Der Nussknacker und die vier Reiche

Für das diesjährige Disney-Weihnachtsmärchen DER NUSSKNACKER UND DIE VIER REICHE besinnen sich die Regisseure Lasse Hallström und Joe Johnston auf ein weltberühmtes Ballett. Doch gerade für diesen spannenden Ansatz ist ihr Film dann doch überraschend unoriginell geworden. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Die junge Clara (Mackenzie Foy) findet sich in einer mysteriösen Parallelwelt wieder, als sie sich auf die Suche nach einem geheimnisvollen Schlüssel macht, der eine Spieluhr mit einem einzigartigen Geschenk öffnen soll. Im Schneeflockenland, im Blumenland und im Naschwerkland trifft sie auf allerlei seltsame Bewohner. Zusammen mit dem jungen Soldaten Phillip (Jayden Fowora-Knight) begibt sie sich schließlich ins unheilvolle Reich Nummer Vier, das von der tyrannischen Mutter Ingwer (Helen Mirren) beherrscht wird. Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um Claras Schlüssel, sondern darum, die Harmonie in den vier Reichen wiederherzustellen.

Kritik

Am Boxoffice läuft es für Walt Disney Pictures ja schon seit einer ganzen Weile wie geschmiert. Seit auch Marvel und Lucasfilm zum Mäusekonzern gehören, war Disney in den vergangenen Jahresbestenlisten sogar gleich mehrfach auf den obersten Rängen vertreten. Zuletzt kam es aber auch immer wieder zu Skandalen und fragwürdigen Entscheidungen verschiedener Firmenbosse; sei es nun der Umgang mit der Personalie James Gunn im Hinblick auf die Entstehung eines dritten „Guardians of the Galaxy“-Films, der Rausschmiss von Phil Lord und Chris Miller vom Set des „Star Wars-„Spin-Offs „Solo“ oder auch der Verzicht auf renommierte Journalisten, die nach mehrfacher negativer Berichterstattung kurzerhand nicht mehr zu US-Pressescreenings eingeladen wurden. Unter diesen Voraussetzungen darf man schon hellhörig werden, wenn Disney ihr diesjähriges Weihnachtsmärchen „Der Nussknacker und die vier Reiche“ so lang wie möglich unter Verschluss hält; auch in Deutschland durften Journalisten den Film erst wenige Tage vor Release sehen und mussten bis zum Starttag mit der Berichterstattung warten – für den Disneykonzern eine sehr seltene Auflage, die normalerweise eher bei Filmen angewandt wird, bei denen die Verantwortlichen vorab nach außen dringende Spoiler fürchten. So viel sei verraten: Auf den Zuschauer wartet weder das befürchtete Fiasko, noch ein erzählerischer Mega-Twist. Stattdessen ist „Der Nussknacker und die vier Reiche“ in seinen besten Momenten charmant und lädt zum Staunen ein. In den schlechtesten ist er allerdings so richtig nervig, was vor allem an einer Keira Knightley liegt, die hier alles unternimmt, um sich kommendes Jahr die Goldene Himbeere in den Schrank stellen zu können.

Clara (Mackenzie Foy) entdeckt die vier Reiche.

Es erinnert ein wenig an die mittlerweile fast schon legendäre Szene mit Rihanna in Luc Bessons Science-Fiction-Oper „Valerian“: Das Beste am ganzen Film ist ausgerechnet ein Moment, der für die eigentliche Handlung komplett irrelevant ist! In „Valerian“ zeigt R’n’B-Star eine perfekt choreographierte Tanzperformance, in der sie nicht nur zeigt, was der Körper ihrer Figur so alles kann, sondern auch mehrfach ihr Äußeres ändert – bildgewaltig, atemberaubend, spektakulär; erzählerisch aber gleichsam nichtig. In „Der Nussknacker und die vier Reiche“ ist es nun das in einer einzigen Szene perfekt vorgetragene Ballett (das es erzählerisch nicht benötigt hätte), das den Zuschauer für einen Moment erahnen lässt, dass in dem generischen Fantasy-Allerlei ein richtig guter Film stecken könnte, hätten sich die Macher mehr auf den Ursprung der Vorlage – das berühmte Ballett „Der Nussknacker“ von Pjotr Tschaikowski, das wiederum auf E.T.A. Hoffmans Erzählung „Der Nussknacker und der Mäusekönig“ basiert – besonnen, anstatt in den flott erzählten 100 Minuten immer wieder in den generischen Topf aus CGI-Fantasymärchen-Versatzstücken zu greifen, aus dem sich in den vergangenen Jahren bereits unzählige Regisseure bedient haben. Alles an „Der Nussknacker und die vier Reiche“ erinnert an etwas, was wir so oder ähnlich schon vielfach gesehen haben: „Alice im Wunderland“ zum Beispiel, „Die fantastische Welt von Oz“ oder auch „Maleficent“. Die Regisseure Lasse Hallström („Lachsfischen im Jemen“) und Joe Johnston („Captain America: The First Avenger“) rühren aus Fabelwesen, malerischen Fantasiewelten und einer Prise Märchenatmosphäre über weite Teile gefälligen Kitsch an. Und der funktioniert immer dann, wenn ihn die charismatische Jungdarstellerin Mackenzie Foy allein tragen darf.

