Lucky Loser – Ein Sommer in der Bredouille

In Nico Sammers amüsanter Patchwork-Komödie LUCKY LOSER – EIN SOMMER IN DER BREDOUILLE führt der Weg einer eigentlich harmoniebedürftigen Familie einmal quer über den Campingplatz. Mehr dazu in meiner Kritik.

Der Plot

Bei Mike (Peter Trabner) läuft es alles andere als rund: Wohnung weg, Job eine Einbahnstraße und zu allem Übel schlägt sein kleines Loser-Herz immer noch für Ex-Frau Claudia (Annette Frier). Für ihn ist es nur eine 9-jährige Beziehungspause, für Claudia ist er jedoch eine Katastrophe auf zwei Beinen. Zumal sie seit Jahren mit Thomas (Kai Wiesinger) liiert ist und ein spießiges Vorstadtleben führt. Als die gemeinsame Teenie-Tochter Hannah (Emma Bading) plötzlich beschließt, zu ihrem Dad zu ziehen, steckt Mike in der Bredouille. Wo sollen sie bloß hin? Notgedrungen geht’s auf einen Campingplatz, wo zu Mikes Entsetzen noch Hannahs heimlicher Freund Otto (Elvis Clausen) auftaucht. Chaos ahnend, macht sich auch Claudia auf den Weg … das Durcheinander ist perfekt, doch Mike wittert seine zweite Chance…

Kritik

Nicht erst seit „Toni Erdmann“ wissen wir, dass der Weg zur innerfamiliären Versöhnung mitunter steinig sein kann. Vereinigt Thomas Arslan aktuell in seinem Roadmovie-Drama „Helle Nächte“ Vater und Sohn mittels Norwegen-Trip, muss es in Nico Sommers „Lucky Loser – Ein Sommer in der Bredouille“ ein Campingausflug richten, damit der geborene Verlierer Mike gemeinsam mit seiner Tochter Hannah wieder in die richtige Spur findet. Der Vergleich zu Kritikerliebling „Toni Erdmann“ kommt nicht von ungefähr: Mikes Ex-Frau Claudia nimmt in einer ihrer Standpauken sogar direkten Bezug auf den von Peter Simonischek gespielten Alt-68er, denn in Sachen Fremdschäm-Faktor steht der arbeits- und wohnungslose Single seinem vermeintlichen Vorbild in Nichts nach. Dafür meint es Nico Sommer („Familienfieber“) ein wenig besser mit jenem Teil des Publikums, die sich mit der nervtötenden Attitüde Toni Erdmanns – es soll ja manch einen Zuschauer gegeben haben, der den Film nicht mit Lobeshymnen überschüttete – nicht so recht anfreunden könnten. Sommer gelingt keine so pointiert beobachtende, bissige Tragikomödie wie seiner Kollegin Maren Ade im vergangenen Jahr, aber eine Art Feelgood-Variante davon, die zwar hie und da daran krankt, sich zu viel vorzunehmen, dafür auf der Darstellerseite ordentlich punkten kann.

Ungalant möchte Vater Mike (Peter Trabner) verhindern, dass seine Tochter Hannah (Emma Bading) und ihr Freund Otto (Elvis Clausen) miteinander Sex haben.

Viele der Dialoge und Interaktionen in „Lucky Loser“ wurden am Set improvisiert. Und das merkt man auch! Nicht nur das familiäre Dreiergespann aus Vater Mike, Mutter Claudia und Tochter Hannah agiert so selbstverständlich und routiniert miteinander, dass man zu keinem Zeitpunkt infrage stellt, dass es sich bei dieser Konstellation tatsächlich um eine Familie handelt. Auch der Rest des Ensembles – von Hannahs aufgeschlossenem Freund Otto, bis hin zu Claudias skeptischem Lebenspartner Thomas – funktioniert im Zusammenspiel hervorragend und haut sich Dialoge um die Ohren, wie sie zu 100 Prozent der Realität entsprechen. Es sind die kleinen Momente, in denen Nico Sommer, der hier als Autor und Regisseur in Personalunion fungiert, das Besondere und Komplexe findet: Wenn er etwa das ausgelassen im See miteinander herumtollende Pärchen aus der Deutschen Hannah und dem Schwarzafrikaner Otto einfängt, während er zwischendrin immer wieder auf die skeptisch um diese Szenerie herumstehenden Schaulustigen schneidet, die das Geschehen auf ganz unterschiedliche Weise kommentieren, dann gewinnt er einem Moment gleichzeitig überschwängliche Romantik (die beiden Turteltauben interessieren die Schaulustigen nämlich überhaupt nicht) und unfaire Bitternes ab, wenn die Umwelt für „so etwas“ noch nicht bereit zu sein scheint.

