Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes

In seiner außergewöhnlichen Dokumentation PAPST FRANZISKUS – EIN MANN SEINES VOLKES gibt Regisseur Wim Wenders einen interessanten Einblick in das Leben und Wirken des katholischen Oberhauptes, gibt dabei allerdings so viel Distanz auf, dass für kritische Töne kaum Platz ist. Mehr dazu verrate ich in meiner Kritik.

Darum geht’s

Im Zentrum dieses Porträts stehen die Gedanken des Papstes Franziskus, alle ihm wichtigen Themen, aktuelle Fragen zu globalen Herausforderungen und sein Reformbestreben innerhalb der Kirche. Das visuelle Konzept des Filmes lässt den Zuschauer mit dem Papst von Angesicht zu Angesicht sein. Ein Gespräch zwischen ihm und – im wahrsten Sinne – der Welt entsteht. Papst Franziskus teilt seine Vision einer Kirche, die von tiefer Sorge um die Armen geprägt ist, spricht über Umweltfragen, soziale Gerechtigkeit und sein Engagement für Frieden an den Kriegsschauplätzen dieser Welt und zwischen den Weltreligionen. In einer Zeit, in der das Misstrauen gegenüber Politikern groß ist und in der Lügen, Korruption und „alternative Fakten“ unser Leben bestimmen, bringt uns der Film einen Mann näher, der lebt, was er predigt, und dem die Menschen aller Glaubensrichtungen, aus aller Welt und aus unterschiedlichsten Kulturen ihr Vertrauen schenken.

Kritik

Während sich viele Regisseure entweder auf die Fiktion, oder auf die Dokumentation festlegen, ist Wim Wenders („Every Thing Will Be Fine“) auf beiden Gebieten zuhause. Allein in diesem Jahr erscheinen hierzulande zwei extrem gegensätzliche Projekte: Neben seinem Porträt über Papst Franziskus kommt in wenigen Wochen außerdem das Survival-Drama „Grenzenlos“ in die deutschen Kinos, in dem sich James McAvoy und Alicia Vikander erst unsterblich ineinander verlieben und wenig später unabhängig voneinander um ihr Leben kämpfen müssen. In „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ geht es dagegen weitaus weniger reißerisch zu. Wenders begab sich für sein Projekt, das vorwiegend ein Film mit und weniger ein Film über seine Hauptfigur werden sollte, auf eine spannende Reise rund um den Erdball, um Papst Franziskus möglichst facettenreich auf seinen vielen Reisen abzubilden. Tatsächlich gelingt ihm ein kaleidoskopisches Abbild der allgegenwertigen Faszination für einen Menschen, der sich in Zeiten von Religionsskepsis und -Kriegen weniger für seine Kirche denn vielmehr für die Welt, in der er lebt, einsetzt. Nicht umsonst wird er gen Ende als jener Papst benannt, der im Laufe seiner nunmehr sechsjährigen Amtszeit für den bislang größten Fortschritt innerhalb der katholischen Kirche gesorgt hat. Im Anbetracht dieses filmischen Porträts kann man das sogar guten Gewissens glauben, doch innerhalb von gut eineinhalb Stunden ist für kritische Töne gegenüber des Papstes schlicht zu wenig Platz. Eine ausdifferenzierte Auseinandersetzung mit dieser zweifelsohne spannenden Persönlichkeit sollte man daher nicht erwarten.

Papst Franziskus sucht den persönlichen Kontakt mit seinen Anhängern.

