Molly’s Game

Jessica Chastain manifestiert ihren Status als eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation in Aaron Sorkins energiegeladenem Biopic MOLLY’S GAME, das den Zuschauer mit hohem Pulsschlag aus dem Kinosaal entlässt. Wo der herrührt und was die tragikomische Pokerposse so spannend macht, das verrate ich in meiner Kritik.

Der Plot

Nach einer schweren Verletzung muss die junge, charismatische Skifahrerin und US-Olympiahoffnung Molly Bloom (Jessica Chastain) ihre Karriere aufgeben. Über einen Aushilfsjob kommt sie in Kontakt mit einer Welt, die von reichen und mächtigen Männern dominiert wird: der Underground-Poker-Szene Hollywoods. Als Molly erkennt, dass sie dank ihrer Intelligenz und Disziplin wie geschaffen ist für die Organisation solcher Veranstaltungen, setzt sie alles auf eine Karte: Sie veranstaltet das weltweit exklusivste Pokerturnier für die Reichen und Mächtigen von Los Angeles. Die vollen Konten der VIPs aus Sport, Business und Entertainment bescheren ihr ein Jahrzehnt voller Glamour und Erfolg. Doch eines Tages erregt Mollys Glückssträhne unerwünschte Aufmerksamkeit, als sie sich versehentlich Mitglieder der russischen Mafia an den Spieltisch holt. Kurz darauf wird sie mitten in der Nacht von schwer bewaffneten FBI-Agenten verhaftet und unter Anklage gestellt. In ihrem Anwalt Charlie Jaffey (Idris Elba) findet Molly ihren einzigen Verbündeten. Doch um sie zu verteidigen, muss Charlie hundertprozentig von ihrer Unschuld überzeugt sein: Wie viel wusste sie wirklich über illegale Machenschaften hinter den Kulissen ihrer Pokernächte?

Kritik

Wer einmal einem Pokermatch beigewohnt hat, ohne die Regeln zu kennen, der weiß: Dieses Game kann für Uneingeweihte entweder einschläfernd sein, oder im Anbetracht der augenscheinlichen Komplexität regelrecht aggressiv machen. Trotzdem wird das elegante Glücksspiel immer mal wieder in Filmhandlungen miteinbezogen – und genau hier kann man als Regisseur viel falsch machen. Während man auf der einen Seite die Kenner nicht durch eine allzu naive Inszenierung langweilen will, muss man schon darauf achten, dass auch Poker-Neulinge die Abläufe auf der Leinwand nachvollziehen können. Das kann mal ganz ordentlich funktionieren – etwa im „James Bond“-Film „Casino Royale“, dann wiederum ziemlich in die Hose gehen, Stichwort „Runner Runner“. Doch mittlerweile ist das Spiel so weit in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dass man schon Einiges mehr wagen kann, ohne die Angst haben zu müssen, potenzielles Publikum zu vergraulen. Genau das macht nun Regie-Newcomer Aaron Sorkin (Drehbuchautor von unter anderem „Steve Jobs“), der Poker im gleichsam von ihm geschriebenen Thrillerdrama „Molly’s Game“ nun so smart und nachvollziehbar aufbereitet, dass das Glücksspiel selbst für Unkundige eine regelrechte Sogwirkung entfaltet. In Kauf nehmen muss man dafür mitunter pfeilschnelle Dialoge und ein schwindelerregendes Erzähltempo. Doch belohnt wird man dafür nicht bloß mit einer umwerfenden Jessica Chastain („Die Erfindung der Wahrheit“), sondern auch mit einem überaus spannenden Blick hinter die Kulissen der Poker-High-Society.

Unter Mollys Augen treffen sich regelmäßig die Reichen und Schönen Hollywoods, um um viel Geld zu spielen.

„Molly’s Game“ beginnt mit einem Off-Kommentar darüber, was für Sportler der schlimmste Moment ihres gesamten Lebens war. Sportler daher, da die im Fokus des Films stehende Molly Bloom selbst jahrelang eine Spitzenathletin im Skilaufen war, eh sie ihre Olympiachancen aufgrund eines schweren Unfalls – im wahrsten Sinne des Wortes – auf Eis legen musste. Einen besseren Einstieg in den Film hätte sich der Oscar-Gewinner Aaron Sorkin (2011 für „The Social Network“) nicht aussuchen können, gibt der Prolog von „Molly’s Game“ doch direkt die Marschrichtung für die darauf folgenden 142 Minuten vor. Sorkin katapultiert den Zuschauer mitten hinein in das außergewöhnliche Leben dieser bei genauerem Hinsehen eigentlich ziemlich bodenständigen Frau und markiert dadurch direkt einen der vielen Vorzüge seiner Produktion: In „Molly’s Game“ steht keine zur außerweltlichen Heldin hochstilisierte Frau im Mittelpunkt, sondern eine ganz gewöhnliche Zeitgenossin, der es lediglich mithilfe von Grips und Disziplin gelungen ist, ihre eigenen Karten neu zu mischen und ihr Schicksal so selbst in die Hand zu nehmen. Für Sorkin bietet die Grundlage von Molly Blooms Memoiren somit die beste Grundlage: Schon in „The Social Network“, „Steve Jobs“ und „Die Kunst zu gewinnen – Moneyball“ ging es schließlich um waschechte Selfmade-Men.

