Erlöse uns von dem Bösen

Nicht noch ein Exorzismusfilm? Weit gefehlt! Wie schon in seinem „Der Exorzismus von Emily Rose“ variiert Regisseur Scott Derrickson auch in seinem neusten Werk ERLÖSE UNS VON DEM BÖSEN das dämonische Subgenre und kleidet es in einen knallharten Copthriller. Damit werden nicht nur Erinnerungen an das Neunzigerjahre-Suspense-Kino wach, sondern das neue Jahrtausend ist um einen beachtlichen Horrorbeitrag reicher. Mehr zum Film in meiner Kritik. 

Der Plot

Der Alltag des New Yorker Polizisten und Familienvaters Ralph Sarchie (Eric Bana) gerät jäh aus den Fugen, als es im Big Apple zu einer Reihe mysteriöser Verbrechen kommt. Gemeinsam mit seinem Partner Butler (Joel McHale) begibt sich Ralph auf die Spur vermeintlich religiös motivierter Morde, die ihren Ursprung einst im Irakkrieg fanden und sich nun in New York ausbreiten. Dabei stößt der Detective nicht nur an seine körperlichen und physischen Grenzen, sondern trifft alsbald auf den Exorzisten und Priester Mendoza (Édgar Ramírez), der behauptet, all diese Ereignisse seien nicht etwa irdischen, sondern dämonischen Ursprungs. Ralph, mittlerweile selbst an Visionen leidend, bleibt nichts anderes übrig, als sich notgedrungen mit Mendoza zusammenzutun und dem Bösen mithilfe von Weihwasser und Kruzifix gegenüberzutreten.

Kritik

Regisseur Scott Derrickson ist ein Meister des kreativen Arrangements abgestandener Horrorfilm-Klischees. Der zumeist auch als Drehbuchautor seiner Streifen fungierende Filmemacher bewies mit seinem übernatürlichen Justizdrama „Der Exorzismus von Emily Rose“, dass das Subgenre des Exorzismus-Films auch nach William Friedkins immerwährendem Klassiker noch nicht tot ist und sein letzter Streich, die 2012 von den Kritikern hervorragend aufgenommene Dämonen-Story „Sinister“, funktionierte derart radikal nach gängigen Genre-Mechanismen, dass Derricksons Zuhilfenahme von Story und Darstellerleistungen eines der packendsten Filmerlebnisse des Jahres kreierte. In dem angeblich auf wahren Ereignissen beruhenden Horrorthriller „Erlöse uns von dem Bösen“ kombiniert der Regisseur nun einen vermeintlich konventionellen Cop-Thriller mit kompromisslosen Schockeffekten und wird somit zum Inszenator eines klassischen Schauerstücks, das trotz seines modernen Gewands an das Suspense-Kino der Neunzigerjahre erinnert. Ohne sich dabei direkt an großen Vorbildern wie „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Sieben“ zu orientieren, gerät „Erlöse uns von dem Bösen“ in seiner Tiefgründigkeit derart intensiv, dass man sich vor ein paar Jahren durchaus hätte vorstellen können, den Streifen in Oscar-Kategorien wie „Bestes Drehbuch“ oder „Bester Hauptdarsteller“ wiederzufinden. So stellt der Film wohl „lediglich“ eine der besten Horrorgeschichten des Jahres und zeigt auf, dass das Genre – trotz wiederkehrender Prophezeiung – noch lange nicht dem Untergang geweiht ist.

Wer glaubte, ein Exorzismusfilm funktioniere die meiste Zeit bloß über hektisches Geschrei, überbordende Effektgewitter und viel, viel Blut, den belehrte im vergangenen Jahr bereits James Wans „Conjuring – Die Heimsuchung“ eines Besseren, der sich des Themas mit dem nötigen Fingerspitzengefühl annahm und der eigentlichen Teufelsaustreibung gerade einmal wenige Minuten der Gesamtlaufzeit widmete. Auch „Erlöse uns von dem Bösen“ hat trotz des verstärkt dämonisch geprägten Marketings wesentlich mehr zu bieten als einen halbgaren Schocker und präsentiert sich vor allem in der ersten Hälfte als düsterer Thriller, der sich erst spät in übersinnliche Gefilde begibt. Im Mittelpunkt steht Hollywoodstar Eric Bana („Lone Survivor“) in der Rolle des NYPD-Officers Ralph. Nicht nur, dass dem Mimen die Figur des grobmotorischen Cops schon visuell äußerst gut zu Gesicht steht, auch der Charakter erhält mithilfe genauer Dialoge und gezielter Einblicke in sein Privatleben ein markantes Profil. Bana verleiht seiner Rolle eine enorme Tiefe und sorgt so dafür, dass dem Publikum der Verbleib des Hauptcharakters ab Filmbeginn am Herzen liegt. An seiner Seite agiert „Community“-Schönling Joel McHale, der sich abseits seiner bislang vornehmlich innehabenden Schönwetter-Rollen erst einmal beweisen muss und dessen bemüht ruppiges Auftreten zunächst etwas befremdlich wirkt. Doch auch ihm gelingt durch glaubwürdiges Spiel das Formen einer interessanten Figur, die leider weniger von starken Dialogen profitieren kann als Bana. Édgar Ramírez („The Counselor“) verleiht seiner Rolle des Priesters Mendoza eine beachtliche Würde und erscheint entgegen vieler seiner Genrekollegen weder abgehoben, noch bemüht bedrohlich. Gerade dieser Faktor verhilft „Erlöse uns von dem Bösen“ zur für den Film so wichtigen Glaubwürdigkeit, die im Exorzismus-Genre normalerweise eher weniger im Vordergrund steht.

