Dumbo

Mit DUMBO liefert der Disney-Konzern das nächste Realfilm-Remake eines Klassikers und geht dabei erzählerisch mutige Wege. Doch läuft das automatisch auf einen guten Film hinaus? Das und mehr verraten wir in unserer Kritik zum Film.

Der Plot

Der Zirkus von Max Medici (Danny DeVito) hat schon bessere Zeiten gesehen. Und auch das neue Elefantenbaby mit den Riesenohren trägt nur weiter zum Gespött der Leute bei. Der abgehalfterte Zirkusstar Holt Farrier (Colin Farrell) soll sich darum kümmern und das Problem aus der Welt schaffen. Doch als Holts Kinder Milly (Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins) herausfinden, dass Dumbo mit seinen außergewöhnlichen Ohren fliegen kann, setzt nicht nur die angeschlagene Zirkustruppe all ihre Hoffnung in den kleinen Dickhäuter. Auch der zwielichtige Unternehmer V.A. Vandevere (Michael Keaton) wittert eine Sensation und damit natürlich das große Geld und überredet Medici, ihm den kleinen Dumbo als Attraktion für seinen Vergnügungspark „Dreamland“ zu verkaufen. An der Seite der charmanten Luftakrobatin Colette Marchant (Eva Green) setzt Dumbo zum Höhenflug an – unter der glänzenden Oberfläche von Dreamland verbergen sich jedoch dunkle Geheimnisse!

Kritik

Es ist schon eine Ironie des Schicksals, respektive der US-amerikanischen Wirtschaft: Da übernimmt der milliardenschwere Disney-Konzern die Produktionsfirma 20th Century Fox, entlässt im Zuge dessen mehrere Tausend Mitarbeiter und drosselt massiv die Pläne für den jährlichen Fox-Output, während im selben Monat ein Film erscheint, der genau diese unterhaltungswirtschaftliche Strategie der Kritik vorführt. Die Rede ist von der Realverfilmung des Zeichentrickklassikers „Dumbo“, der Tim Burton („Die Insel der besonderen Kinder“) nicht nur einen neuen, düster-märchenhaften Look verpasst, sondern ihn außerdem in einen Film einbettet, der auf den ersten Blick ausgerechnet jenen Konzern an den Pranger stellt, der für die Entstehung der Elefantengeschichte Millionen von Dollar auf den Tisch gelegt hat. Nun hat das Eine ja nicht zwingend etwas mit dem Anderen zu tun. Das, was im März 2019 hinter den Kulissen der Walt Disney Company passiert, kann schließlich schon rein zeitlich gesehen gar keinen Einfluss auf die Entstehung von „Dumbo 2019“ gehabt haben, schließlich fiel die erste Klappe dazu bereits im Juli 2017. Aber spätestens jetzt zum Erscheinungstermin wirkt es ein klein wenig zynisch. Wie gut, dass der animierte Elefant mit den Riesenohren (der Arbeitstitel von „Dumbo“ war in Anlehnung an Tim Burtons „Big Eyes“ übrigens „Big Ears“) so niedlich dreinschaut, dass man die zunächst doppelzüngige und später ohnehin zu Gunsten einer anderen Botschaft fallen gelassene Message vom konkurrenzverschlingenden Konzern gar nicht mehr so sehr als Problem wahrnimmt.

Farrier (Colin Farrell) und seine Kinder Milly (Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins), zusammen mit Dumbo.

Er ist schon sehr goldig, dieser knopfäugige Elefant mit den Segelohren; dabei war es ausgerechnet „Dumbo“, dem nach der Ankündigung diverser Disney-Neuverfilmungen vor ein paar Jahren die größte Skepsis entgegengeschleudert wurde. Und tatsächlich ist es wohl in erster Linie den kontinuierlich ansteigenden Möglichkeiten innerhalb der Tricktechnik zu verdanken, dass es heutzutage überhaupt machbar ist, einen (fliegenden) Elefanten vollständig am Computer zu animieren, ohne dass er dabei auch nur ansatzweise so peinlich aussieht, wie sich aktuell der erste Realfilm des Hörspielklassikers „Benjamin Blümchen“ in seinem Trailer präsentiert.  Eingebettet in ein gleichermaßen detailverliebt-verspieltes und doch melancholisches Zirkussetting, das auch als „düsteres ‘Greatest Showman‘“ durchgehen würde, entfaltet sich in „Dumbo“ eine wunderbare Atmosphäre des Staunens, die greifbar macht, weshalb das Thema Zirkus vor allem junge Leute fasziniert. An allen Ecken und Enden gibt es etwas zu entdecken: Niedliche weiße Mäuse in Zirkusdirektormontur, prunkvoll geschmückte Pferde, bis zur Decke mit Krams vollgestopfte Wohnwagen und spektakuläre Kostüme – „Dumbo“ ist in erster Linie ein bildgewaltiger Film. Da stimmt Danny Elfmans Musik direkt mit ein; Leider meint es der „Justice League“-Komponist damit ein wenig zu gut. „Dumbo“ ist mit Musik regelrecht zugekleistert. Während die Neuinterpretationen bekannter „Dumbo“-Stücke zumeist überzeugen können, gibt es im Film kaum eine Szene, in der das Orchester nicht zu hören ist. Das ist auf Dauer einfach zu viel.

