Ploey

In dem Animationsabenteuer PLOEY muss sich ein kleiner Vogel gegen gefährliche Räuber beweisen und ganz nebenbei auch noch fliegen lernen. Wer das Kinogeschehen der letzten Wochen verfolgt hat, dem dürfte das bekannt vorkommen. Mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Um die rauen Wintermonate zu überleben, muss sich Ploey (Originalstimme: Jamie Oram), ein junger Goldregenpfeifer, ganz allein auf eine gefährliche Reise machen, um ein sagenumwobenes Tal zu finden, das im Herzen des Berglands liegt. Währenddessen versucht er, sich vor den stets wachsamen Augen eines heißhungrigen Falken zu verstecken, der seine Familie und Freunde seit Jahren terrorisiert und erst kürzlich seinen Vater getötet hat. Leider hat Ploey massive Schwierigkeiten mit dem Fliegenlernen! Doch glücklicherweise lernt er auf seiner Reise viele neue Freunde kennen, die ihn nicht bloß vor dem Räuber beschützen, sondern vielleicht sogar helfen können, an sich selbst zu glauben und damit auch daran, dass er fliegen kann…

Kritik

Es kommt immer wieder mal vor, dass zur selben Zeit zwei Filme zu ein und demselben Thema entstehen. In den letzten Wochen sind beispielsweise zwei Produktionen rund um den Amoklauf auf der norwegischen Insel Utøya erschienen („Utøya 22. Juli“ von Erik Poppe und „22. Juli“ von Paul Greengrass). Aber auch schon ein Terroranschlag auf das weiße Haus („White House Down“ und „Olympus Has Fallen“), die Idee von zwei Sex miteinander habenden, besten Freunden („Freundschaft Plus“ und „Freunde mit gewissen Vorzügen“) und ein Biopic über Winston Churchill („Churchill“ und „Die dunkelste Stunde“) entstanden fast parallel binnen weniger Monate. Darüber, inwiefern die beiden Animationsfilme „Gans im Glück“ und „Ploey“ miteinander zusammenhängen, kann nur spekuliert werden. Uns käme allerdings am ehesten das Wort „Mockbuster“ in den Sinn, auch wenn die zuckersüße 3D-Produktion rund um einen Gänserich, der auf seiner Wanderung in Richtung Süden zwei verwaiste Entenküken unter seine Fittiche nimmt, natürlich nicht das Prestige einer millionenschweren Hollywood-Produktion hat. Normalerweise nehmen Billigfilmschmieden nämlich eher Big-Budget-Projekte ins Visier, um sie mithilfe geringer finanzieller Mittel nachzudrehen. Die isländisch-belgische Koproduktion „Ploey“ ist thematisch allerdings derart nah an „Gans im Glück“ angelehnt, dass man den Vergleich zwangsläufig ziehen muss, bei dem der technisch weitaus schwächere und zudem mit einer äußerst merkwürdigen Moral ausgestattete Beitrag von Regisseur Árni Ásgeirsson („Brim“)  klar den Kürzeren zieht.

Auf seiner Reise trifft Ploey viele weitere Vögel, unter anderem ein resolutes Schneehuhn.

Auch wenn sich „Gans im Glück“ und „Ploey“ in ihrer Prämisse (ein Vogel muss auf sich gestellt vom Norden in den Süden laufen, weil er nicht fliegen kann) sehr ähnlich sind, wäre dieser Umstand allein noch kein Todesurteil. Schließlich ähneln sich viele Kinder- und Familienfilme in ihrer Botschaft, die sich häufig für Zusammenhalt und den Glauben an sich und die eigenen Fähigkeiten ausspricht, weshalb sie auch die Stories im Aufbau häufig ähneln. Im Falle von „Ploey“ beginnt man indes schon bei der Botschaft zu stutzen. Drehbuchautor Friðrik Erlingsson („Thor – Ein hammermäßiges Abenteuer“) lässt seine Figuren nämlich mehrmals direkt aussprechen, dass man „lieber als Held sterben“ solle, anstatt „als Feigling zu leben“; das mag vielleicht im Anbetracht aktueller weltpolitischer Entwicklungen einen gewissen Kern treffen, immerhin sollten wir alle versuchen, unseren Teil dazu beizutragen, dass gewisse Strömungen nicht die breite Masse der Gesellschaft erreichen. Doch im Zusammenhang mit der sehr simplen Geschichte hier, die sich klar an ein sehr junges Publikum richtet, irritiert ein solcher Ausspruch doch sehr. Hauptfigur Ploey soll mit dieser Aussage im Hinterkopf nämlich als Köder für den Todesfeind, den Falken, dienen und sich im Zweifelsfall lieber fressen lassen, anstatt bei seiner Familie Schutz zu suchen. Wenn Kinder das alles für bare Münze nehmen, ist die Hemmschwelle zur unüberlegten Mutprobe nach diesem Film sicher ein klein

