Ghost in the Shell

Nach diversen Anime-Umsetzungen erscheint der Kultmanga GHOST IN THE SHELL nun auch als Realfilmfassung. Doch hat Rupert Sanders‘ 3D-Blockbuster mehr zu bieten als hypermoderne Bildgewalten? Das und mehr verrate ich in meiner Kritik.
Der Plot
In der nahen Zukunft ist Major (Scarlett Johansson) der Prototyp einer neuen Generation. Als Überlebende eines verheerenden Unfalls wurde sie mit kybernetischen Fähigkeiten ausgestattet, die sie zur perfekten Soldatin machen. Ihre Aufgabe: die gefährlichsten Kriminellen der Welt zu stoppen. Als der Terrorismus ein bisher ungekanntes Ausmaß erreicht und es Hackern gelingt, sich in die menschliche Psyche einzuloggen und diese zu kontrollieren, ist Major die Einzige, die die Attentäter aufhalten kann. Auf ihrer Jagd nach einem mächtigen neuen Feind wird sie mit einer unerwarteten Wahrheit konfrontiert: Ihr Leben wurde nicht gerettet – es wurde ihr gestohlen. Ohne Rücksicht auf Verluste versucht sie nun, ihre Vergangenheit zu rekonstruieren, herauszufinden, wer ihr das angetan hat, und die Verantwortlichen zu stellen…
Kritik
Seit im Jahr 1989 der japanische Manga „Ghost in the Shell“ von Masamune Shirow veröffentlicht wurde, hat es sechs verschiedene Film- und Serienaufbereitungen der mit diversen philosophischen Zwischentönen versehenen Science-Fiction-Geschichte gegeben. Als Anime gehört die Vorlage zu den maßgeblichen Wegbereitern für das internationale Verständnis der Manga-Kultur; dass es also irgendwann auch eine Live-Action-Verfilmung von „Ghost in the Shell“ geben würde, war da nur noch eine Frage der Zeit. Die Traumfabrik Hollywood hat sich dieses Unterfangen als erstes unter den Nagel gerissen und mit ihr der vor allem durch „Snow White and the Huntsman“ bekannt gewordene Blockbuster-Spezialist Rupert Sanders. Bei dem modernen Fantasy-Märchen waren sich in zwei Dingen so ziemlich alle einig: erzählen kann er nicht. Aber bombastische Bildgewalten auf die Leinwand zaubern, da scheint der gebürtige Brite ganz in seinem Element zu sein. Und so ist es am Ende dann auch gar nicht verwunderlich, dass Sanders‘ Realfilm-Variante von „Ghost in the Shell“ ein berauschender Augenschmaus geworden ist, der das Science-Fiction-Kino so maßgeblich prägen wird, wie es zuletzt wohl nur „Matrix“ gelungen ist. Es scheint fast egal, ob es sich der reichlich oberflächlich dargebotenen Geschichte überhaupt zu folgen lohnt. Nur wenige Minuten in den 3D-Welten der hypermodernen Zukunfts-Metropole verbracht, ist es einem ganz gleich, was da ganz nebenbei noch erzählt werden soll. Hauptsache, die Reise durch diese faszinierende Welt findet so schnell kein Ende.
Wie oft wurde der Terminus „Style over Substance“ schon bemüht, nur um irgendwie zu rechtfertigen, weshalb sich der Zuschauer von einer allzu dünnen Handlung nicht direkt abschrecken lassen sollte, sofern doch das optische Spektakel stimmt. Doch um sich dieses Prädikat im effektüberladenen, jede Woche aufs Neue beeindruckende Bildgewalten ins Kino bringenden Blockbuster-Business zu verdienen, muss man heutzutage schon ein wenig mehr liefern, als das x-te CGI-Gewitter. Einen zitierfähigen, prägenden Look hat im Science-Fiction-Kino zuletzt „Matrix“ hervor gebracht, dessen visionäre Stilistik bis heute kopiert und zu Inspirationszwecken herangezogen wird. „Ghost in the Shell“ könnte dahingehend der nächste visuelle Quantensprung werden – und das, wo der Film inszenatorisch doch eigentlich auf allzu ausgefallene Spielereien oder innovative Technik verzichtet. Was den Machern dafür gelingt, ist das Erschaffen einer futuristischen Welt, die sich nicht etwa an anderen Filmvorlagen orientiert, sondern ganz für sich alleine steht und damit erst recht zum Eintauchen einlädt. Die hier dargebotenen Bildgewalten sind so tatsächlich einmalig – dass Gefühl, sich gar nicht an den vielen Details und kreativen Ideen satt sehen zu können (und zu wollen!) kommt also nicht von ungefähr. Als Vorlage diente für einen Großteil der Orte und Settings erwartungsgemäß der Manga und wer diesen gelesen hat, wird viele der Setpieces wiedererkennen. „Ghost in the Shell“ von 2017 ist Neuninterpretation und Hommage an bisherige Adaptionen in einem und kombiniert klassische Stilelemente des Mangas mit der Ästhetik eines zeitgemäß-anspruchsvoll inszenierten Sci-Fi-Films. Das ist erwachsen, rau und optisch absolut vielfältig – sämtliche Details allein bei der ersten Sichtung zu entdecken, scheint da schier unmöglich.
