Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln

Sechs Jahre nach dem Megaerfolg „Alice im Wunderland“ kommt mit ALICE IM WUNDERLAND: HINTER DEN SPIEGELN nun die Fortsetzung ins Kino, bei der sich zeigen wird, ob das Publikum die Geschichten um die junge Heldin Alice auch nach dem abgeklungenen 3D-Hype noch interessant genug findet, um ein Kinoticket zu lösen. Ob sich das denn überhaupt lohnt, verrate ich in meiner Kritik.null

Der Plot

Alice Kingsleigh (Mia Wasikowska) hat drei Jahre damit zugebracht, ihren Traum zu leben und die sieben Weltmeere als Kapitän ihres eigenen Schiffs zu bereisen. Bei ihrer Rückkehr nach London entdeckt sie, dass sich zwar viel geändert hat, die antiquierten Ansichten über die Rolle der Frau in der Gesellschaft aber unverändert sind. Während eines Empfangs bei Lord Ascot wird Alice von ihren Gefühlen übermannt und verlässt fluchtartig die Veranstaltung. Draußen sieht sie Absolem (Alan Rickman). Er ist mittlerweile ein prächtiger Monarchfalter und führt Alice zu einem magischen Spiegel, durch den sie in das fantastische Reich von Unterland zurückkehren kann. Dort trifft sie alle ihre alten Freunde: das Weiße Kaninchen (Michael Sheen), die Grinsekatze (Stephen Fry), die Haselmaus (Barbara Windsor), den Märzhasen (Paul Whitehouse), Diedeldum und Diedeldei (Matt Lucas) und den Verrückten Hutmacher (Johnny Depp), der unglücklicherweise nicht ganz er selbst zu sein scheint. Der Hutmacher hat sein Mehrsein verloren, als er herausfindet, dass seine verloren geglaubte Familie immer noch lebt. Um ihn zu retten, schickt Mirana (Anne Hathaway) Alice los, die Zeit (Sacha Baron Cohen) selbst zu finden – eine eigenartige Kreatur, halb Mensch, halb Uhr, die in einem Nichts an Unendlichkeit lebt und die Chronosphäre besitzt – eine weiße Metallkugel im Inneren der Großen Uhr, von der alle Zeit ausgeht. Mit ihrer Hilfe kann Alice eine Reise in die Vergangenheit antreten, um die Familie des Hutmachers zu retten…

Kritik

Über die Phase der Aufregung darüber, dass sich immer mehr Disney-Zeichentrickfilme einer Realfilmneuauflage unterziehen müssen, sind wir langsam aber sicher hinaus. Mittlerweile hat sich ein neues Problem am cineastischen Horizont aufgetan, das einmal mehr da lautet: Sequel. Wo das „Dschungelbuch“-Remake erst vor Kurzem noch für allgemeine Belobigungsgesänge sorgte, wurde die Ankündigung, ebenjenen Film in einigen Jahren fortsetzen zu wollen, mit Argwohn beäugt und vielerorts die allgemeine Frage in den Raum gestellt, ob es nun nicht mehr nur ausreiche, gezeichnete Originale („Dornröschen“, „Cinderella“ oder eben „Das Dschungelbuch“) als Live-Action-Movie auf die Leinwand zu bringen; nein, müssen diese jetzt ebenfalls auch noch dem Sequelwahn Hollywoods zum Opfer fallen? Und natürlich ist das angesichts der guten bis sehr guten Box-Office-Ergebnisse der einzig nachvollziehbare Schritt, die Kuh so lange zu melken, wie sie noch Milch gibt respektive Geld bringt. Wie sehr da die künstlerische Qualität drunter zu leiden haben wird, kommt vermutlich darauf an, mit welchen Vorstellungen die Macher an ihr Werk gehen. Bei „Maleficent“ kann eine Fortsetzung den äußerst schwachen Vorgänger schlecht in ein noch mieseres Licht rücken. Bei einem „Jungle Book“-Sequel könnte der märchenhaft-schwelgerische Charme des aktuellen Kassenschlagers rückblickend einem Gefühl von Kalkulation weichen. Die Erkenntnis dieses kurzen Exkurses lautet daher: Schauen wir mal! Zum Beispiel uns an, wie sich das erste von vielen Realfilm-Sequels, basierend auf einem Disney-Zeichentrick-Original, schlägt. Im Falle der Tim-Burton-Verfilmung von „Alice im Wunderland“ aus dem Jahre 2010 stehen die Chancen nicht schlecht, sich im Rahmen der Fortsetzung zu steigern. Schließlich gehört die 200 Millionen US-Dollar teure Produktion wohl nur deshalb zum Eliteclub der Eine-Milliarde-Dollar-Einnehmer, weil der Film sich für seinen Start im Fahrwasser des „Avatar“-Überhypes keinen besseren Zeitpunkt hätte aussuchen können.

Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln

Hierzulande scheiterte „Alice im Wunderland“ vor sechs Jahren ganz knapp an der Drei-Millionen-Besuchermarke und stellte damit den fünft-erfolgreichsten Film des Jahres 2010 vor Kassenschlagern wie „Ich – Einfach unverbesserlich“ oder „Für immer Shreck“. Doch wie gut kann die Geschichte um die junge Heldin Alice heute noch funktionieren, wo doch nahezu jeder Blockbuster mit spektakulärer 3D-Technik wirbt? Regisseur James Bobin (Drehbuch und Regie von „Muppets Most Wanted“) musste sich für die Weitererzählung von Alices Abenteuer irgendetwas Besonderes einfallen lassen. Und tatsächlich hätte man ihm mit dem Drehbuch von Linda Woolverton (schrieb auch schon den ersten Teil von „Alice im Wunderland“) keinen größeren Gefallen tun können. Wie man die Eskapaden im Wunderland für „Hinter den Spiegeln“ ein weiteres Mal aufbereitet, entbehrt zwar einer besonders ausgeklügelten Originalität, doch die vollständige Schwerpunktverlagerung vom durchschnittlichen Fantasymärchen zur waschechten Zeitreisegeschichte unterstützt nicht bloß die erzählerische Dynamik, sondern eröffnet den ohnehin schon spektakulären Bildgewalten auch ganz neue Möglichkeiten der Entfaltung. Wer sich schon beim ersten Teil daran störte, dass hier ganz deutlich das Prinzip „Style Over Substance“ regierte, dem dürfte sich angesichts der in Teil zwei noch um einiges spektakulärer ausfallenden CGI-Orgien der Magen umdrehen (manche Szenen erwecken gar den Eindruck, bis auf die Darsteller hätte es bei den Aufnahmen nichts außer Greenscreen gegeben). Doch mit welcher Konsequenz die Macher diesen regelrechten Farbenoverkill auf den Zuschauer loslassen, ist nicht bloß bemerkenswert, sondern macht angesichts des Kontexts auch durchaus Sinn. Hier im Wunderland ist eben alles möglich.

Während an der einen Stelle nicht mit Computertricktechnik gegeizt wurde (Stichwort: Zeitreise), erwecken die Settings an anderer Stelle wiederum einen sehr handgemachten Eindruck. All die furiosen Ideen für die von Sacha Baron Cohen („Der Spion und sein Bruder“) herrlich exzentrisch verkörperte Figur „Zeit“ – einer Art Hybrid aus Mensch und Uhr und damit die menschliche Versinnbildlichung der Zeit an sich – stecken voller Ideenreichtum. Seien es Zeits Minisoldaten (Sekunden), die sich in noch größere Soldaten (Minuten) transformieren können, das Design des Zeitpalasts oder die Verknüpfung zwischen der abgelaufenen Zeit und dem Tod: Allein die pure Existenz dieses Handlungsstrangs wertet „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ auf, wo der Film an anderer Stelle Minuspunkte macht. Während das Skript hier vor innovativ-kreativen Einfällen nahezu überquillt, ist der Zeitreise-Plot selbst nämlich überraschend genrekonform. Da ist die Rede vom Schmetterlingseffekt, Figuren und Zuschauer werden damit konfrontiert, dass das Eingreifen in die Vergangenheit ungeahnte Auswirkungen haben kann und am Ende steht die Frage, ob man sein eigenes Wohl über das der Anderen stellen kann. Obwohl „Alice im Wunderland 2“ dadurch insgesamt an Spannung einbüßt – vor allem, weil der Ausgang der Geschichte, auch zielgruppenbedingt, recht schnell ersichtlich ist – nutzt Regisseur Bobin das Konzept in jeder Hinsicht voll aus.  Wenn gen Ende hin beispielsweise das komplette Raum-Zeit-Kontinuum in seine Einzelteile zu zerfallen droht, kann man gar nicht anders, als darüber zu staunen, mit welcher visuellen Finesse ein solches Ereignis auf die Leinwand gebannt wurde.

Schauspielerisch haben es die Darsteller natürlich schwer, gegen die alles dominierenden Bildgewalten des Films zu bestehen, mit dem neu gesetzten Schwerpunkt bei der Figur des Hutmachers landet das Skript jedoch einen echten Treffer. Mit dem manischen Overacting aus dem ersten Teil hat Johnny Depps („Mortdecai“) Performance in „Hinter den Spiegeln“ nichts mehr zu tun. Der Hutmacher 2016 ist in eine tiefe Depression verfallen und verleiht dem Geschehen in den Momenten seines Auftritts eine spürbare Melancholie. Hauptdarstellerin Mia Wasikowska („Crimson Peak“) macht sich den Film wie schon vor sechs Jahren nahezu vollständig zueigen und gefällt als ebenso gewitzte wie toughe Heldin, die sich lediglich von Baron Cohen hin und wieder die Show stehlen lässt. Die inhaltliche Sinnhaftigkeit des Herzköniginnen-Auftritts (Helena Bonham Carter) darf übrigens durchaus infrage gestellt werden, allerdings gehört es in einer „Alice im Wunderland“-Geschichte schon irgendwie zum guten Ton, die kultige Figur ins Geschehen einzubeziehen. Trotzdem hätte der reine Plot auch ohne sie funktioniert.

Fazit: Inhaltlich kann „Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ nicht mit der kreativen Umsetzung mithalten. Doch als packendes 3D-Erlebnis steckt die Fortsetzung des 2010er-Kassenschlagers ihren Vorgänger locker in die Tasche. Eine insgesamt recht runde Sache.

„Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln“ ist ab dem 26. Mai bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen – auch in äußerst gelungenem 3D!

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