Colette

In dem biographischen Drama COLETTE schlüpft Keira Knightley in die Rolle der titelgebenden Schriftstellerin, deren Schaffen lange Zeit im Verborgenen blieb. Was den Film zu einem starken filmischen Beitrag des aktuellen Zeitgeistes macht, das verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Als Sidonie-Gabrielle Colette (Keira Knightley) den erfolgreichen Pariser Autoren Willy (Dominic West) heiratet, ändert sich ihr Leben schlagartig: Sie zieht aus dem ländlichen Frankreich ins turbulente Paris und wird Teil der intellektuellen und kulturellen Elite. Willy, der von einer Schreibblockade geplagt ist, überzeugt seine junge Frau für ihn als Ghostwriter zu arbeiten. In ihrem Debütroman erzählt Colette die Geschichte einer selbstbewussten, jungen Frau namens Claudine. Ein halb-autobiografischer Roman, der unter Willys Namen zum Bestseller wird und ihm Reichtum und Ruhm verschafft. Schnell entstehen weitere Claudine-Bestseller – geschrieben von Colette – und schließlich eine ganze Markenwelt. Nach und nach beginnt Colette den Kampf darum, gesellschaftliche Zwänge zu überwinden und sich als wahre Autorin der erfolgreichen Bücher offenbaren zu können, um ihre Werke für sich zu beanspruchen.

Kritik

Die #MeToo-Debatte hat in Hollywood nicht bloß eine längst überfällige Diskussion über die Gleichberechtigung hinter den Kulissen der Traumfabrik ausgelöst. Das Bewusstmachen der zu Recht angeprangerten Missstände wirkt sich auch immer mehr auf die Filme selbst aus. Dass in ein und derselben Startwoche (in Deutschland) aber direkt zwei Filme mit nahezu identischer Thematik ins Kino kommen, ist dennoch misslich; „Die Frau des Nobelpreisträgers“ sowie der hier besprochene „Colette“ kommen ohnehin mit geringer Kopienzahl ins Kino und dürften ein sehr ähnliches Zielpublikum ansprechen. Da ist es schon schade, dass sich zwei derart gelungene Filme dann auch noch die wenigen Zuschauer wegzuschnappen drohen. Eine Sache steht dabei außer Zweifel: Nach Glenn Closes Ausnahmeperformance als von ihrem Ehemann in den Schatten einer Muse gestellte Gattin überzeugt auch Keira Knightley als Sidonie-Gabrielle Colette, einer der bedeutendsten französischsten Schriftstellerinnen überhaupt. Darüber hinaus verfolgt Regisseur Wash Westmoreland einen ähnlichen Ansatz, um seine ernste und immer noch brandaktuelle Thematik an den Zuschauer heranzutragen. Auch in „Colette“ ist die Protagonistin kein stummes Opfer, sondern eine schon früh rebellierende Frau, die schon früh weiß, wie sie mit den dato vorherrschenden, gesellschaftlichen Regeln umzugehen hat.

Colette (Keira Knightley) und Willy (Dominic West) beim gemeinschaftlichen Ausflug ins Gründe.

Dass mit Wash Westmoreland einer der Regisseure von „Still Alice – Mein Leben ohne Gestern“ für „Colette“ verantwortlich zeichnet, ist dem Film anzumerken. Bereits in der wahren Geschichte über eine schon im mittleren Alter an Alzheimer erkrankte Linguistin achtete der gebürtige Brite (auch der Vorlage entsprechend) penibel darauf, dass seine Protagonistin nie zu einem Opfer degradiert wurde und dadurch stets ihre Würde behielt; und das auch in Momenten, in denen das allein den äußeren Umständen geschuldet kaum noch möglich war. Ähnlich ergeht es jetzt auch Sidonie-Gabrielle Colette, deren Werke wie „Chérie“, „Mitsou“ und „Erwachende Herzen“ sich bis heute millionenfach verkauften und in mehr als dreißig Sprachen übersetzt wurden. Das Drehbuch von Westmoreland selbst, Richard Glatzer (inszenierte mit ihm zusammen bereits „Still Alice“) und Rebecca Lenkiewicz („Ida“) nimmt sich viel Zeit, die Dekade zu etablieren, in der „Colette“ spielt. Die patriarchalen Verhältnisse, in denen sich Bücher von Frauen einfach nicht verkauften und die Buchhandlungen daher ausschließlich Romane von Männern führten, in denen eine Frau noch nicht mal entscheiden durfte, was sie zu einem Fest anzieht, oder in denen es ihr untersagt war, über Geld zu verfügen, sind die, in die Sidonie reingeboren wird und sich zumindest zunächst fügt. Genauso wie ihr Ehemann Willy es schlicht und ergreifend nicht anders kennt, als so zu leben. Doch Colette weiß die Verhältnisse im Gegensatz zu ihrem Umfeld zu durchschauen.

