Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon

Die Komödie GRÜNER WIRD’S NICHT, SAGTE DER GÄRTNER UND FLOG DAVON trägt nicht nur einen ellenlangen Titel, sondern erweist sich obendrein auch noch als gar nicht so lange Selbstfindungsodyssee eines grantigen Eigenbrötlers. Weshalb diese so ganz anders verläuft, als man es erwarten würde, das verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Schorsch ist Gärtner in einer bayerischen Kleinstadt und schuftet täglich in seinem Betrieb, der kurz vor der Pleite steht. Er redet nicht gern und auch nicht viel. Hat er nie. Die Ehe mit seiner Frau ist längst entzaubert und zu allem Überfluss möchte seine Tochter jetzt auch noch an die Kunstakademie. „Ein solcher Schmarrn!“ ist alles, was Schorsch dazu einfällt. Nur über den Wolken, in seinem klapprigen Propeller-Flugzeug, einer alten Kiebitz, fühlt sich Schorsch wirklich frei. Doch dann missfällt dem Chef des lokalen Golfplatzes, den Schorsch angelegt hat, der Grünton des Rasens und Schorsch bleibt auf seiner Rechnung sitzen. Als der Gerichtsvollzieher kurz darauf sein geliebtes Flugzeug pfänden will, setzt sich Schorsch in die Kiebitz, packt den Steuerknüppel und fliegt einfach davon. Ohne zu wissen, wohin.  Es beginnt eine Reise, die ihn an unbekannte Orte führt, voller skurriler und besonderer Begegnungen – und mit jedem Start und jeder Landung öffnet der Gärtner ganz langsam sein Herz wieder für das, was man eine Ahnung von Glück nennt…

Kritik

Irgendwann im Leben kommt der Punkt, an dem die meisten Menschen ihre eigene Existenz sowie den Sinn des Lebens hinterfragen. Bei einigen manifestiert sich diese Grübelei in einer handfesten Mitlife Crisis und plötzlich wird nicht bloß die Frau mitsamt Kindern gegen eine knackige junge Freundin eingetauscht, sondern auch die Vorliebe für Besitztümer wie Motorräder wiederentdeckt, oder gar die eigene Eitelkeit. Auch die Medien greifen dieses Phänomen hin und wieder auf. So zum Beispiel der Autor Jockel Tschiersch, der in seinem Roman „Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon“ von genau solch einem Zeitgenossen erzählt. Einem Zeitgenossen, der eigentlich alles hat und dessen Routine plötzlich aus dem Gleichgewicht gebracht wird, als ihm ein Auftrag abhandenkommt, der ihn an die Grenze des Ruins treibt. In der gleichnamigen Verfilmung von Florian Gallenberger („Colonia Dignidad“) wird die Hauptfigur Schorsch von Elmar Wepper („Lommbock“) gespielt; einem Schauspieler, der wie prädestiniert dafür scheint, einen weiteren grantelnden Eigenbrötler zu verkörpern. Aufbau und vor allem Ausgang der Geschichte erscheinen einem bei dieser Einleitung ziemlich deutlich auf der Hand zu liegen. Dass Gallenberger sein fliegendes Roadmovie über einen aus seinem Alltag ausbrechenden Hobbypiloten dann auch noch als gefällige Wohlfühl-Komödie aufzieht, unterstreicht den ersten Eindruck. Erzählerisch macht es Gallenberger seinen Figuren allerdings alles andere als leicht und so ist „Grüner wird’s nicht“ ein weitaus ambitionierterer Film, als man es auf den ersten Blick begreift.

Gärtner Schorsch (Elmar Wepper) und sein Auftraggeber Dr. Starcke (Bernd Stegemann) begutachten das Grün des Golfplatz-Rasens

In „Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon“ geht es zwar in erster Linie um Schorsch, auf dem Weg von seiner süddeutschen Heimat in Richtung Antarktis trifft er nebenbei jedoch auch auf allerlei verschiedene Männer und Frauen, die allesamt selbst mit diversen Problemen belastet sind. Damit sich die Schicksale für alle Beteiligten in eine positive Richtung entwickeln, müssten die Drehbuchautoren Gernot Griksch („Happy Burnout“) und Gallenberger selbst das ganze Potpourri an erzählerischer Konstruktion aufwenden, worunter in der Regel die Glaubwürdigkeit leidet. Daran sind Griksch und Gallenberger allerdings gar nicht erst interessiert. Stattdessen befasst sich das Skript ausführlich mit den Eigenheiten und Hintergrundgeschichten sämtlicher Haupt- und Nebencharaktere, lässt sie eine glaubwürdige Entwicklung durchleben und entlässt sie spätestens mit dem Schlussakt in ein möglichst lebensechtes Szenario. Das bedeutet eben auch, dass „Grüner wird’s nicht“ nicht für jeden Charakter ein Happy End parat hat. Da müssen (Stief-)Eltern eben schon mal bis auf Weiteres auf ihre Tochter verzichten und manchmal ist eine Scheidung für alle Beteiligten die beste Lösung. Dass der Film trotzdem nie in allzu dramatische Gefilde abgleitet, könnte Liebhaber allzu realitätsnaher Produktionen aufstoßen; Gallenberger setzt mit seiner farbenfrohen Inszenierung und sein beschwingtes Erzähltempo, das er zudem immer wieder mit trockener Situationskomik anreichert, deutliche Akzente: Sein Film ist definitiv eine Komödie, wenngleich hin und wieder mit tragischem Einschlag.

