A Beautiful Day

„We Need To Talk About Kevin“-Regisseurin Lynne Ramsey legt mit ihrem intensiven Thrillerdrama A BEAUTIFUL DAY einen Film vor, der die perfekte Antithese zum effektvollen Actionkino liefert – weniger Opfer gibt es in ihrem Film trotzdem nicht. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Joe (Joaquin Phoenix), Ex-Militär und Ex-FBI, ist der Mann, den man bei Kidnapping ruft. Die Vergangenheit hat bei ihm physische und psychische Narben hinterlassen, er ist vom Leben gezeichnet – seine bösen Erfahrungen kann er allerdings bestens für die Rettung minderjähriger Entführungsopfer einsetzen. Joe bekommt von einem verzweifelten New Yorker Senator den Auftrag, seine halbwüchsige Tochter Nina (Ekaterina Samsonov) zu befreien, die in einem Bordell festgehalten wird. Im Lauf dieser Mission jedoch gerät Joe unerwartet in ein politisches Komplott, in dem Skrupel nicht auf der Tagesordnung stehen. Auf einem Terrain, das er nicht kennt, zwischen Gegnern, die ihm an Macht weit überlegen sind, muss Joe nun um sein Leben kämpfen – und auch Nina will er nicht zurücklassen.

Kritik

Im Original heißt Lynne Ramseys neuester Film „You Were Never Really Here“ – zu Deutsch: Du warst nie wirklich hier. Das trifft den Nagel auf den Kopf; beschreibt es doch sehr schön, wie man sich das Vorgehen von Hauptfigur Joe vorzustellen hat. Der ehemalige Soldat, dessen Job es ist, Entführungsopfer aus den Händen skrupelloser Ganoven zu befreien, geht so präzise vor, dass er dort, wo er seine besonderen Fähigkeiten angewandt hat, nicht etwa eine Schneise der Verwüstung hinterlässt. Joe ist kein Durchschnitts-Actionheld, der sich den Weg zum Ziel wahllos freiballert und dabei keine Rücksicht auf diejenigen nimmt, die sich ihm in den Weg stellen. Joe mag ähnlich kompromisslos sein, doch anstatt auf das ausladende Gemetzel setzt er auf punktuelle Gewalt und gibt dem Begriff „mit Jemandem kurzen Prozess machen“ eine ganz neue Bedeutung – und am Ende von „A Beautiful Day“ haben trotzdem alle Bösen das Zeitliche gesegnet. „You Were Never Really Here“ beschreibt allerdings nicht bloß Joes Killerattitüde, sondern gibt zugleich auch einen Einblick in sein Seelenleben. Der ehemalige FBI-Agent ist nur noch ein Schatten seiner selbst und wohnt den vielen Gewalttaten wie ein Zuschauer bei. Selten hat es einem vermeintlichen Helden so wenig Vergnügen bereitet, für das Gute zu kämpfen – eine ganz neue Erfahrung für den Zuschauer von „A Beautiful Day“.

Joaquin Phoenix mimt mit Joe einen Mann fürs Grobe.

Mit seinen 1,73 Metern ist Joaquin Phoenix („Maria Magdalena“) kein Riese, doch in der Rolle des gnadenlosen, starrmimischen Joe wird er alsbald zum Hünen. Selbst in den Momenten purer Aufopferungsbereitschaft wirkt er abseits seiner Zielstrebigkeit immer auch betont kontrolliert – ganz so, als genüge ein falsches Wort zur falschen Zeit, um den Profikiller in Rage zu versetzen. Die auch für das auf dem gleichnamigen Roman von Jonathan Ames („Der letzte Gentleman“) basierende Skript verantwortliche Lynne Ramsey geht mit ihrer Inszenierung allerdings einen betont konträren Weg. In einem fast lethargischen Tempo schleppt sie sich von Szene zu Szene und reduziert alles an ihrem Film auf ein Minimum. Joe ist über eine lange Zeit das Einzige, worin sich all die aufgestaute Aggression der Gesellschaft katalysiert. Es wirkt, als sauge seine Person all das Böse in der Welt auf – und nur er ganz allein kann dafür sorgen, es letztlich von ihr wegzuschaffen. Dabei spielt „A Beautiful Day“ übrigens nicht in einer fiktiv-dystopischen Welt wie etwa Gotham eine ist. Die Handlung konzentriert sich auf ein New York der Gegenwart, das ganz ohne stilistische Überhöhung Trostlosigkeit zelebriert, in der sich selbst ein so zurückhaltender Zweikämpfer wie Joe austoben kann, wie ein Berserker.

