Die Agentin

Basierend auf einem Bestseller des Geheimdienstlers Yiftach Reicher Atir erzählt DIE AGENTIN, wie der Mossad im Rückblick das Handeln einer seiner Agentinnen einzuschätzen versucht. Ob das Drama mit Diane Kruger und Martin Freeman überzeugt, verraten wir in unserer Kritik.

Der Plot

Über ein Jahr ist es her, seit Mossad-Kontaktmann Thomas Hirsch (Martin Freeman) zuletzt von der ihm zugeteilten Agentin Rachel (Diane Kruger) gehört hat. Plötzlich erhält er einen kryptischen Anruf von ihr: Ihr Vater sei gestorben. Schon wieder. Dann legt sie auf. Direkt danach wird Thomas zu einem Krisentreffen beordert. Der Geheimdienst ist alarmiert, denn die ehemalige Mossad-Spionin verfügt über brisantes Wissen. Nun muss der Mossad abwägen, ob Rachel eine Gefahr darstellt, und etwa ihre Informationen leaken würde, oder ob man sie wieder in den Dienst eingliedern könnte. Also wird minutiös besprochen, wie sich Rachel in ihrem jahrelangen Einsatz geschlagen hat. Klar ist, dass es fatal war, wie sie sich in eine Zielperson verliebte. Thomas versucht dieser Grenzübertretung zum Trotz, Rachel zu beschützen …

Kritik

Auf dem Papier scheint es so, als würde mit „Die Agentin“ ein Hauch von John le Carré durch die Kinos wehen: Der englische Schriftsteller ist ein Meister darin, Geschichten im Spionagemilieu zu erzählen, die ohne nennenswerte Actionpassagen, wohl aber mit ruhigen Dialogen zu fesseln wissen. Seine Romane dienten bereits für einige Filme über Lug, Trug, Misstrauen und das Hüten von Informationen als Vorlage, darunter für „Dame, König, As, Spion“ und „A Most Wanted Man“. Auch „Die Agentin“ basiert auf einem entspannt erzählten Roman, nämlich auf dem israelischen Bestseller „The English Teacher“ des ehemaligen Geheimdienstlers Yiftach Reicher. Regisseur und Drehbuchautor Yuval Adler („Bethlehem – Wenn der Feind dein bester Freund ist“) ist es allerdings nicht gelungen, aus dem in Flashbacks erzählten Stoff einen durchweg packenden Film zu formen. Allein schon die Erzählstruktur hindert „Die Agentin“ daran, umfassende Spannung zu entwickeln: Der Film beginnt damit, dass Diane Krugers Figur der (Ex-)Mossad-Agentin Rachel ihrem Kontaktmann ein Lebenszeichen gibt. Dieser muss sich daraufhin mit seinen Vorgesetzten darüber austauschen, ob sie als Bedrohung gilt. Daraufhin zeigen Rückblenden, wie sie in Tehran mit ihrer Mission vertraut gemacht wird, sich als Englischlehrerin auszugeben, um so an den Farhad (Cas Anvar), den Chef einer Elektronikfirma, heranzukommen, den der Mossad dazu verführen will, gegen das Handelsembargo zu verstoßen.

Rachel (Diane Kruger) gibt sich als Englischlehrerin aus, um an Farhad (Cas Anvar) heranzukommen.