Eine entscheidende Sache muss man Wim Wenders zugutehalten: Im Laufe der 96 Filmminuten gewinnt man nie den Eindruck, der Regisseur hätte sich wohlweislich etwaiger Kritik an der katholischen Kirche respektive der Arbeit des Papstes Franziskus verschlossen. Stattdessen scheint sich diese eher einseitige Betrachtung seines Schaffens schlicht im Laufe der Dreharbeiten ergeben zu haben. Wenn Kamerafrau Lisa Rinzler („Pollock“) über die überwältigenden Menschenmassen schwenkt und später ganz nah heranrückt, wenn Gläubige den Kontakt zu dem katholischen Kirchenoberhaupt suchen, dabei in Tränen ausbrechen und vor Ehrfurcht in die Knie gehen, dann mag das auf Außenstehende zwar auch befremdlich wirken, es betont allerdings den hohen Stellenwert, den Papst Franziskus für seine Anhänger einnimmt. Mithilfe eines parallel zu den vielen Momentaufnahmen geführten Interviews, das zwischendurch immer wieder eingestreut wird, ergibt sich das Bild eines Menschen, der voll und ganz hinter seiner Vision und seinem Auftrag steht. Das beginnt bei der Wahl des Namens – Jorge Mario Bergoglio ist der erste in der katholischen Geschichte, der sich den Namen Franziskus gegeben hat. Die Gründe dafür liegen vor allem in der Verbindung zur Natur. Wie kein anderer Papst zuvor, setzt sich Papst Franziskus für die Belange von Mutter Erde ein und predigt den zurückhaltenden Umgang mit ihren Ressourcen, unterstreicht dieses Anliegen zusätzlich, indem er auf Habseligkeiten wie ein großes Auto oder eine teure Wohnung verzichtet und wird der Betitelung „Ein Mann seines Wortes“ dadurch jeder Zeit gerecht.

Während die Verbindung zur Natur den größten porträtierenden Stellenwert in „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ einnimmt, reißt Wim Wenders andere Thematiken nur an. Die immerhin zeitgemäße Einstellung gegenüber homosexuellen Lebensentwürfen handelt der Regisseur binnen weniger Sätze ab, genauso wie auch Glaubenskriege nicht so recht in den Film als solches zu passen scheinen. Inwiefern das die Pflicht eines Regisseurs ist, der doch eigentlich nur den Menschen hinter dem Papst abbilden möchte, darüber darf gern gestritten werden. Trotzdem wäre aus „Papst Franziskus“ ein spannenderer Film geworden, hätten die Macher in entscheidenden Momenten auch kritischere Ansichten zu hinterfragen. Die Bedeutung des Papstes für die katholische Kirche, die auch über die Glaubensgrenzen hinaus geht, wird so zwar zur Genüge deutlich, gleichwohl ist Wenders selbst kurz vor der Heiligsprechung seiner Hauptperson – und das passt wiederum so gar nicht zu seinem so bodenständig und zurückhaltend agierenden Protagonisten, der sich als das exakte Gegenteil versteht.

Papst Franziskus stand Wim Wenders in einem ausführlichen Interview Rede und Antwort.

Inszenatorisch punktet Wim Wenders nicht bloß durch seine abwechslungsreiche Inszenierung, in der ungestellte Momentaufnahmen und das dem Film Struktur verleihende Interview mit Papst Franziskus Hand in Hand gehen. Auch die vereinzelt platzierten, nachgestellten Szenen, die aus dem Leben des Heiligen Franziskus erzählen, lockern den per se trockenen Stoff auf und machen „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ auch für weniger fachkundiges Publikum zu einer kurzweiligen Angelegenheit. Vor allem in der Originalfassung, in der die spanischen Sätze des Papstes untertitelt werden und lediglich der Off-Kommentar deutsch ist, versprühen die gesetzten, wohl gewählten Worte Franziskus‘ eine Ruhe und Ausgeglichenheit, die zusätzlich betont, weshalb die Katholiken in ihrem Oberhaupt ein solches Vorbild sehen. Besonders beeindruckend geraten dann nämlich jene Bilder, in denen Papst Franziskus selbst Schwäche zeigt – etwa, als er vor einer Gruppe von durch ein schweres Unwetter obdachlos gewordenen Menschen steht und selbst ihm für einen Moment die Worte fehlen. Es sind gerade solche Momente, in denen aus einer unantastbaren Person des öffentlichen Lebens plötzlich ein Mensch wird, der emotional auch nicht stärker ist, als die, die genau das von ihm glauben.

Fazit: Wim Wenders erzählt in seiner Dokumentation „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ in erster Linie von der Bedeutung seiner Hauptfigur für seine Anhänger und über Kirchengrenzen hinaus. Der Einblick in das Wirken und Schaffen des Papstes gerät abwechslungsreich und beeindruckend, doch ein wenig mehr Offenheit für Kritik an der Person hätte dem Film gut getan.

„Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ ist ab dem 14. Juni in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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