Mackenzie Foy wird als Clara zur perfekten Identifikationsfigur für ein junges Publikum. Zunächst zurückhaltend und überfordert davon, eine Welt jenseits ihrer eigenen entdeckt zu haben, mausert sie sich mit der Zeit zur tapferen Heldin, der es nur allein gelingen kann, dafür zu sorgen, dass in den vier Reichen endlich wieder Frieden herrscht. Foy mimt diesen Wandel vom schüchternen Mädchen zur toughen Kämpfern glaubhaft und authentisch, auch wenn sie, genauso wie ein Großteil des restlichen Casts, nie ganz an die schauspielerischen Glanzleistungen ihrer bisherigen Karriere anknüpfen kann (im Falle von Foy dürfte das Christopher Nolans Weltraumepos „Interstellar“ sein). Das liegt zum Großteil an den Dialogen sowie der ihnen fehlenden Energie. Ashleigh Powell („The Hazel Wood“) lässt die Figuren theaterhaft aufspielen; die Sätze sind zum Teil hanebüchen konstruiert und werden von den Darstellern stets ausformuliert – mitsamt Atempause, damit ihr Gegenüber auf das Gesagte reagieren kann. Gleichsam wohnt vor allem Keira Knightleys und Helen Mirrens Performances eine Theatralik inne, die gerade im Fall von Knightley („Verborgene Schönheit“) irgendwann kaum noch zu ertragen ist. Mit gekünstelter Piepsstimme und aufgesetztem Französinnen-Akzent overacted sich Knightley in schwindelerregende Höhen. Beides passt zu ihrer ohnehin karikaturesk angelegten Figur, doch um das alles wirklich bis zum Schluss durchzuhalten, braucht man als Zuschauer starke Nerven. Selbst die Karikatur einer Figur, wie sie Knightley hier darbietet, lässt sich subtiler inszenieren.

Clara und Phillip (Jayden Fowara Knight) auf ihrem Weg durch die vier Reiche.

Ganz so starke Nerven benötigt man für die recht genrekonform verlaufende Story nicht – im Grunde kämpft hier letztlich auch wieder nur gut gegen böse, obwohl sich Drehbuchautorin Ashleigh Powell immerhin kleine politische, smart platzierte Spitzen nicht verkneifen kann (und ihrem Werk damit im Gegensatz zu den oben genannten Beispielen an Fantasyfilmen durchaus zu einer gewissen, tagesaktuellen Relevanz verhilft). Gleichwohl greift Powell aber auch auf einen (gerade im Hause Disney) mittlerweile sehr abgegriffenen Plottwist zurück, um das Geschehen im finalen Drittel einmal komplett auf links zu drehen. Wir wollen an dieser Stelle zwar nicht verraten, worum genau es sich handelt; zumal besagter Turn-Around hier endlich mal wieder recht unvorhergesehen daherkommt. Doch Originalitätspreise gewinnt das Drehbuch zu „Der Nussknacker und die vier Reiche“ dadurch trotzdem nicht. So bleibt zum Schluss noch der Blick auf die tricktechnische Aufmachung, mit der Hallström und Johnston noch am ehesten punkten können. Auch wenn der Film in der von uns gezeigten Pressevorführung nicht im korrekten Format abgespielt und Bildperspektiven und Farbgebung entsprechend verfälscht dargestellt wurden, lässt sich die kreative Vielfalt, die in den komplett gegensätzlich gezeichneten Settings der vier verschiedenen Reiche steckt, immerhin erahnen. Das ist mal wirklich atemberaubend, strotzt ein anderes Mal aber auch nur so vor CGI-Effekten und als solche erkennbaren Greenscreens. Das Schönste am Film steckt hier letztlich im Detail. Seien es nun sprechende Mäuse, die tatsächlich aussehen, als wäre sie echt, oder besagte Ballettszene, in der eine Tänzerin auf einer Bühne dem Film für einen kurzen Moment zu einer Magie verhilft, die ihm im Gesamten fehlt.

Fazit: „Der Nussknacker und die vier Reiche“ besitzt im Vergleich zu ähnlicher Fantasyware à la „Alice im Wunderland“ oder „Maleficent“ immerhin einen Hauch politische Relevanz. Auch die sich auf der Leinwand entfaltenden Welten sind in ihrer Detailvielfalt wirklich schön anzusehen. Doch nicht bloß Keira Knightley sägt mit ihrem unerträglichen Overacting an den Nerven des Zuschauers, auch das Skipt traut sich über weite Strecken wieder einmal nur sehr marginal, von dem abzuweichen, womit Disney ohnehin seit Jahren Kasse macht.

„Der Nussknacker und die vier Reiche“ ist ab dem 1. November bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen!

Hinweis: Bei der von uns besuchten Pressevorführung in Hamburg wurde der Film nicht im korrekten Format gezeigt. Dies hatte zur Folge, dass die Bilder durch das unbeabsichtigte Heranzoomen oben und unten abgeschnitten waren und die Farbgebung verfälscht dargestellt wurde. Wir wären gern genauer auf die optischen Qualitäten von „Der Nussknacker und die vier Reiche“ eingegangen, möchten uns das nach der Sichtung dieser Fassung allerdings nicht so erlauben, wie sonst. 

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