ihre Beweggründe für das Toy-Napping werden im Laufe des Films so weit aufgedröselt, bis man im finalen Drittel sogar Verständnis für ihr Handeln aufbringt. Gleichzeitig ist der schmale Grat von der harmlosen „Wenn du nicht aufgibst, kannst du dir deinen Traum erfüllen, egal welche Makel du hast!“-Botschaft, hin zur äußerst fragwürdigen „Wenn du nur lang genug quengelst, bekommst du irgendwann deinen Willen!“-Message sehr, sehr schmal. Wer da nicht schnell genug reflektiert, den entlässt „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ möglicherweise glatt mit der falschen Moral aus dem Kinosaal. Auch abseits davon widmen sich die Macher hier mehr denn je der Imperfektion. Egal ob der im Original kongenial von Keanu Reeves, in der deutschen Fassung ähnlich überzeugend von Michi Beck („Die Pinguine von Madagascar“) gesprochene Duke Kaboom, der nie so hoch und weit springen konnte, wie in der Fernsehwerbung angepriesen, die beiden Jahrmarktstandplüschtiere Ducky und Bunny (im Original: Jordan Peele und Keegan-Michael Key) oder die von ihren Besitzern zurückgelassenen, sogenannten kinderlosen Spielzeuge: Sie alle haben ihre Makel und machen sich diese zu Alleinstellungsmerkmalen. Und das ist manchmal auch richtig komisch.

Insbesondere die an den Händen zusammengenähten Plüschtiere, die sich zunächst mit Buzz Lightyear anlegen und später glücklich darüber sind, endlich Freunde gefunden zu haben, sorgen für viele Lacher; im Zusammenspiel mit den allesamt doch eher bodenständig-harmlosen Spielzeugen, denen nichts wichtiger ist, als die Glückseligkeit ihre Kindes, sind Ducky und Bunny echte Draufgänger mit einer blühenden Fantasie. Die ist in Sachen Optik gar nicht mehr nötig, um sich die schönsten Leinwandbilder in gestochen scharfer 3D-Animation vorzustellen: „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ setzt auf die ohnehin extrem hohen Animationsfilmstandards des Pixar-Konzerns noch einmal eine ganze Schippe drauf und lässt zeitweise gar nicht mehr erkennen, ob wir es bei den naturgetreuen Hintergründen wirklich noch mit 3D-Trick zu tun haben, oder ob hier vor Realfilmkulisse gedreht wurde. Allein schon für die konsequenten qualitativen Updates können wir den fünften Teil der „Toy Story“-Saga kaum erwarten.

Gabby Gabby und ihre Freunde nehmen Woody und Forky Gefangen.

Fazit: Das hier ist ein neues, buntes, aber auch nachdenkliches Abenteuer aus der „Toy Story“-Welt, das dem dritten Teil trotzdem nicht den Status als großes Finale nimmt – und da „A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ ganz nebenbei mal wieder tricktechnische Standards setzt, waren all die Zweifel, ob man wirklich einen vierten „Toy Story“-Film braucht, unbegründet.

„A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando“ ist ab dem 15. August bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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