Was dem Film dagegen gut bekommt, ist der Umgang mit der Originalgeschichte – zumindest wenn man danach geht, wie überraschend hoch dadurch der Alleinstellungswert von „Dumbo 2019“ ist. Regisseur Tim Burton und Drehbuchautor Ehren Kruger („Ghost in the Shell“) orientieren sich von Anfang an nur lose an der Zeichentrickvorlage, eh sie sich in der zweiten Hälfte sogar vollständig von ihr verabschieden. Das wird all jene freuen, die in der bloßen Realverfilmung der Disney-Zeichentrickklassiker außerhalb der sicheren Box-Office-Hits keinerlei Nutzen sehen. Gleichzeitig reicht der „Dumbo“ von heute emotional nie an jenen von 1941 heran. Indem Tim Burton den Zirkusstar Holt und seine beiden Kinder Milly und Joe zum erzählerischen Mittelpunkt macht, wird das Schicksal des aufgrund seiner Riesenohren verspotteten Außenseiters Dumbo nur beiläufig beleuchtet. Einige Szenen in denen die Kids mit dem Elefanten Freundschaft schließen, eine, in der die Elefantenmutter ihr Junges vor den gierigen Augen der Menge beschützt, der verheerende Zwischenfall in der Zirkusmanege und schon folgt die im Original herzzerreißende Ballade „Baby Mine“, in der Dumbo und seine Mutter einander nur durch die Gitterstäbe berühren können. Doch nicht nur dieses Generationen zum Heulen gebrachte Lied besitzt aufgrund der minimalistischen Gitarren-Neuauflage nicht ansatzweise eine solche Herzschmerz-Wucht, wie das Original. Da man bis hierhin einfach noch gar nicht richtig in der Lage war, eine emotionale Bindung zu dem Baby-Elefanten aufzubauen, ist es kaum möglich, dass einen das Geschehen hier so sehr mitnimmt. Tim Burton rauscht mit seinem Film regelrecht durch die bekannten Stationen; da bleiben zwangsläufig einige Gefühle auf der Strecke.

Colette Marchant (Eva Green) und Dumbo werden zum Team.

Wie bereits angedeutet, entfernt sich „Dumbo“ in der zweiten Hälfte schließlich komplett von der Vorlage. Mit dem Auftauchen des Unterhaltungstycoons V.A. Vandevere, den „Birdman“-Star Michael Keaton genau richtig als groß träumendes und trotzdem maßlos überhebliches Genie verkörpert, wird aus „Dumbo“ auch ein klassischer Abenteuerfilm, in dem mit einer gewissen Grundnaivität ausgestattete Menschen versuchen, einen kleinen Elefanten aus der Gefangenschaft eines Großkonzerns zu befreien. Es ist vor allem die kritische Komponente im Hinblick auf derartige Konzerne, die lieber erfolgreiche Attraktionen von außen einkaufen, anstatt sich selbst von klein auf zu etwas Großem hochzuarbeiten, die deutlich an die Wirtschaftsstrategie der echten Disney Company erinnert. Das ist zum einen bemerkenswert: Wer hätte erwartet, dass ausgerechnet Disney selbst eine solch selbstkritische Geschichte durchwinken würde? Auf der anderen Seite weicht diese Botschaft gen Ende hin einer weitaus versöhnlicheren („Keine Wildtiere zu Unterhaltungszwecken!“), an der sich selbst ein Konzern wie Disney kaum die Finger verbrennt. Nicht zuletzt, weil Tiere in den Disney-Parks (die für das Design von V.A. Vandeveres Vergnügungspark ganz offensichtlich Pate standen) längst kein Teil mehr von Attraktionen sind. Es passt also alles auch weiterhin zum familienfreundlichen Image des Mäusekonzerns, der mit der Verpflichtung von Tim Burton immerhin inszenatorisch neue, reifere Wege geht (allein die Umsetzung der berühmt-berüchtigten „Rosa Elefanten“-Szene wäre ohne den visionären Regisseur wohl kaum ähnlich kraftvoll geworden wie hier). So richtig was haften bleibt dagegen nicht – es ist fraglich, ob sich in ein paar Jahren genauso viele Leute an den Dumbo aus 2019 erinnern wie an jenen von 1941. An den großen Kulleraugen hat’s jedenfalls nicht gelegen.

Fazit: Tim Burton gebührt Respekt dafür, dass er seine ganz eigene Vision eines „Dumbo“-Realfilms durchgezogen hat, anstatt einfach nur das Original zu kopieren. Auch die Effekte und das melancholisch-märchenhafte Zirkussetting wissen zu überzeugen. Gleichzeitig entwickelt der „Dumbo“ aus 2019 nie einen vergleichsweise emotionalen Punch wie die Vorlage. Dafür wirkt die erste Hälfte der Neuverfilmung zu gehetzt und die zweite in ihrer unterhaltungskonzernkritischen Botschaft zu unausgegoren, als dass man dem Film seine Aussage wirklich abkauft.

„Dumbo“ ist ab dem 28. März bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.

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