Dieser Eindruck des Unüberlegten setzt sich in der Figurenzeichnung fort, deren Eindimensionalität an gewisse Motive des Horrorfilms erinnert. Dort wurde schon vor langer Zeit der Hai als eines der wohl gefährlichsten Tiere der Welt etabliert. Auch Wölfe hatten durch ihre Stellung in Film und Literatur schon häufig um ihren Ruf zu fürchten (Stichwort: „The Grey“). In „Ploey“ ist es nun der Falke, der dran glauben muss. Das Skript stilisiert den Greifvogel regelrecht zur blutrünstigen Bestie hoch und da sich die Macher ansonsten schon eine gewisse Mühe geben, die verschiedenen Charakteristika einzelner Vogelarten hervorzuheben, verwundert die sehr einseitige Betrachtung des zwar fleischfressenden, aber keineswegs brutalen, oder gar nihilistischen Vogels, der hier auch noch mit fiesen Hintergedanken ausgestattet wird. Neben dem Schneehuhn als Überlebenskünstler, dem klugen Goldregenpfeifer und der naiven Schwalbe – um nur einen Teil der hier porträtierten Vögel zu nennen – wirkt der Falke eher wie eine Karikatur. Und das passt so gar nicht zum Rest, weshalb es uns nicht wundern würde, sollte ein Kind nach dem Film felsenfest davon ausgehen, ein Falke sei die bösartigste Kreatur auf diesem Planeten.

In seinen ruhigen Momenten überzeugt „Ploey“ am ehesten.

Von den beiden am negativsten auffallenden Details, der Botschaft sowie der einseitigen Charakterzeichnung der Schurkenfigur, einmal abgesehen, hat „Ploey“ leider auch sonst nicht viel zu bieten. Die Macher gehen für ihre konventionelle Mutmach-Geschichte genrekonforme, ergo: sehr einfache Wege und können dem bewährten Konzept kaum neuen Facetten abgewinnen. Im Laufe der flott erzählten 83 Minuten beginnt die titelgebende Hauptfigur langsam, über sich hinauszuwachsen, bis sie im dynamischen Schlussakkord schließlich im Alleingang den Schurken zur Strecke bringt. Bis es so weit ist, kommt es immer mal wieder zu ein paar ruhigen Momenten (in der besten Szene des Films entdecken ein zunächst sehr reserviertes Schneehuhn und Ploey einige Gemeinsamkeiten, wodurch sie zu Freunden werden), die sich als das Beste am Film erweisen. Darüber hinaus gibt es ein wenig Slapstick, lustige Sidekicks in Form von Mäusen, die in erster Linie für ebenjenen Slapstick zuständig sind. Und natürlich ist das Happy End, bei dem sich die verlorenen Familienmitglieder endlich wieder in die Arme schließen können, vorprogrammiert. Wer noch nie einen Film dieser Formel gesehen hat, wird dem vielleicht immerhin ein wenig was abgewinnen können, doch selbst als eines der ersten Filmerlebnisse für Kinder wollen wir „Ploey“ nur bedingt empfehlen. Denn auch aus technischer Sicht gibt es auf dem Markt deutlich Besseres zu sehen. Das isländisch-belgische Projekt kann nicht einmal mit Videoware mithalten. Die detailarmen Hintergründe und die grobmotorischen Bewegungen der Tiere wirken wie aus einer Fernsehserie von vor zwanzig Jahren, was auf der Leinwand natürlich besonders gut (oder besser: schlecht) zur Geltung kommt. Wir empfehlen daher, doch lieber auf den deutlich charmanteren „Gans im Glück“ zurückzugreifen, der in ein paar Monaten im Heimkino erscheint.

Fazit: „Ploey“ folgt über weite Strecken den Erzählkonventionen typischer Mutmach-Kinderfilme, stellt sich mit einer merkwürdigen Botschaft allerdings selbst ein Bein und irritiert zusätzlich durch eine sehr einfältige Zeichnung der Schurkenfigur. Und optisch macht der Film ebenfalls keine gute Figur.

„Ploey“ ist ab dem 18. Oktober in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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