Fremdenfeindlichkeit ist eines von mehreren Themen, die Nico Sommer in seiner Familienkomödie anschneidet und es dabei versäumt, mehr aus den Einzelszenen zu machen, als kurze Randnotizen. In erster Linie dienen Szenen wie diese, in denen Mike einen dorfbekannten Nazi zur Sau macht, der sich mit Otto anzulegen versucht, oder sein Einreden auf die Skeptiker, dass die Beziehung zwischen Hannah und Otto absolut normal ist, dazu, Mike langsam von seinem Loser-Image zu befreien. Das ist in Ordnung, denn letztlich steht in „Lucky Loser“ die charakterliche Reifung der von Peter Trabner („Dicke Mädchen“) mit jeder Menge Leidenschaft verkörperten Hauptfigur im Mittelpunkt. Doch ein wenig mehr Nachdruck hätte man der Geschichte verleihen können, hätte sich Nico Sommer ein wenig ausführlicher mit den ernsten Momenten seiner Story befasst. So rückt er vornehmlich den Patchwork-Clash in den Mittelpunkt, sorgt damit definitiv für jede Menge amüsante Momente, kratzt emotional aber lediglich an der Oberfläche des Möglichen; eine charmante Randnotiz: Dass es für Nico Sommer und die Protagonistenfamilie zu keinem Zeitpunkt eine Rolle spielt, dass Hannahs Freund Otto (umwerfend charmant: Elvis Clausen, „Coming In“) eine andere Hautfarbe hat, als der Rest der Familie, offenbart eine Selbstverständlichkeit, die ihres gleichen sucht. Andere Regisseure hätten um Otto mit Sicherheit noch eine dramatische Flüchtlingsgeschichte gesponnen, womit in „Lucky Loser“ sogar kurz augenzwinkernd kokettiert wird.

Hannah und ihr Vater sind sich in wichtigen Dingen immer einig.

In erster Linie ist „Lucky Loser“ eine liebenswürdig-authentische Geschichte darüber, wie sich ein vom Schicksal gebeutelter Pechvogel an de eigenen Haaren aus dem Sumpf zieht. So richtig überraschend gerät dieser Prozess nie; dass der immer noch hoffnungslos in seine Ex-Frau verliebte Mike von Anfang an keine allzu schlechte Chancen haben dürfte, die von Annette Frier („Ich bin dann mal weg“) mit voller Hingabe gespielte Vollblutärztin irgendwann wieder für sich zu gewinnen, stellt der Zuschauer schon allein deshalb nicht infrage, weil es Nico Sommer nicht gelingt, die Liebe zwischen Claudia und ihrem aktuellen Partner Thomas glaubhaft zu zeichnen. Letzterer scheint während der gesamten Geschichte kaum eine Rolle zu spielen; und wenn doch, dann offenbart sich schnell, dass das Herz seiner Freundin kaum an ihm zu hängen scheint. So gerät „Lucky Loser“ bisweilen ein wenig formelhaft, doch gleichzeitig findet Nico Sommer immer wieder hochemotionale und zum Brüllen komische Einfälle, die mitunter sogar Hand in Hand gehen. Wenn Mike etwa aus der Not heraus versucht, an der Apotheke Kondome für seine Tochter zu kaufen, damit diese trotz Widerwillen ihres Vaters Sex mit Otto haben kann, nur um anschließend in eine Schlägerei zu geraten, auf die wiederum ein sentimentales Gespräch mit Otto folgt, der ihm einige traurige Anekdoten aus seinem Alltag erzählt, dann feuert Nico Sommer binnen weniger Minuten das gesamte Spektrum an Emotionalität ab – und „Lucky Loser“ wird zu einem richtig charmanten Film.

Fazit: Mit „Lucky Loser – Ein Sommer in der Bredouille“ gelingt Regisseur Nico Sommer eine liebenswürdig erzählte, hier und da ein wenig zu schematische, dafür äußerst authentisch gespielte Patchwork-Komödie, die mit der starken Performance von Peter Trabner steht und fällt.

„Lucky Loser – Ein Sommer in der Bredouille“ ist ab dem 10. August in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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