Brave Mädchen tun das nicht

Basierend auf Ayn Carrillos Memoiren „Pornology“ kreieren die Regie-Brüder Chris und Nick Riedell mit BRAVE MÄDCHEN TUN DAS NICHT eine niedliche Komödie über eine junge Frau, die ihre Sexualität neu entdeckt. Weshalb es jedoch schade ist, dass es dabei nicht ansatzweise so schlüpfrig zugeht, wie die Prämisse es zulässt, das verraten wir in unserer Kritik.

OT: A nice Girl like you (USA 2020)

Der Plot

Die Violinistin Lucy (Lucy Hale) hat ihr behütetes Leben dank bunter Klebezettel und To-do-Listen fest im Griff. Nichts kann sie aus der Ruhe bringen – bis sie ihren Freund Jeff mit einem Sexfilm erwischt. Lucy ist entsetzt und stellt ihn vor die Wahl: sie oder die Pornos. Jeff bezeichnet sie als verklemmt und verlässt sie daraufhin. Das kann Lucy natürlich nicht auf sich sitzen lassen und sie beschließt, etwas zu ändern. Sie erstellt eine Sex-to-do-Liste, die sie mit der Unterstützung ihrer Freunde aus dem Streichquartett abarbeitet. Dabei begeben sie sich auf eine ziemlich abgefahrene Exkursion in die Welt der Stripclubs, Sexshops und Pornomessen, auf der es nicht nur viel über körperliches Vergnügen, sondern auch über wahre Liebe zu lernen gibt.

Kritik

„Pornology – Der Pornoführer für anständige Mädchen“ heißt das Buch, auf dem die romantische Komödie „Brave Mädchen tun das nicht“ basiert. In beiden Fällen – beim Filmtitel noch ein wenig stärker – schrillen sofort die Alarmglocken: Hat die Autorin Ayn Carrillo-Gailey in ihrem Bestseller etwa in die „Frauen gucken keine Pornos“-Kerbe gehauen und will ihren jungen Leserinnen erklären, was man als weibliches, sexuelles Wesen tun darf und wovon man lieber die Finger lässt? Nein, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Carrillo-Gailey spielt zwar schon mit dem Grundgedanken eines prüden Mädchens, das in einer eher männerdominierten Erotikwelt seine eigene Sexualität (noch einmal) für sich entdeckt. Aber die Prämisse vom „braven Mädchen“ das „das nicht tut“ ist dann doch eher augenzwinkernd zu verstehen. Ihre Hauptfigur Lucy fühlt sich als verklemmte Blümchensexliebhaberin nämlich echt wohl in ihrer Haut und hat auch überhaupt kein Problem damit, dass sie mit Dingen wie Dirty Talk, Selbstbefriedigung oder Pornos einfach nichts anfangen kann. Die von ihr nach einem Zwischenfall mit ihrem Partner verfasste Sex-To-Do-Liste dient dann auch weniger dazu, sich nach außen hin anders darzustellen, als sie es in Wirklichkeit ist. Vielmehr möchte Lucy selbst herausfinden, ob sie die ganze Sache mit dem Sex nicht vielleicht doch ganz cool findet.

Lucy (Lucy Hale) trifft in der Toilette auf Grant (Leonidas Gulaptis).

Nun, da die Sorge um den moralischen Zeigefinger in „Brave Mädchen tun das nicht“ vom Tisch ist, lässt es sich gleich mit einem viel besseren Gewissen über den Film urteilen. Die Geschichte inszeniert das regieführende Brüderpaar Nick und Chris Riedell („Bad Night“) nämlich als klassische Teeniekomödie – und nur weil das Thema Sex hier eine übergeordnete Rolle spielt, bedeutet das leider nicht, dass es im Film auch entsprechend schlüpfrig zur Sache geht. Das ist dann auch leider der wohl größte Kritikpunkt; „Brave Mädchen tun das nicht“ rückt eine Figur in den Fokus, die sich mit den vielen Facetten der Sexualität auseinandersetzt. Doch Szenen im Sexshop, in einem Stripclub oder auf einem Erotikseminar enden am Ende immer in banalen Gagszenerien. Mal fallen der Hauptfigur bei einer Veranstaltung die Liebeskugeln aus der Vagina, ein anderes Mal reibt sich Lucy ihre Lippen mit durchblutungsförderndem Lustgel ein, sodass sie kurz darauf aussieht, als hätte ihr eine Wespe in den Mund gestochen. Aus der erzählerisch spannenden Idee von der verklemmten jungen Frau, die auf ihrem Streifzug durch Sexshops und Stripclubs tatsächlich Spaß daran entwickelt, Neues zu entdecken, wird so schnell eine reine Nummernrevue, die nichts aus ihrer vielversprechenden Ausgangslage macht. Letztlich müsste Lucy gar nicht zwingend prüde sein – all diese Gags würden genauso gut im Rahmen einer klassischen „American Pie“-Comedy funktionieren.