Die Flashbacks werden oftmals, teils abrupt, davon unterbrochen, dass Martin Freeman („Black Panther“) als Rachels Kontaktmann Thomas ihr Handeln beschwichtigend einordnet, selbst wenn er sich gelegentlich mit ihr raufte. Als kühler Kopf, der in den Rückblenden Rachel behutsam in ihre Aufgaben einweiht und in der Rahmenhandlung seinen Kollegen deeskalierend näher bringt, dass Rachel eine fähige, ungefährliche Frau sei, wird Thomas zügig als die Vertrauensperson eingeführt, an der sich das Publikum orientieren soll. Freemans trockenes, aber joviales Spiel und die beiläufige, unaufgeregte Regieführung suggerieren, dass wir Thomas Vertrauen dürfen – so, dass sich keine Spannung daraus generiert, ob sein Glauben an Rachel vermessen sein könnte. Dadurch, dass Rachels Erfahrungen im aktiven Dienst wiederum nur episodenhaft in die Rahmenhandlung gestreut werden, distanziert Adler sein Publikum zugleich von der eigentlichen Protagonistin: Statt, dass wir kontinuierlich miterleben, wie ihre anfängliche Freude am Spionieren und Lügen sich schleichend aufbauenden Gewissensbissen Platz macht, erleben wir es nur fragmentarisch mit. Kurzum: „Die Agentin“ hat keine plotgestützte Dramaturgie, noch ist Rachels Hadern mit ihrem Job so involvierend, dass es die zwei Filmstunden zu tragen vermag.

Das bedeutet nicht, dass es keine Einzelszenen gibt, die überzeugen: Diane Kruger („Aus dem Nichts“) gibt eine kühle, stählerne Darbietung ab. Sie legt Rachels ‚Rolle‘ der Lehrerin als ruhige, doch ohne große Anstrengungen auffällige Person an – diese nebensächliche Dominanz ist es, die es ihr gestattet, die Aufmerksamkeit Farhads zu erregen und ihm unbemerkt Pläne in den Kopf zu pflanzen. Die Weise, wie Kruger als Rachel bestimmt, doch ohne die Stimme zu erheben, mit ihm flirtet, und Cas Anvars Umgang damit, sorgen für einige der gelungeneren Passagen des Films. Eine Kombi aus Sprachunterricht (im Original bringt sie Farhad Englisch, in der Synchronfassung Deutsch bei) und Kennenlern-Date in einem Café, lässt Anvar etwa zwischen überzeugtem Geschäftsmann und schockverliebtem Schuljungen, der dies schlecht kaschiert, schwanken, und das eloquente Verbalduell zwischen ihm und Kruger ist raffiniert geschrieben.

Thomas (Martin Freeman) ist alarmiert: Was ist mit Rachel geschehen?

Auf ganz anderer Ebene sticht aus dem bieder in Beige-Braun-Grüntönen gefilmten Thrillerdrama „Die Agentin“ ein Segment heraus, das zeigt, wie Rachel in Farhads Firma spioniert und sich mit dem Sicherheitsmann anfreundet. Kruger legt in diesem Unterkapitel des Films viel Kraft in ihr Spiel mit den Augen, allein mit einem Blinzeln schaltet sie von gewissenlos auf erschüttert. Oft genug stolpert die Charakterzeichnung Rachels jedoch am Skript, so dass Krugers Schauspiel nicht ausreicht, um „Die Agentin“ auch nur ins Mittelmaß zu heben: Viel zu wenig wird über sie als Person ausgesagt, über ihre Beweggründe und ihre Sehnsüchte. Allein das Verwischen von Aufgabe und realen Gefühlen gestattet ihr der Film – das Verlieben in Farhad. Dass Rachel so wenig eigene Persönlichkeit vergönnt ist, ist ein ziemliches Trauerspiel für ein Agentinnendrama, das sich dann auch noch in der zweiten Hälfte an einer Aneinanderreihung von „Ein Drama über eine Frau“-Klischees in Moll übt. Das lässt sich auch angesichts der (selbst-)kritischen Skizzierung der Geheimdienstarbeit in vielen Grautönen nicht schönreden.

Fazit: Ein Charakterdrama mit wenig Persönlichkeit und ein Spionage-Thrillerdrama ohne Spannungskurve: Es sind hauptsächlich Diane Kruger und Cas Anvar, die mit ihrem Spiel „Die Agentin“ wenigstens passabel dastehen lassen.

„Die Agentin“ ist ab dem 29 August 2019 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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