Sowohl den Haupt-, als auch den durchweg ordentlich aufgelegten Nebendarstellern wird die Ehre zuteil, ein beeindruckendes Skript mit Leben zu füllen. Wie schon in seinen Vorwerken zeichnet auch hier Scott Derrickson himself für das Drehbuch verantwortlich, das auf den Aufzeichnungen eines New Yorker Polizisten basiert. Obgleich sich (wieder einmal) die Frage stellt, wie viel PR und wie viel Wahrheit tatsächlich in dieser Aussage steckt, setzt „Erlöse uns von dem Bösen“ wenig auf horrorfilmtypische Effekthascherei, sondern konzentriert sich auf ein ausgewogenes Storytelling, was einmal mehr zur Bodenständigkeit der Story beiträgt. Bereits die ersten zwanzig Minuten, die sich vor der nächtlichen Kulisse eines Zoos in der Bronx abspielen, sind beachtlich einnehmend und profitieren von dem ungewöhnlichen Setting. Erzählt wird von vermeintlich ganz normalen Ermittlungen in einem obskuren Fall von Kindsmord. Erst nach und nach werden unerklärliche Ereignisse zutage gefördert, denen sich die Cops Sarchie und Butler mit einer Mischung aus „Akte X“-Euphorie und zurückhaltender Furcht annehmen. Dabei verlässt sich Derrickson vor allem in der ersten Filmhälfte noch ein wenig zu oft auf sich totgelaufene Genre-Klischees: Wenn gleich in mehreren Szenen kein Monster, sondern ein harmloses Tier für unheimliche Geräusche zuständig ist, gerät die Szenerie zuvor zwar unheimlich, der Schock erweist sich dafür als umso billiger. Das alles beraubt „Erlöse uns von dem Bösen“ dennoch nie um Atmosphäre. Kameramann Scott Kevan („Underworld: Awakening“) kleidet den Film in bedrohliche, manchmal etwas zu dunkle Bilder und Christopher Youngs Gänsehaut provozierende Disharmonien lassen Erinnerungen an „Sinister“ wach werden. Dabei steht dem Horrorthriller die Blockbuster-Herkunft aus der Produktionsschmiede von Jerry Bruckheimer („Lone Ranger“) nicht immer gut zu Gesicht; ein wenig kleiner und dreckiger hätte der Streifen gern daherkommen dürfen.

Mit der Zeit findet „Erlöse uns von dem Bösen“ immer mehr zu seiner Form und wird mit fortschreitender Dauer sukzessive um unerklärliche Ereignisse reicher, die sich jedoch nicht in Gänze von weltlichen Tatsachen weg bewegen. Verärgerten diverse Auflösungen moderner Horrorfilme in der Vergangenheit aufgrund hanebüchener Theorien und finaler Erklärungen, bleibt „Erlöse uns von dem Bösen“ weitestgehend realitätsnah und fesselt damit umso mehr, als sich vornehmlich auf Jump-Scares verlassende Genrekollegen. Einige Logiklöcher, die bisweilen das realistische Handeln der Figuren infrage stellen, zum Trotz, besitzt der Streifen eine plausible Dramaturgie, die in ein krachendes Finale mündet, das in seiner Konsequenz überzeugt und trotz eines harschen Tonfallwechsels im Vergleich zur Resthandlung nicht abgehoben wirkt. Ebenjener Schlussakt erweist sich gar als großes Highlight; besticht er doch aufgrund von tollen Effekten (einschließlich Effekt-Make-Up) und triumphal aufspielenden Darstellern. So steigert sich „Erlöse uns von dem Bösen“ bis zur aller letzten Minute und sorgt somit nicht nur für durchgehende Unterhaltung, sondern entlässt das Publikum zudem mit einem Knall aus dem Kinosaal.

Priester Mendoza (Édgar Ramírez) und Cop Ralph (Eric Bana) überdenken Theorien, wie man dem Bösen am besten zu Leibe rückt.

Fazit: Auch wenn sich Scott Derrickson seinen Film an manchen Stellen ein Stück weit selbst kaputt macht, indem er abgestandenen Klischees nicht zur Genüge variiert, unterstreicht der Filmemacher mit „Erlöse uns von dem Bösen“ einmal mehr sein Image als begnadeter Horror-Regisseur. Vor beachtlicher Atmosphäre und mit tollen Darstellern bestückt, erzählt der Film eine ebenso abwechslungsreiche wie spannende Geschichte, die nicht ganz an den Überraschungseffekt von „Sinister“ heranreicht, dafür den Charme der Neunziger-Thriller wieder aufleben lässt und Lust darauf macht, die Filme dieser zeitlosen Dekade noch einmal Revue passieren zu lassen.

„Erlöse uns von dem Bösen“ erscheint am 4. September in den deutschen Kinos.