Blame – Verbotenes Verlangen

Für BLAME – VERBOTENES VERLANGEN inszeniert Regiedebütantin Quinn Shephard das eigentlich bekannte Thema von der verbotenen Liebe zwischen Lehrer und Schülerin für eine aktuelle Jugendgeneration. Dabei legt die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 21-jährige Filmemacherin eine bemerkenswerte Routine an den Tag, Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Nach langer Krankheit wagt sich die stille Abigail (Quinn Shephard) zum ersten Mal wieder in ihre Schule. Kaum angekommen, muss sie bereits die Provokationen ihrer manipulativen Mitschülerin Melissa (Nadia Alexander) ertragen. Als Abigail auch noch von ihrem neuen, attraktiven Aushilfslehrer Jeremy (Chris Messina) für die Hauptrolle des begehrten Schultheaterstücks ausgewählt wird, werden die beiden zu Rivalinnen. Die beginnenden Annäherungen zwischen Abigail und ihrem Lehrer spielen Melissa dabei in die Hände. Ihr ist jedes Mittel recht, um Abigail zu bekämpfen. Auch wenn dies dunkle Geheimnisse ans Licht bringt.

Kritik

Als Lehrer oder Lehrerin verbotenerweise eine Liebschaft mit einem Schüler oder einer Schülerin einzugehen, ist der Stoff, der schon so einige Filmemacher zu ihrer ganz eigenen Interpretation inspirierte. Er verhalf beispielsweise der Krimireihe „Tatort“ 1977 zu noch größerer Popularität – bis heute zählt die Episode „Reifezeugnis“ zu den umstrittensten der Franchisegeschichte. Vom starbesetzten Drama („Tagebuch eines Skandals“) über die Komödie („Election“) bis hin zur 19-teiligen Pornoreihe („Big Tits at School“) hat die Faszination für die verbotene Liebe zwischen Jung und Alt längst sämtliche Genres gestreift und scheint in den vergangenen Jahren auch ein wenig an Popularität verloren zu haben; irgendwann ist nun mal alles dazu erzählt. Doch der spätestens seit der umstrittenen Netflix-Serie „Tote Mädchen lügen nicht“ neu aufgeflammte Trend, den Mikrokosmos Schule auf seine Abgründe hin zu erforschen, inspirierte die Regisseurin und Schauspielerin Quinn Shephard dazu, das Thema vielleicht nicht gerade von einer neuen, wohl aber modernen Seite aufziehen. Ihr sehr souverän inszeniertes Debüt „Blame – Verbotenes Verlangen“ erzählt von zwei verfeindeten Mädchen, deren Hass aufeinander noch größer wird, als die eine sich auf eine Beziehung mit dem charismatischen Schauspiel-Lehrer Jeremy einlässt. Als Film über die Schule als Spießroutenlauf durch die Irrungen und Wirrungen des Erwachsenwerdens gab es in der Vergangenheit schon zwar deutlich bessere, doch der Subplot rund um die heimliche Affäre zwischen Lehrer und Schülerin verleiht dem Ganzen frischen Wind und verhilft „Blame“ am Ende zum Prädikat „sehenswert“.

Melissa (Nadia Alexander) ahnt, dass hier etwas vor sich geht…

Quinn Shephard („Midnight Sun“) ist wohl das, was man umgangssprachlich ein „Wunderkind“ nennt. Bereits mit fünf Jahren stand sie das erste Mal vor der Kamera, mit zwanzig inszenierte sie ihren ersten Kurzfilm und schon ein Jahr später begann sie mit den Planungen für „Blame“. Dass Shephard sich auch noch eine der beiden Hauptrollen selbst gegeben hat, spricht für die riesigen Ambitionen der gebürtig aus New Jersey stammenden Mimin, die – natürlich – auch das Skript zum Film selbst verfasste. In dieser Frau steckt Talent. Und auch, wenn ihre erste Regiearbeit nicht den Genialitätsfaktor eines „Whiplash“ oder irgendeines anderen bahnbrechenden Debüts aufweist, so ist es im Gegenzug fast schon wieder bemerkenswert, wie routiniert Shephard auf der Klaviatur des Teeniedramas spielt; ganz so, als hätte sie nie etwas Anderes gemacht. Das beginnt schon bei der eleganten Aufmachung: Kameramann Aaron Kovalchik („I Love You Both“) kreiert mithilfe spärlicher Ausleuchtung, klarer Strukturen und voyeuristisch anmutender Kamerafahrten, die häufig auf Abstand bleiben, den Figuren folgen oder vorsichtig um Ecken und durch Fenster lugen, eine unheilvolle Atmosphäre. Gleichzeitig hebt er immer wieder das Distanzierte hervor; so richtig nah scheint sich hier Niemand zu sein, getreu dem Motto: „Jeder ist sich selbst der Nächste!“. Misstrauen, Neid, die Angst um den eigenen Ruf – all das vermengt sich an dieser Schule zu einem Kaleidoskop von Teenagerängsten, die – so löst es Shephard mit der Zeit auf – auch vor den vermeintlichen Anführern nicht Halt machen. Das ist spannend, denn so löst sie sich stärker als viele andere Kreativen im Genre von den Klischee-Figuren des Außenseiters, des Strebers und des Schulschwarms – am Ende sind sie schließlich alle nur gefangen im Körper pubertierender Ungetüme.

