Besser als Nix

Einmal mehr macht sich eine Filmemacherin an die schier unlösbare Aufgabe, den Ruf des deutschen Kinos wieder herzustellen. BESSER ALS NIX heißt die neue Regiearbeit der „FC Venus“-Inszenatorin Ute Wieland und erinnert damit an „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ – einen Film, den die Verfasserin dieser Zeilen sehr verehrt. Ob es dem Streifen gelingt, an die Stimmung der 2013er-Publikumsüberraschung anzuknüpfen und was „Besser als Nix“ so besonders macht, verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Während sein bester Kumpel Mike (Jannis Niewöhner) an Autos schraubt und mit seiner Freundin Maren (Emilia Schüle) nichts anbrennen lässt, hat Tom (François Goeske) eine etwas außergewöhnlichere Beschäftigung: Er verkauft Särge und „Urnen des Monats“ an Trauernde, deren Liebsten gerade das Zeitliche gesegnet haben. „Bestattungsfachkraft“ hatte ihm die freundliche Dame von der Berufsberatung ans Herz gelegt, und genau deswegen steht er jetzt im Bestattungsinstitut „Heimkehr“ und muss sich an seine nicht ganz alltäglichen Kollegen gewöhnen: An Olga (Nicolette Krebitz) mit ihrem charmant ukrainischen Akzent, die das Leben und den Tod so beneidenswert einfach nimmt. An Hans (Clemens Schick), dem sein siebter Sinn schon vor dem offiziellen Anruf sagt, wohin er mit seinem Leichenwagen als nächstes fahren muss. Und an seinen Chef Herrn Hiller (Martin Brambach), dem sich durch Tom und seine im Altenheim lebende Oma Wally (Hannelore Elstner) ganz neue Kundenkreise erschließen. Toms Vater Carsten (Wotan Wilke Möhring) würde ihn lieber als Metzger sehen, dafür findet Sarah (Anna Fischer) seinen neuen Job umso besser. Und auch wenn Tom selbst seiner neuen Berufswahl anfangs skeptisch gegenüber stand: Für ihn läuft es langsam aber sicher richtig rund. Dann aber wird er auch privat mit dem Tod konfrontiert – und das Leben muss beweisen, dass es stärker ist…

Kritik

Heutzutage gehört es fast schon zum guten Ton, gegen das nationale (Genre-)Kino zu wettern. Dominiert wird dieses ohnehin seit Jahren von den führenden deutschen Regisseuren Mathias Schweighöfer sowie Til Schweiger und abseits der gängigen Romantic-Comedy-Schiene eine Programmkino-Perle, geschweige denn so etwas wie einen deutschen Blockbuster zu erspähen, entspricht einem Ding der Unmöglichkeit, sofern man der Allgemeinheit Glauben schenkt. Um festzustellen, dass die Mehrheit der deutschen Kinogänger die seichte Erzählweise des Duos Schweigerhöfer bevorzugt, genügt ein Blick auf die alljährlichen Einspielergebnisse. Auch in diesem Jahr gelang einer deutschen RomCom – Schweighöfers „Vaterfreuden“ – der beste Kinostart, eh dieses Ergebnis von Michael Bays Autobots dem cineastischen Erdboden gleichgemacht wurde. Doch blickt man dieser Tage einmal über den Tellerrand, der aus Filmen wie „The Expendables 3“, „Storm Hunters“ und „Guardians of the Galaxy“ besteht, ist man durchaus in der Lage, eine Facette des deutschen Kinos zu entdecken, die abseits gängiger Weltkriegs- und Stasi-Dramen leise, aber ebenso lustige Töne anschlägt und damit einen echten Höhepunkt des diesjährigen Deutschkinos markiert. Dieses sehenswerte Projekt nennt sich „Besser als nix“ und setzt sich ähnlich des im vergangenen Jahr veröffentlichten Dramas „Das Leben ist nichts für Feiglinge“, dessen Ergebnis von knapp 300.000 Besuchern durchaus überraschte, auf unkonventionelle Weise mit dem Thema Tod auseinander.

„Besser als Nix“ hat große Namen auf seiner Castliste: Mit „Tatort“-Kommissar Wotan Wilke Möhring und der Grande Dame Hannelore Elsner („Alles Inklusive“) kann die buchstäblich schwarze Komödie auf zwei alteingesessene Mimen zurückgreifen, doch im Mittelpunkt stehen Andere. Allen voran der auch als Musiker tätige François Goeske („Lost Place“) ist es, der dem Film mit der Verkörperung seines Protagonisten Tom ein kantiges Profil verleiht. Nah am Klischee aber immer bodenständig schlüpft Goeske in die Rolle eines verwirrten, dem Gothik-Trend frönenden Teenagers, dessen Talent im Bereich der Bestattung liegt. Mit naturgegebener Skepsis, gepaart mit Neugier freundet sich sein Tom mit der dunklen Materie an und lässt das Publikum schnell mit ihm sympathisieren: Sein Charakter ist zurückhaltend, ohne aufgesetzt hysterisch zu werden und macht einen professionellen Wandel durch, als er sich mehr und mehr mit dem Beruf befasst. Ihm zur Seite steht eine Armada an Nebendarstellern, die sich vornehmlich aus Heranwachsenden zusammensetzt. Anna Fischer („Heiter bis Wolkig“) als Toms potenzielles Love Interest Sarah integriert sich in der Rolle einer lehrenden Referendarin hervorragend in das ohnehin sehr junge Ensemble und versprüht sympathische Autorität. Der momentan auch in der „Rubinrot“-Fortsetzung „Saphirblau“ zu sehende Jannis Niewöhner mimt in „Besser als Nix“ das komplette Gegenteil zu Tom. Trotz seiner Art, gern auch mal kiffend und betrunken in den Tag hineinzuleben, ist Niewöhners Figur in seiner Solidarität zu Tom und somit dem Anderssein gegenüber jedoch kein Klischee-Rowdy. Auch Emilia Schüle (Synchronsprecherin in „Drachenzähmen leicht gemacht“), die sowohl im Film als auch im wahren Leben die Freundin von Niewöhner ist, überzeugt mit Tiefsinn, als das Leben ihrer Figur nach einem Schicksalsschlag vollkommen aus den Fugen gerät. Toms Kollegen Olga (göttlich: Nicolette Krebitz), Hans (mystisch und sentimental: Clemens Schick) und sein Ausbilder Herr Hiller (grummelig: Martin Brambach) bleiben trotz ihrer bewussten Überzeichnung glaubhaft und verkommen nicht zu bloßen Comedy-Schachfiguren. So erhält „Besser als Nix“ in all seiner immer wieder auftauchenden Schwere die Prise Humor, die es in einer gelungenen Tragikomödie braucht.