Die betont minimalistisch inszenierte Action findet ihren (Anti-)Höhepunkt in jenem Moment, in welchem Joe sein Ziel zwar erreicht hat, anstatt des obligatorischen Shootouts jedoch das unspektakulär-pflichtbewusste Ausschalten der Gegner folgt. Als Waffe dient hier ein Hammer, Blut spritzt nicht – und doch genügen Lynne Ramsey gezielt platzierte Andeutungen dessen, wie gründlich Joe seinen Gegenspielern die Lichter ausknippst. Die Regisseurin verzichtet bis zum Ende auf das visuelle Spektakel, dem sich gerade das Actionkino nur zu gern hingibt. Optische Besonderheiten genehmigt sich die Filmemacherin nur in vereinzelten Traumsequenzen, die das bis dato so betont emotionslose Geschehen in ihrer Symbolhaftigkeit regelrecht konterkarieren. Diese Szenen passen nicht ganz zum restlichen Stil des Films – auch über das Ende lässt sich streiten; findet „A Beautiful Day“ doch rund zehn Minuten vor dem Abblenden in den Abspann doch eigentlich zu einer deutlich aussagekräftigeren Botschaft. Lynne Ramsey, deren kontroverses Amokdrama „We Need To Talk About Kevin“ 2008 für jede Menge Aufmerksamkeit sorgte, tauscht diesmal Hoffnungslosigkeit gegen den berühmten Silberstreif am Horizont. Das kann man erfrischend finden, oder in Ermangelung an absoluter Konsequenz kritisieren.

Joe rettet die entführte Nina (Ekaterina Samsonov) aus den Fängen brutaler Gangster.

In dieser minimalistischen Form taugt „A Beautiful Day“ – der deutsche Filmtitel gibt dem Leinwandgeschehen auf den letzten Metern noch einmal eine sehr dramatische Bedeutung – nur bedingt als Film für Adrenalinjunkies. Ein Hinweis, den wir im Anbetracht des reißerischen Trailers zwingend anbringen müssen, um einer ähnlich falschen Erwartungshaltung wie im Falle von „Drive“, „The Witch“ oder „It Comes at Night“ vorzubeugen. Im Grunde genommen ist „A Beautiful Day“ in erster Linie das Charakterdrama über einen Mann, dessen innere Zerrissenheit zwischen absoluter Hingabe und purer Resignation Joaquin Phoenix kongenial auf die Leinwand bringt. Um seine Figur dreht sich alles, während Lynne Ramsey gemeinsam mit Kameramann Thomas Townend („Attack the Block“) sowie Komponist und Radiohead-Mitglied Jonny Greenwood („Der seidene Faden“) um ihn herum eine flirrende Atmosphäre aus Gewalt, Rebellion und Hoffnung(slosigkeit) kreieren. „A Beautiful Day“ bedient sich dabei munter an bekannten Vorbildern, zitiert inszenatorisch wie inhaltlich „Oldboy“, „Léon – Der Profi“ und das Schaffen Nicholas Winding Refns zu seinen Anfangszeiten. Und trotzdem hat man den Eindruck, hier etwas ganz Eigenem beizuwohnen – einer Art Anti-Actionfilm, der auch ganz ohne ausladende Gewalt nur schwer erträglich ist.

Fazit: Lynne Ramsey inszeniert in „A Beautiful Day“ einen typischen Actionfilm-Plot als melancholisches Sinnsuche-Drama, in dem Joaquin Phoenix als Profikiller wider Willen brilliert, der seinen Gegnern ganz ohne Blutbad, dafür umso effizienter die Lichter ausknipst.

„A Beautiful Day“ ist ab dem 26. April in den deutschen Kinos zu sehen.

2 Kommentare

  • Hallo Antje,

    sehr gute Kritik – bin in den meisten Bewertugen d`accord mit Deinen Bewertungen – vor Allem dem nicht gelungen Ende!
    Ergänzend dazu fand ich die Unterwasserszenen der Seebestattung der Mutter deutlich zu pathetisch! Hier verlässt der Film seinen trockenen Erzählstil – die Szenen wirken wie ein Fremdkörper in einem ansonsten sehenswerten Film!

    Wolfgang

  • Sunny Schramm

    „A Beautiful Day“ (Deutscher Verleihtitel)

    Toll gespielt von Joaquin Phoenix, aber ein doch eher anstrengender Film, der seinem Zuschauer einiges abverlangt. Definitiv kein Film für einen Filmabend mit Freunden. Ich empfehle ihn maximal zu zweit und ohne viel Dazwischenquasseln zu schauen 😉

    Langsam, dunkel, schwer, experimentell – und auch schräg in einer speziellen Szene (Küche) – bewegt sich der Film irgendwo zwischen Drive, A History of Violence und 96 Hours, aber das alles eher im „Arthouse“-Stil und ohne „unterhaltsame“ Action. Man verfolgt zwar interessiert das, was gezeigt wird, leidet mit der Hauptfigur mit und versucht die einzelnen Happen seiner Geschichte und Tragik zu einer ganzen Mahlzeit zusammenzufügen, aber wie gesagt – es ist definitiv kein „Feel Good“-Movie.

    Die Trailer vermitteln aufgrund der schnelleren Schnitte einen etwas falschen Eindruck. Zudem habe ich mal den Trailer rausgesucht, der am wenigsten verrät.

    Ich fand ihn gut, aber würde ihn wohl nicht noch einmal schauen.

    FAZIT: 7 von 10

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