„‚Brave Mädchen tun das nicht‘ rückt eine Figur in den Fokus, die sich mit den vielen Facetten der Sexualität auseinandersetzt. Doch Szenen im Sexshop, in einem Stripclub oder auf einem Erotikseminar enden am Ende immer in banalen Gagszenerien.“

Der Coming-of-Age-Aspekt bleibt in „Brave Mädchen tun das nicht“ also eher eine Randnotiz. Spätestens wenn neben Lucy Hale („Wahrheit oder Pflicht“) auch noch ihr späteres Love Interest Leonidas Gulaptis („Gala & Godfrey“) alias Grant aufs Parkett tritt, weiß man, dass es hier am Ende wohl doch wieder eher darum geht, wie sich ein Mann und eine Frau über Umwege kennenlernen und sich mit der Zeit ineinander verlieben. Die Chemie zwischen den beiden Newcomern stimmt – leider auch deshalb, weil beide Darsteller nicht gerade durch ihr besonders starkes Schauspiel auffallen. Lucy Hale mimt zwar glaubhaft den bemüht aus sich heraus gehenden Tollpatsch, doch ihr limitiertes Mienenspiel lässt kaum zu, dass man ihr in ruhigeren Momenten auch andere Emotionen abkauft als ein kurzes Verschreckt- oder Verschämtsein. Leonidas Gulaptis dagegen verkörpert einen Schwiergermutterliebling wie er im Buche steht. Immer ein wenig überheblich, aber durchgehend charmant, hat er zwar ebenso Spaß an seiner Rolle wie die Kollegin Hale, aber auch weil ihm das Skript nicht viel zu tun gibt, bleibt die größte Faszination an seiner Figur auf Oberflächenreize beschränkt.

Eine Skyline – gern genommene RomCom-Kulisse.

Neben dem Protagonistenpärchen reißen Mindy Cohn („The Facts of Life“) und Jackie Cruz („Orange is the new Black“) den Film an sich. Die beiden mimen Lucys abgedrehtes Freundinnenpaar Priscilla und Nessa, das in seiner sexuellen Offenheit einen hübschen Kontrast zur prüden Lucy abgibt. Die beiden sind es auch, die den Zuschauer zwischendurch immer wieder daran erinnern, dass es in „Brave Mädchen tun das nicht“ ja eigentlich um Sex geht. Denn je mehr das Skript (Andrea Marcellus, „Out of the Wedding“) die amouröse Annäherung zwischen Lucy und Grant in den Fokus rückt, desto stärker wird der Sex-Plot darauf reduziert, die Geschichte in einigen entscheidenden Momenten aus einer erzählerischen Sackgasse zu manövrieren. Etwa wenn die Situation zwischen den beiden eigentlich bereits auf ein Happy End zusteuert und Grant dann plötzlich im Anbetracht Hunderter von Plastikdildos panisch die Flucht ergreift. Dass „Brave Mädchen tun das nicht“ Trotzdem bis zuletzt ein – gerade für die Zielgruppe heranwachsender Mädchen zwischen 12 und 16 Jahren – unterhaltsames Vergnügen bleibt, liegt an der durch und durch positiven Stimmung. Wenn sich junge Mädchen das erste Mal ausgiebig mit Sex befassen wollen, liefert ihnen der Film ohne Scham einige hübsche Anknüpfungspunkte, auch wenn man nie viel Haut sieht und viele Szenen letztlich dem schnellen Gag geopfert werden.

„Je mehr das Skript die amouröse Annäherung zwischen Lucy und Grant in den Fokus rückt, desto stärker wird der Sex-Plot darauf reduziert, die Geschichte in einigen entscheidenden Momenten aus einer erzählerischen Sackgasse zu manövrieren.“

Inszenatorisch sticht „Brave Mädchen tun das nicht“ nicht aus dem Gros gängiger Hollywoodromanzen heraus. Im Gegenteil: Einige Ausstattungsentscheidungen wirken gar völlig an der Realität vorbei – etwa jene, die Hauptfigur alleine in einem riesigen Anwesen wohnen zu lassen, obwohl sie sich dieses durch ihre Arbeit als Orchestermusikerin kaum finanzieren können dürfte. Kameramann Nico Van den Berg („My Brother’s Shoes“) setzt auf einen ecken- und kantenfreien Hochglanzlook. Der Soundtrack besteht aus gefälligen Up-Tempo-Popsongs und Soul-Evergreens. Alles wirkt ein wenig plastikhaft, genauso wie die starrgesichtige Hauptdarstellerin. Immerhin ist der Film selbst quirlig genug, sodass er in der richtigen Laune 90 Minuten Spaß bereiten kann.

Fazit: Auch wenn Nick und Chris Riedell nur wenig aus der vielversprechenden Idee einer neugierigen Porno- und Sexanfängerin machen, lässt sich „Brave Mädchen tun das nicht“ nicht absprechen, dass er durch und durch sympathisch ist.

„Brave Mädchen tun das nicht“ ist ab dem 24. September in den deutschen Kinos zu sehen.

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