Behutsam und ohne provokativen Hintergedanken lässt Shephard in „Blame“ derweil die Romanze entstehen. Dabei erzählt sie primär aus der Sicht der Schülerin, lässt die Gedanken und Fragen des Lehrers Jeremy jedoch nicht unberücksichtigt. Dass sie den in dieser Liebschaft steckenden Skandal nicht überstrapaziert (anstatt in der ganzen Schule verbreitet sich das Gerücht nur innerhalb einer kleinen Gruppe, die dieses auch erst einmal konsequent für sich behält) und sich ganz auf die darin involvierten Menschen und Emotionen konzentriert, lässt „Blame“ angenehm unaufgeregt wirken. Gleichzeitig hat das Skript der Thematik aber auch nicht wirklich Neues hinzuzufügen. Beide Figuren sind sich den prekären Umständen ihrer aufkeimenden Liebe bewusst, versuchen ihre Gefühle füreinander öffentlich zu verheimlichen und müssen sich über kurz oder lang Gedanken machen, wie sie mit der Situation umgehen. Das ist soweit alles nicht neu, erst die Fehde mit der eifersüchtigen Melissa bringt Würze ins Geschehen. Dass zunächst nicht ganz deutlich wird, weshalb die beiden Mädchen nun eigentlich derart verfeindet sind, ergibt sich im Nachhinein als wohlgewähltes Detail: Quinn Shephard betont dadurch nicht bloß die Willkür und Banalität, aus der ein Täter-Opfer-Verhältnis entstehen kann. Sie verleiht dem Ganzen auch durch ihr aufschlussreiches Finale eine Nachwirkung, die zeigt, dass man immer das große Ganze betrachten sollte. Letztlich sind Abigail, Jeremy und Melissa alle nur Rädchen in einem großen Getriebe, die einander beeinflussen, sofern eines einmal nicht mehr funktioniert.

Jeremy (Chris Messina) ist sich unsicher, wie er mit der Situation umgehen soll.

Ein wenig unentschlossen springt der Film in der zweiten Hälfte zwischen der Liebelei und Melissas Plänen hin und her, mit ebenjenen an die Öffentlichkeit zu gehen. Erst nach und nach ergibt sich ein rundes Profil der zunächst einfach nur verbittert und asozial wirkenden jungen Frau, in deren explosive Verkörperung sich „The Sinner“-Star Nadia Alexander voll reinhängt. Wirkt ihr Spiel zunächst ein wenig eindimensional und lediglich darauf bedacht, möglichst hasserfüllt dreinzublicken, erfasst sie nach und nach die ganze Bandbreite ihres vor allem tragischen Charakters; eine Szene in einem Nachtclub, in der das hübsche Mädchen verzweifelt um die Aufmerksamkeit ihrer männlichen Begleitung fleht und dafür schließlich sogar die Hüllen fallen lässt, spricht Bände. Quinn Shephard spielt ihre Rolle der zurückhaltenden Abigail stark und verhilft ihr durch gezielte Blicke und winzige Regungen im Gesicht zu einer kaum einschätzbaren Doppelbödigkeit. Lange Zeit weiß man nicht, ob sie sich tatsächlich in ihren Lehrer verliebt hat, oder ob sie einen Plan ausheckt. Ihre Figur ist unnahbar, was den fehlenden Zugang zu den Mitschülerinnen und Mitschülern erklärt – genau das macht ihn aber auch spannend und ergibt in Konstellation mit dem ob seiner Gefühle verunsicherten Lehrer eine stimmige Chemie. Chris Messina („Live By Night“) mimt in „Blame“ keinen verführerischen Dandy, sondern einen ganz normalen Mann mit Bedürfnissen, die das Skript gern noch ein wenig genauer hätte beleuchten dürfen. Und genau dieses Bodenständige macht ihn hier völlig nachvollziehbar zu einem Objekt der Begierde.

Fazit: Für ihr Langfilmdebüt „Blame – Verbotenes Verlangen“ geht Quinn Shephard kein Risiko ein und inszeniert ein schmuck aussehendes und unaufgeregt erzähltes Schuldrama, das sie um die spannende Komponente Schüler-Lehrer-Liebe ergänzt.

„Blame – Verbotenes Verlangen“ ist ab dem 18. Oktober in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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