Don’t Look Up

Nach „The Big Short“ und „Vice – Der zweite Mann“ rudert der ehemalige Will-Ferrell-Weggefährte Adam McKay ein wenig zurück in Sachen subversiver Analyse US-amerikanischer Geschichte und legt mit DON’T LOOK UP eine Hau-drauf-Satire vor, die unangenehm nah an der Wirklichkeit dran ist. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

OT: Don’t Look Up (USA 2021)

Der Plot

Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence), Studentin der Astronomie, und ihr Professor, Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio), entdecken einen Kometen auf einer Umlaufbahn im Sonnensystem. Das Problem? Er ist auf einem direkten Kollisionskurs mit der Erde. Das andere Problem? Niemanden kümmert es. Es stellt sich tatsächlich als ein recht schwieriges Unterfangen heraus, die Menschheit vor einem Planetenkiller in der Größe eines Mount Everests zu warnen. Mithilfe von Dr. Oglethorpe (Rob Morgan) starten Kate und Randall eine Pressetour, angefangen im Büro der gleichgültigen Präsidentin Orlean (Meryl Streep) und ihres unterwürfigen Sohnes und Stabschefs Jason (Jonah Hill) bis zum Radioprogramm „The Daily Rip“, einer munteren Sendung am Morgen, die von Brie (Cate Blanchett) und Jack (Tyler Perry) moderiert wird. Nur noch sechs Monate verbleiben, bis der Komet aufschlägt. Und der Versuch, im 24-stündigen Nachrichtenzirkus erwähnt zu werden und die Aufmerksamkeit der von Social Media besessenen Bevölkerung zu erringen, bevor alles dem Niedergang geweiht ist, stellt sich als schockierend komisch heraus. Was muss man tun, damit die Welt nach oben schaut?

Kritik

Es ist ja nicht so, als wäre die Prämisse von Adam McKays Weltuntergangssatire „Don’t Look Up“ nicht schon absurd genug: In einer nicht allzu weit entfernten, aber auch nicht näher datierten Zukunft rast ein „Planet Killer“, so nennt man diese Art alles verschlingenden Kometen, auf die Erde zu und droht mit seiner Ankunft alles Leben zu vernichten. Im Angesicht dieser Katastrophe bemühen sich die USA allerdings nicht darum, die Zeit, die ihnen noch bleibt, wahlweise mit Lösungsansätzen oder all dem zu verbringen, was man auf seine letzten Tage als Erdenbewohner:in noch so erledigen möchte. Sondern mit Aussitzen, Leugnen und einer militanten „Nichts hören und nichts sehen“-Strategie; Daher auch der Titel: „Don’t Look Up“ – „Schaut nicht nach oben!“. Denn wenn ihr den Meteoriten nicht sehen (wollt), dann ist er auch nicht da… Nun war „Don’t Look Up“ ursprünglich als Metapher auf die Klimakrise geplant, besitzt nun allerdings auch unübersehbare Parallelen zum Umgang mit der Corona-Pandemie. Und schwupp: Adam McKays Film erweist sich prompt nicht mehr ausschließlich als satirisches Gedankenspiel, sondern auch als Salz in die Wunde streuende Analyse von Missständen, deren Entwicklung wir in den vergangenen zwei Jahren selbst beiwohnen durften. Vom Aufkommen einer die Katastrophe leugnenden, radikalen Verschwörungsgruppierung bis hin zu regierenden Personen, die den Ernst der Lage nicht erkennen respektive nicht erkennen wollen. Vielleicht hätte „Don’t Look Up“ im Anbetracht dessen, dass die Realität aktuell teilweise genau so crazy ist wie McKays Film-Realität, bisweilen noch bitterer, böserer und bissiger sein dürfen. Seinen Zweck als Voll-auf-die-Fresse-Komödie im Angesicht menschlicher Idiotie erfüllt der nun für wenige Wochen im Kino zu sehende und anschließend auf Netflix versendete Film trotzdem mit Bravour.

Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence), Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) und Dr. Clayton Oglethorpe (Rob Morgan) finden kein Gehör.