Der Eindruck der visuellen Brillanz erstreckt sich nicht bloß über das Szenenbild alleine, sondern findet seine Vollendung in den Computereffekten, den Kostümen bis hin zu Make-Up- und Frisurendesign. „Ghost in the Shell“ orientiert sich auch hier an Vorgaben aus Manga und Anime, jedoch nicht, ohne das Gezeigte auf eine höhere, eine noch modernere Ebene zu hieven und damit dem Grundgedanken der Vorlage treu zu bleiben. Die Geschichte lebt vom Spiel mit dem technischen Fortschritt, mit der Verschmelzung dessen, was einmal möglich sein wird und dem, was bereits möglich ist und lässt infolge dessen Mensch und Maschine eins werden – auch das in einer wirkungsvollen Präzision, wie man es zuletzt etwa bei „Ex_Machina“ zu sehen bekam. Ohne das sich hervorragend dieser Szenerie fügende Spiel von Scarlett Johansson („The First Avenger: Civil War“) wäre das jedoch nicht möglich: Johansson verkörpert die um Menschlichkeit bemühte Major auf der punktgenauen Schwelle zwischen Humanität und Roboter und macht das Dilemma um die Existenz ihrer Figur, aber auch die innere Zerrissenheit absolut greifbar. Damit ist „Ghost in the Shell“ immer noch kein Schauspielerkino – neben Johansson erfüllt der Rest des Casts mitsamt einer sichtbar unterforderten Juliette Binoche („Die Wolken von Sils Maria“) lediglich ihren Zweck als für den Moment wichtige Person ohne emotionalen Hintergrund. Doch da die Geschichte auch mit der Gestik und Mimik von Protagonistin Major steht und fällt, ist „Ghost in the Shell“ auf Darstellerebene absolut in Ordnung.
So ganz ohne die Betrachtung der Story kommen wir bei „Ghost in the Shell“ dann aber doch nicht aus. Auch wenn die philosophischen Ansätze und Gedankengänge immer wieder zwischen den Zeilen durchscheinen – für Nichtkenner der Vorlage dann allerdings doch weitaus schwieriger zu entdecken sind, als für mit der Materie vertraute Liebhaber –, so ist der Sci-Fi-Actionfilm inhaltlich recht generisch geraten. Über den klassischen Kampf zwischen Gut und Böse kommt „Ghost in the Shell“ ebenso wenig hinaus, wie er neue Ansätze zu den Fragen liefert, wie viel Vertrauen man in Maschinen setzen darf, ob die Entwicklung intelligenter Roboter und Computer erstrebenswert, oder die Emotionalität des Menschen als Schwäche zu werten ist Und so richtig kreativ wird es bei der Umsetzung dann leider auch nicht, wenn sich das Finale als x-beliebiger Shootout präsentiert. Das ist schade, denn hätten die Macher sich hier ein wenig stärker an der Vorlage orientiert (und nicht schon vor Einsetzen des Abspannes sichtbar in Richtung Fortsetzung geschielt), hätten sich die inhaltlichen Qualitäten sowie die der Geschichte möglicherweise auf Augenhöhe getroffen. Dann wäre der Film vermutlich um einiges länger geworden, aufgrund des flotten Tempos, der atemlosen Dynamik und den stimmigen 3D-Effekten hätte man das jedoch gern in Kauf genommen. Nun bleibt nur zu hoffen, dass „Ghost in the Shell“ von seiner spektakulären Optik und natürlich von seinen Fans zehren kann, die den Film mit solch guten Einspielergebnissen versehen, dass eine Fortsetzung schon bald beschlossene Sache ist.
Fazit: Rupert Sanders‘ hypermodern inszenierte Realfilmversion des Kultmangas „Ghost in the Shell“ ist ein durchgestylter 3D-Actionfilm, dessen virtuose Optik gleichermaßen berauscht wie für die inhaltlich dünne Erzählung entschädigt. Dafür gibt es für die Kenner der Vorlage diverse Details und Anspielungen zu entdecken, die mehr als nur einen Kinobesuch rechtfertigen.
„Ghost in the Shell“ ist ab dem 30. März bundesweit in den Kinos zu sehen – auch in starkem 3D!
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