Zunächst mit kleinen Gesten, später mit einem immer stärker rebellierenden Verhalten, beginnt sich Colette gegenüber ihrem Mann zu behaupten. Trotzdem lassen die Macher nie außer Acht, dass zwischen den beiden auch eine glaubhafte, romantische Chemie besteht. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt handelt Willy gegenüber seiner Ehefrau auch nicht explizit böse, sondern verfügt ganz nach Belieben über sie, weil er es einfach nicht anders kennt. Erst als Colette ihn gezielt mit seinen Fehlschlägen und den bisweilen irrationalen Gesetzen und Gebräuchen in der damaligen Gesellschaft konfrontiert und Willy aus Bequemlichkeit nicht gewillt ist, einmal über seinen Tellerrand zu schauen und sich auf den Appell seiner Frau, endlich einmal umzudenken, einzulassen, ruht er sich auf seiner Position aus, woraus der eigentliche Konflikt entsteht. Das alles inszeniert Westmoreland mit angenehmer Leichtigkeit, die er dadurch unterstreicht, dass in der zweiten Hälfte auch kurz thematisiert wird, wie eigentlich Fankult entsteht, wenn es plötzlich jedes noch so unnütze (Lifestyle-)Produkt mit dem Auftrug der Romanheldin Claudine zu kaufen gibt und sich der vermeintliche Schöpfer der Figur immer weiter in seiner fiktiven Welt zu verlieren droht.

Willy genießt seinen Erfolg.

Vor allem in der zweiten Hälfte von „Colette“ nimmt noch ein weiterer erzählerischer Aspekt Raum ein. Mit dem Auftauchen der Figur der Missy (Sloan Thompson gibt hier ein beeindruckendes Debüt), die sich wie ein Mann kleidet und genau wie Colette an dem Verständnis für gesellschaftliche Gendernorm zu kratzen versucht, eröffnet sich ein weiterer Subplot: Zum damaligen Zeitpunkt war es nicht nur verpönt, als Frau das zu tun, was man wollte. Auch die Akzeptanz für gleichgeschlechtliche Liebe befand sich noch weit vor dem, was man selbstverständlich nennen würde. Fortan wird Colette also nicht bloß aufgrund des anhaltenden Erfolges der Claudine-Bücher zum Erfolg, für die ihr Gatte sie grundsätzlich als Muse anführt und auf öffentlichen Anlässen mit ihr angibt, sondern auch durch ihr zunächst freundschaftliches, später amouröses Verhältnis mit Missy. Wer glaubt, all diese komplexen Themen würden „Colette“ überladen, der irrt jedoch. Wash Westmoreland präsentiert mit seinem erst vierten Kinofilm ein aufgeräumtes, sich nie schwerfällig anfühlendes Drama, das aufgrund seiner Nähe zur Materie stets glaubwürdig bleibt. Und eine (vielleicht gerade aufgrund ihrer Nähe zum Thema) sehr starke Keira Knightley („Der Nussknacker und die vier Reiche“), die ihre Figur durch ihr toughes Auftreten immer vor einer Opferrolle bewahrt, und ein nicht minder toller Dominic West („Tomb Raider“) setzen dem Ganzen die Krone auf.

Fazit: Mit „Colette“ ist Wash Westmoreland ein starkes Biopic über eine der erfolgreichsten französischen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts gelungen, das einige Aspekte zwar noch genauer ausführen könnte, insgesamt allerdings durch den Verzicht auf eine übertriebene Emotionalisierung und die starke Charakterzeichnung der Hauptfigur gefällt.

„Colette“ ist ab dem 3. Januar in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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