„Don’t Look Up“ ist so etwas wie der „Missing Link“ zwischen Adam McKays „Anchorman 2“, seiner letzten Regiearbeit in seiner Will-Ferrell-Kollaboration, und „The Big Short“, seinem ersten eigenständigen, fernab von reiner Comedy angesiedeltem Film, mit dem er sich ad hoc ins Award-Rennen seines Jahres katapultierte. Blödeleien und Albernheiten wie man sie aus den bisweilen sehr grobschlächtigen Ferrell-Koproduktionen (darunter etwa „Stiefbrüder“ oder „Die etwas anderen Cops“) gewohnt ist, finden sich auch in „Don’t Look Up“. Das beginnt bei der längst nicht mehr bloß satirisch, sondern eher parodistisch angelegten Ausrichtung der von einer brillant ätzenden Meryl Streep („The Prom“) dargestellten US-Präsidentin, die mit einem Pussy-Pic (dem weiblichen Pendant zum „Dick Pic“) für einen von unzähligen handfesten Skandalen sorgt. Aber auch ihr von Jonah Hill („War Dogs“) verkörperter Film-Sohn als strunzdummer Polit-Handlanger seiner eigenen Mutter ohne jedwedes Rückgrat könnte ebenso gut aus einer McKay-Ferrell-Komödie stammen. Diese beiden, für einen wesentlichen Anteil des Humors verantwortlichen Figuren könnten von der anderen angestrebten Tonalitätsausrichtung nicht weiter entfernt sein. Denn „Don’t Look Up“ ist nur auf der einen Seite ein „Schaut, wie dämlich die Menschheit ist!“-Quatschfilm der Marke „Idiocracy“ und hat einen mindestens genauso großen satirischen Ansatz. Nun bereitet Adam McKay, der auch das Drehbuch selbst verfasste, diesen längst nicht so subtil auf, wie man es von seinen Filmen „The Big Short“ und „Vice – Der zweite Mann“ gewohnt war. Auch die Meta-Spielereien halten sich hier in engen Grenzen. Beide Filme waren auf den ersten Blick „nur“ eine Nacherzählung realer Ereignisse in der US-amerikanischen Historie, erhielten durch das Einweben diverser Meta-Ebenen allerdings auch einen die US-Gesellschaft vorführenden Satireansatz. Etwas, was McKay insbesondere im Falle von „Vice“ von vielen Kritiker:innen aus Übersee um die Ohren gehauen wurde; Und diesen Vorwurf er sich auch angesichts „Don’t Look Up“ gefallen lassen muss.

„‚Don’t Look Up‘ ist nur auf der einen Seite ein ‚Schaut, wie dämlich die Menschheit ist!‘-Quatschfilm der Marke ‚Idiocracy‘ und hat einen mindestens genauso großen satirischen Ansatz.

Doch es ist schon bezeichnend, dass McKay sich damit auseinandersetzen muss, wo dem Film die Absicht des Vorführens einer außer Rand und Band geratenen Zivilisation als allumfassende Intention doch auf der Stirn geschrieben steht: Ja, „Don’t Look Up“ ist (auch) eine unter dem Brennglas stattfindende Analyse politischer und gesellschaftlicher Missstände. Doch nimmt der Autorenfilmer die alleinige Verantwortung dafür weg von den Bürgerinnen und Bürgern selbst und verteilt die Schuld für dieses allgegenwärtige Versagen auf verschiedene Teilgebiete, die im Film allesamt gut zur Geltung kommen. Da ist der Blick hinter die Kulissen des Weißen Hauses mit lediglich um ihren eigenen Erfolg und das eigene Image bemühten Politiker:innen, die von politischen Abläufen keinerlei Ahnung haben und munter in die Kreissäge rennen. Da sind die Medien, die sich mittlerweile ausschließlich auf populistische Inhalte und Schlagworte konzentrieren (müssen), um überhaupt noch ein Publikum zu erreichen; Wenn nicht gerade mit banalen Regenbogen-Inhalten oder platter Unterhaltung – in dieser Welt würde es wahrlich nicht wundern, wäre „Ass“ in zehn Jahren hier mehrfacher Oscar-Gewinner. Wir erinnern uns erneut an „Idiocracy“… Aber da ist eben auch die von all diesen Einflüssen angestachelte Bevölkerung, der es dank der sozialen Medien nie einfacher gemacht wurde, sich aktiv und radikal am Weltgeschehen zu beteiligen. Eine Kritik auf die Existenz von Social Media ist „Don’t Look Up“ allerdings nur bedingt. Stattdessen steht vor allem die Art, damit umzugehen, im Kreuzfeuer McKays komödiantischer Attacken.

Meryl Streep hat in ihrer Rolle als Präsidentin Janie Orlean jede Menge Spaß.