Während sich die Sarah-Tom-Liebelei drehbuchbedingt eher am Rande des Plots und damit fast beiläufig abspielt, präsentiert sich „Besser als Nix“ viel lieber als in einem ungewöhnlichen Milieu angesiedelte Coming-of-Age-Dramödie. Die Themen, welche die deutsche Produktion dabei anpackt, reichen von altersbedingter Unsicherheit über einen kritischen Blick auf den Arbeitsmarkt über Fragen nach Zugehörigkeit, „Coolsein“ und Versagensängste. Per se ist die Wahl der Kulisse – ein sprichwörtliches Kaff abseits jeder Zivilisation – nicht neu, und doch verzichtet „Besser als Nix“ auf obligatorische Szenerien. Emo Tom sieht sich nicht etwa dem Spott seiner Klassenkameraden ausgesetzt und wird so nicht zum erwartenden, typischen Außenseiter. Vor allem in der zweiten Filmhälfte kommt Ute Wielands („FC Venus“) Streifen bemerkenswert unkonventionell daher und macht mit seinen Charakteren keine Gefangenen. Hauptfiguren sind nicht zwingend vorm Schicksal gefeit und obwohl es zur Stimmung passen würde, verlässt sich ihre Produktion nicht auf einen Grundton; Wieland variiert immer wieder und macht die Emotionen dadurch glaubhaft und greifbar – Parallelen zum George-Clooney-Drama „The Descendants“ werden erkennbar. Wenn Tom nach einem Selbstmordversuch Sex mit seiner Neu-Freundin Anna hat, ist dies nicht etwa ein inkonsequenter, um die (sehr freizügige) Nacktszene bemühter Schachzug, sondern legt die jugendliche Gefühlswelt des Protagonisten offen. Manchmal ist Liebe eben stärker als die Trauer um einen Freund. Auch eine sich zur exzessiven Partynacht steigernde Trauerveranstaltung kommt auf den ersten Blick sperrig daher, beweist aber Wielands Gespür für die Figuren, die sich einschneidende Erlebnisse lieber so schön wie möglich gestalten, anstatt an ihnen zu verzweifeln.

Visuell kommt „Besser als Nix“ bemerkenswert „undeutsch“ daher. Auch wenn die Aufnahmen von Peter Przybylski („Fenster zum Sommer“) nicht die notwendigen Leinwandausmaße annehmen, dominiert stets eine kühle Stimmung das Geschehen. Um die Tristesse des Ortes zu unterstreichen, sind die Bilder einprägsam, insgesamt hätte der Streifen ein wenig mehr Raffinesse in der Optik gut getan. Dafür verzichtet Wieland auf die Verwendung von modernen Popsongs und verlässt sich lieber auf einen ruhigen bis aufbrausenden Instrumentalscore (Oliver Biehler, „Der Albaner“). Hervorzuheben ist des Weiteren eine (Alb-)traumsequenz Toms, die in ihrer psychedelischen Machart auf internationalem Niveau daherkommt, aufgrund ihrer alleinigen Platzierung allerdings fast ein wenig fehl am Platz wirkt.

Nach dem Fußballtraining führt Carsten (Wotan Wilke Möhring) mit seinem Sohn Tom (François Goeske).

Fazit: Trotz kleiner Schwächen in der technischen Ausstattung bedient „Besser als Nix“ die ganze Bandbreite an Gefühlen und lässt sich dadurch in keine Schublade stecken. Die Darsteller brillieren allesamt (vor allem Wotan Wilke Möhring als an seiner Vaterrolle verzweifelnder Witwer jagt einem mehr als einen Schauer über den Rücken), die Story schlägt ebenso unerwartete wie realistische Wege ein und durch die unvorhersehbare Prämisse generiert Regisseurin Ute Wieland gar so etwas wie Spannung. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch andere, deutsche Regisseure in Zukunft auf diese Art des Filmemachens konzentrieren und das kritische Publikum somit nach und nach überzeugen, dass es auch hierzulande wahre Perlen zu entdecken gibt. Und der nächste potenzielle deutsche Underground-Hit steht mit „Who am I“ bereits in den Startlöchern.

„Besser als Nix“ ist ab dem 21. August bundesweit in den Kinos zu sehen.