Auch für seine Arbeit an der Politserie „The West Wing“ wurde Aaron Sorkin immer wieder gelobt. Den Grund dafür bildet der von dem Autor an den Tag gelegte Realismus in Bezug auf die Darstellung interner Abläufe. Hier findet sich die nächste Parallele zu „Molly’s Game“, denn auch hier bemüht sich Sorkin um größtmögliche Detailarbeit. Die Namen echter Hollywoodstars und VIPs verwendet er (anders als es Molly Bloom in ihrem Buch tut!) zwar nicht, doch auch wenn er für die verschiedenen Gestalten rund um den Pokertisch Pseudonyme und Spitznamen erfindet, lassen sich durch ein wenig Recherche schnell die wirklich dahinter steckenden Gesichter herausfinden. In „Molly’s Game“ spielt sich also keiner selbst – das macht aber nichts, denn Michael Cera („Twin Peaks“) alias „Player X“ (der im wirklichen Leben beispielsweise Tobey Maguire war), Chris O’Dowd („The Cloverfield Paradox“) und diverse weitere Darsteller schlüpfen absolut glaubwürdig in die jeweiligen Rollen ihrer realen Vorbilder und veredeln „Molly’s Game“ auf Nebendarstellerebene. Der famosen Jessica Chastain in der unnahbaren Hauptrolle der Molly Bloom kann dagegen kaum Jemand das Wasser reichen. Selbst Kevin Costner („Hidden Figures“) in der Rolle ihres Vaters hat Mühe, gegen die starke Präsenz seiner Filmtochter anzuspielen. Chastain vereint in ihrer toughen Figur die kühl-berechnende Organisatorin, die mit ihrer bemerkenswerten Intelligenz einfach jedem überlegen ist, mit einer ungeheuren Zerbrechlichkeit. In wenigen, intimen Momenten lässt Chastains Molly immer wieder die weise Erkenntnis durchblicken, dass das gesamte System jeder Zeit in sich zusammen stürzen kann.

Molly Bloom (Jessica Chastain) und ihr Anwalt (Idris Elba) vor Gericht.

Aaron Sorkin entscheidet sich dafür, dem Zuschauer den Ausgang der Geschichte von Beginn an zu verraten. Nach dem Sportler-Prolog erleben wir sofort die Festnahme Blooms und wissen daher, dass das Pokerkartenhaus irgendwann doch in sich zusammengestürzt ist, wofür sich Molly nun vor Gericht verantworten muss. Hieraus kreiert Sorkin seine gleichermaßen für Kurzweil sorgende, wie hochinteressante Erzählstruktur: Eine Befragung durch Molly Blooms Anwalt Charlie Jaffey (stark: Idris Elba) dient als Klammer. Zwischendrin streut der Regisseur und Autor immer wieder ausführliche Rückblenden der Ereignisse – beginnend von Mollys Einstieg ins Berufsleben über erste Gehversuche im illegalen Pokermilieu bis hin zur Organisation exklusiver Turniere für die Superreichen Hollywoods. Schon das Zusehen dabei, wie die junge Frau mitunter mehr Glück als Verstand hat, gleichermaßen aber auch einfach eine ungeheure Cleverness an den Tag legt, wäre spannend genug. Doch die von Sorkin so smart geschriebenen Dialoge geben dem Publikum auch noch eine ordentliche Portion Detailwissen mit auf den Weg. In Kombination mit dem hohen Tempo kann einem da schon mal ordentlich der Kopf rauchen. Doch wie schon Adam McKay in seinem Finanzthriller „The Big Short“ gelingt es auch Aaron Sorkin in „Molly’s Game“, genau abzuschätzen, welche Fakten für sein Publikum relevant sind und welche nicht. Am Ende lassen sich vielleicht nicht alle Schritte und Gedankengänge der in die Geschehnisse involvierten Menschen nachvollziehen, doch es reicht aus, um zu begreifen, was das Schicksal rund um Molly Bloom so spektakulär macht.

Fazit: Für „Molly’s Game“ treffen die pointierten Dialoge eines Aaron Sorkin auf das Tempo und die Extravaganz von „The Big Short“.  Das Ergebnis ist ein hochspannendes Thrillerdrama mit einer einnehmenden Jessica Chastain, das einem ganz neue Einblicke in das Glückspiel bietet.

„Molly’s Game“ ist ab dem 8. März in den deutschen Kinos zu sehen.

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