Das Ensemble erweckt ein buntes Figurenarsenal zum Leben, dessen unterschiedliche Ausrichtung zunächst irritiert und den Film selbst zu Beginn in ein leicht unentschlossenes Licht rückt. Als Schorsch bei einer seiner Stippvisiten auf den Landsitz der Familie von Zeydlitz trifft, wähnt man sich bisweilen in einer überdrehten Groteske; so übertrieben und affektiert spielen Ulrich Tukur („Aus dem Nichts“) und Sunnyi Melles („Safari – Match Me If You Can“) auf. Auch die permanent im Hasenkostüm herumlaufende, alles und jeden um sich herum passende Tochter Philomena fügt sich in das Bild der Familie, allerdings so gar nicht in das des restlichen Films. Erst als Schorsch und Philomena gemeinsam das große Anwesen verlassen, normalisiert sich die Interaktion unter ihnen und aus dem Klischee einer schwer erziehbaren, rebellierenden Tochter wird ein sympathisches Mädchen mit echten Problemen und einer durchaus traurigen Hintergrundgeschichte. Ein Besuch bei ihrer in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebenden Oma holt „Grüner wird’s nicht“ schließlich endgültig auf den Boden der Tatsachen zurück und Gallenberger findet bis zum Schluss eine stimmige Balance zwischen Optimismus und Realismus, wenn er sich der Schicksale seiner warmherzigen Figuren annimmt.

Emma Bading erweist sich in „Grüner wird’s nicht“ ein weiteres Mal als hoffnungsvolle Nachwuchsdarstellerin.

Getragen wird „Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon“ neben den wunderschönen Landschaftspanoramen weitgehend unberührter und damit für die Leinwand unverbrauchter Landstriche (Kamera: Daniela Knapp, „Gleißendes Glück“), vor allem von den Darstellern. Das Ensemble besteht gleichermaßen aus alteingesessenen Charakterdarstellern und Newcomern, die einander nie die Show stehlen und von denen sich keiner unangenehm in den Vordergrund drängt. Auch wenn Elmar Wepper das Ensemble allein schon aufgrund seiner Protagonistenposition anführt, ist es vor allem die hervorstechende Emma Bading („Meine teuflisch gute Freundin“), die ihre Figur zu mehr macht, als nur zu einem klassischen „Problemkind“. Mit ihrer offenen Art spricht sie ehrlich und direkt aus, was sie denkt. Und damit stößt sie nicht bloß hin und wieder ihre deutlich älteren Weggefährten vor den Kopf („Wann hattest du eigentlich dein erstes Mal?“), sondern überrascht auch den Zuschauer in nahezu jeder Szene, in der sie auftaucht. Ebenfalls hervor sticht  „Tatort“-Star Dagmar Manzel. In ihrer Rolle der allein einen Flughafen leitenden Hannah agiert sie in ihrer Zurückhaltung fast passiv gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen und bewahrt sich dadurch lange Zeit eine angenehme Form der Unnahbarkeit. Wenn sie mit der Zeit offensiver wird, unterstreicht sie das Sprichwort der tiefen stillen Wasser und ergänzt den Cast dadurch um eine weitere spannende Figur. Monika Baumgartner („Der Alte“) und Tilman Pörzgen („Abschussfahrt“) runden das stimmige, hervorragend aufeinander eingespielte Ensemble ab.

Fazit: Florian Gallenberger macht es sich mit seiner Feelgood-Selbstfindungskomödie „Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon“ nicht einfach und versucht, trotz vieler verschiedener Brandherde ein positives Gefühl zu vermitteln, das echt und nicht konstruiert wirkt. Und was soll man sagen: Ihm ist genau das gelungen. Ein Wohlfühlfilm, dem man all seine positiven wie negativen Entwicklungen jederzeit abnimmt.

„Grüner wird’s nicht, sagte der Gärtner und flog davon“ ist ab dem 30. August in den deutschen Kinos zu sehen.

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