Gerade im Vergleich zu McKays zwei direkten Vorgängerfilmen mag es den Pointen in „Don’t Look Up“ ein wenig an Zielgenauigkeit fehlen. Zwar zünden die meisten, was allein aufgrund der riesigen Schlagzahl für ein Gag-Dauerfeuer sorgt. Selbst wenn hie und da einige nicht vollends aufgehen. Ihre Aussagen treffen allerdings längst nicht so unangenehm in die Magengrube wie manch eine Erkenntnis, die in „The Big Short“ oder „Vice“ zutage gefördert wurde. So plump es klingt: Dass die Menschheit im Angesicht einer Katastrophe ihre Dämlichkeit offenbart, ist Ende 2021 einfach nichts Neues mehr. Verdammt lustig und kurzweilig ist all das – auch dank des Weltklasse-Ensembles – trotzdem. In „Don’t Look Up“ trifft die Créme de la Créme Hollywoods zusammen (darunter u.a. Mark Rylance, Cate Blanchett, Tyler Perry, Timothée Chalamet und Ariana Grande) und bereitet zwei hervorragend aufgelegten Hauptdarsteller:innen die Bühne. Jennifer Lawrence („mother!“) als beim Anblick der tatenlos bleibenden Regierung zunächst fast wahnsinnig werdende und später resignierende Entdeckerin des Meteoriten steht die „Dann macht halt alle was ihr wollt!“-Egalhaltung wunderbar zu Gesicht. Während Leonardo DiCaprio („Once Upon a Time in Hollywood“) lange Zeit den sich voll und ganz der Wissenschaft hingebenden, dadurch scheinbar geerdeteren Part abgibt, bis dieser dem allgegenwärtigen Rummel um seine Figur zum Opfer fällt; Was ein wenig schade ist. Als „der Christian Drosten in Sachen Weltuntergang“ hätte DiCaprio möglicherweise noch besser funktioniert, um die Ebene der Wissenschaft als einzig relevantes Faktenfundament in dieser Welt hervorzuheben und so einen starken Kontrast zur medialen Aufbereitung zu bilden. So vermischen sich in „Don’t Look Up“ die mediale sowie wissenschaftliche Wahrnehmung der Ereignisse irgendwann; Ohne diese Kulmination hätten sich einige wunderbare Reibungspunkte auftun können.

„‚Don’t Look Up‘ ist (auch) eine unter dem Brennglas stattfindende Analyse politischer und gesellschaftlicher Missstände. Doch nimmt der Autorenfilmer die alleinige Verantwortung dafür weg von den Bürgerinnen und Bürgern selbst und verteilt die Schuld für dieses allgegenwärtige Versagen auf verschiedene Teilgebiete.“

So aber folgt „Don’t Look Up“ verschieden ausgerichteten Figuren auf einem Tour-de-Force-Ritt durch die letzten Tage der Menschheit; Und irgendwie trifft Adam McKay mit seiner bisweilen unentschlossenen Humorausrichtung auch den Nagel auf den Kopf. Zwar bleibt der Film durch seinen alleinigen Fokus auf die USA ein wenig hinter seinen Erzählmöglichkeiten zurück (es wäre schon spannend gewesen, zu sehen, wie die anderen Länder mit der Situation umgehen), aber er spiegelt ein aktuell allgegenwärtiges Gefühl der „Wir wissen nicht mehr, ob wir noch weinen oder einfach nur noch gehässig lachen sollen, einfach weil wir offenbar nichts Besseres verdient haben“-Unsicherheit wider. Vielleicht kann man sich zum jetzigen Zeitpunkt gerade deshalb einen Film wie „Don’t Look Up“ gar nicht guten Gewissens ansehen. Oder vielleicht braucht es gerade jetzt die Erkenntnis, dass McKay letztlich ja doch nur eine fiktive Geschichte in einer nicht näher benannten Zukunft erzählt. Und vielleicht liegen zwischen dem Heute in der Wirklichkeit und dem Heute im Film ja doch ein paar Jährchen, in denen sich ein solches Elend noch abwenden ließe. Ganz im Gegensatz zum Kometen, an dessen Einschlag auf der Erde das wohl Tragischste wäre, dass er damit nicht nur die Menschheit auslöschen würde, sondern auch all das Schöne. Nicht umsonst ist „Don’t Look Up“ voll mit Einschüben atemberaubender Naturaufnahmen, die uns aufzeigen, dass der Mensch längst nicht die faszinierendste Spezies dieses Planeten ist…

Fazit: Für „Don’t Look Up“ nähert sich Adam McKay filmisch wieder mehr seinen Will-Ferrell-Wurzeln an und entfernt sich ein Stückweit von seiner Phase als dank „The Big Short“ und „Vice“ treffsicherer Satiriker. Seine beispiellos starbesetzte Weltuntergangscomedy ist krawallig, bitterböse und herrlich albern zugleich. Die zweieinhalb Stunden vergehen wie im Flug. Die Meta-Spielereien seiner letzten zwei Filme könnten Teile des Publikums allerdings vermissen. Und seine Ansprüche an Subtilität sollte man im Vorfeld auch ablegen und stattdessen lieber den kreisenden Holzhammer umarmen, mit dem McKay auf all das niederdrischt, was für uns in den letzten zwei Jahren traurige Realität war.

„Don’t Look Up“ ist ab dem 9. Dezember 2021 in den deutschen Kinos und am dem 24. Dezember 2021 auf Netflix zu sehen.

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